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    „Jazz Open“ in Stuttgart | Jazzfestival Montreux


    MONTREUX: Wie seit über zehn Jahren berichte ich über die Jazz Festivals:

    Strahlendes Wetter, eher etwas zu heiß. Der wunderbare See, das tolle Festivalgelände, die häufig sehr jungen Leute, ungewohnt für ein Jazzfestival!.

    Und gleich am ersten Abend geht es zu Dr. John, ein Event zwischen Blues und Rock, so die Ankündigung. Er komm mit zwei bunten Stöcken auf die Bühne, nickt ins Publikum, legt los. Schnörkelloser Blues, mal ein wenig rockig, Instrumentalpassagen mit einem Schuss Jazz, wie es sich für Montreux gehört. Überhaupt ist bei ihm alles bunt. Der Hut, ein paar Bänder, dann „ganz in weiß“ der obligatorische Totenkopf auf dem Klavier. Für mich ein schöner Einstieg in Montreux, der von „The Daptone Super Soul Revue“ mit Soulsängern wie Charles Bradley und seiner Kollegin Sharon Jones weitergeführt wird.

    Am nächsten Tag dann einer, der noch weniger mit dem Publikum verbal kommuniziert als Dylan, der als Solist mit Dylan oder Mc Cartney zu vergleichen ist und seine ersten Hits wie „Here comes the night“ oder „Gloria“ 1965 mit „Them“ hatte. Van Morrison, den ich in dieser Woche auch gleich zweimal hören und sehen konnte, 31 Jahre nach meinem ersten Van Morrison Konzert auf dem Festival in der Nähe von Doolin in Irland. Seine Auftritte sind beeindruckend, natürlich hochprofessionell. Da er in den letzten knapp fünzig Jahren fast jedes Jahr eine Platte, eine CD eingespielt hat – auch hier vergleichbar mit Dylan – verfügt  er über einen Riesenfundus an Titeln. Und er spielt oft die Allerneuesten zu Beginn, erst nach einer Stunde kommt „It`s all in the game“, dann, und hier wird es politisch, „No Guru, no Method, no Teacher“. Das Publikum singt diese drei Zauberworte mit erhobener Faust mit, höchste Begeisterung bei dem Wort „NO TEACHER“! Natürlich gibt es auch in einer moderneren Fassung „Baby please don`d go“. Das Konzert in Montreux hat übrigens Morrisons Tochter mit vier Songs eröffnet, unter anderem mit „Cry me a river“. Eine Wahnsinnsstimme, beste Modulation, laut, leise, sie kann ihren Dad ganz schön an die Wand singen. Beim Konzert greift sie selten ein, aber wenn, dann steigert sich die Power in der Halle um 150%. An diesem Abend war Van in höchster Spiellaune, das Konzert dauerte weit über zwei Stunden. Ich habe gehört, dass er vor Jahren, leicht übel gelaunt, sein Konzert nach 45 Minuten beendete und eine ratlose, wütende Zuschauermenge in Esslingen zurückließ.

    An diesem Abend machte er die „Vorgruppe“ für Mavis Staples, die früher mit Vater, Schwestern und Bruder die „Staple Singers“ gebildet hat, die Martin Luther King auf seinen Veranstaltungen oft künstlerisch begleiteten und ein halbes Dutzend US-Tophits hatten. Aus den frühen Sechzigern brachte sie einige Songs mit den dazu gehörenden Politinformationen. Ab und an spielt sie auch einen bekannten Cover-Song, wie zwei Tage später in Stuttgart auf den Jazz Open „The Weight“ von „The Band“ ein Kernstück im Film „Easy Ryder“. Wieder ein Moment, wo das Publikum richtig begeistert mitgeht.


    Und damit wären wir schon 500 km nördlicher beim Stuttgarter Jazz Open.

    Hier spielt Stapels nur ein Drittel ihres zwei Stunden Gigs als Vorgruppe zu Van Morrison. Mit rund siebzig Jahren schafft sie es immer noch, die eigene Begeisterung musikalisch aufs Publikum zu übertragen. Van Morrison spielte in Stuttgart rund anderthalb Stunden, die Setlist hatte sich geringfügig geändert, auch „Gloria“ wurde gespielt.

    Schade, dass er von meiner Lieblingsplatte „Wavelength“ nichts spielte, auf der er seinen Abschied von Amerika verarbeitet hat.

    Einen Tag später der weiße Soulsänger James Hunter – ein ex-Musiker aus der  Morrison Band- der für Jeff Beck einspringen durfte oder musste. Beck cancelte aufgrund einer Krankheit die gesamte Europatournee, eine kleine Katastrophe für die Veranstalter. Lücken auf den Sitztribünen und auf den Stehplätzen, die bei Morrison rappelvoll und ausverkauft waren. Daran konnte auch der Gig der „weltbesten Schlagzeugerin“

    Sheila E. nichts ändern, und auch der Grammy überhäufte amerikanische Bluessänger Keb Mo – ein Sänger mit einer „samtweichen“ bis souligen Stimme - hatte zu kämpfen, um eine Atmosphäre im halbvollen Schlosshof Open Air zu schaffen, was aber im Laufe des Abends mehr und mehr gelang.

    Am Abschlusstag dann ein Höhepunkt, den ich so nicht erwartet hatte. Dr. John sei sein großes Vorbild und er sei stolz, am gleichen Abend wie er in Stuttgart auftreten zu dürfen. Jamie Cullum, forever young, ein Schwiegersohntyp Anfang dreißig, verzauberte die Stuttgarter als Multiinstrumentalist und hervorragender Sänger mit eigenen Songs und wenigen Coversongs wie „The Wind Cries Mary“ von Jimi Hendrix. Er erzeugte eine Wahnsinnsstimmung, sprang wie ein Gummiball über die Bühne, ein Konzerterlebnis der Superklasse!

    Redaktion: Bruno Schollenbruch

    2014-07-26 | Nr. 83 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch





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