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  • Szenen Regionen :: Köln-Bonn

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    50 Jahre parlamentarischer Rat

    Eine köstliche, alberne und gehaltvolle kabarettistische Revue über parlamentarische Ochsentour, Hammel-sprung, Kühe auf dem Eis und 50 Jahre Grundsgesetz fand im September im Bonner Pantheon statt. "Die Ein-geschworenen von Trizonesien" alias Norbert Alich, Heinrich Pachl, Rainer Pause und Georg Schramm (Andreas Giebel war erkrankt) begannen mit dem Schlußlied der ersten Parlamentarischen Ratssitzung und san-gen herzerweichend "Ich hab mich ergeben mit Herz und Hand, Dir Land voll Lieb und Leben, mein teures Va-terland". Vom Thema Meinungsfreiheit, Pressefreiheit landete Pause in der Rolle des Fritz Litzmann schnell bei Presse, Kontaktanzeigen, Todesanzeigen, Sonderangeboten, Schweinebauch... und Alich als Hermann Schwa-derlappen hatte seine liebe Mühe zum Thema zurückzuführen: "Die Sozis wollen die Brauereien verstaatlichen lassen". Pachl dagegen weiß, was "Gechichte" bedeutet, er ist väterlicherseits Sudetendeutscher, mütterlicher-seits Hinterpommer. Sein Geschichtsverständnis ist schnell mitgeteilt: Erhard war Bewährungshelfer, für Ade-nauer begann ab Wuppertal der Kommunismus und Hitler kann man ja einiges vorwerfen, aber nicht, daß die Deutschen ihn gewählt haben. Adenauer kann man ebenfalls vieles vorwerfen, aber nicht, daß er etwas für die Wiedervereinigung getan hätte. Spare in der Not, dann hast Du Zeit dazu. Georg Schramm, dem man wahrlich keine zwanghafte Fröhlichkeit vorwerfen kann, bringt in diesen chaotischen Haufen die nötige (preussische) Ernsthaftigkeit, er hat einen strukturierten 49seitigen Vortrag vorbereitet und fordert das gackernde Publikum auf, sich dem Charakter des Festaktes gemäß zu benehmen. Ein hochkarätiger kabarettabend an dem es viel zu Lachen gab.

    Kabarett der österreichischen Art

    "Privat" ging es zu, als Josef  Hader am 28. September die Bühne des Bonner Pantheons betrat, sich auf den Barhocker setzte, den er im ersten Programmteil nicht mehr verließ. Er beginnt seinen herrlich krausen Wort-strudel mit seiner skurrilen Geburtsgeschichte bei Schnee im niederösterreichischen Nösching. Die schwarze Hornbrilln, sein Markenzeichen hatte er bereits im Mutterleib auf der Noasn. In aller Ruhe, mit einfachen Sätzen berichtet er von den Stationen seines Lebens. Da jeder in seiner Familie Hämorrhoiden hat, gehört Weizenkleie bereits seit den Bauernkriegen zum Initiationsritus. In der Schule war er ein Leistungsschwein, denn bereits beim ersten Diktat hatte er Null Fehler. Geschichten über seine erste Liebe, den Zahnarzt, der ihn anstatt Betäubungs-mittel bei seinen Patienten einsetzt, die Lemminge in der Wüste und zwischendurch doch das Geständnis des ehemaligen Ministranten und Pfarramtsstudenten: "Dos stimmt jetzt, glaub' i net". Im zweiten Teil spielt er auf seiner Hammondorgel und singt zeitweilen. Er bohrt sich durch die Nase bis zur Seele vor und landet vor einer Tür mit dem Schild "einzig wahres Ich". Ein Abend voller Witz, Humor, Schwachsinn und trotzdem folgt das Publikum gebannt und begeistert den Worten Josef Haders. Bezüglich des Schlußapplauses verunsichert Hader sein Publikum noch einmal, ein Indianerstamm in Südperu lehnt den Applaus ab, da alle aufgenommene Energie, dann sofort wieder abgegeben wird.

    Köln im Comedy-Rausch

    Zum Auftrakt des 8. Köln Comedy Festivals moderierte, die noch vom Köln Marathon bandagierte, Bettina Böttinger die Gala im Gloria Theater. Mit einem Augenzwinkern auf den Sponsor beschloß man, daß die Scherze sich an diesem Abend in der S-Klasse bewegen sollten, denn bei der A-Klasse könnte die Stimmung kippen. Dort wurde der Deutsche Comedypreis in Form von drei Händepaaren, die durch Kurbeln zusätzlichen Applaus bescheren, verliehen. Die Preisträger: Oliver Kalkofe in der Kategorie "Comedy & Medien" Er präsentierte dem zahlreich erschienenen Publikum und der anwesenden "crème de la crème" aus der Klein-kunstszene "Best of Kalkofes Mattscheibe live" und erfreute sich an seinem "Witze-Bambi". Marcus Jeroch in der Kategorie "innovative Bühnenprogramme" Den total verjandelten Marcus Jeroch habe ich sofort wiedererkändlert, seine Programme auf hohem Niveau und mit ausgezeichneter Mimik und Artistik genieße ich bereits seit fünf Jahren. Titanic-Redaktion als "Wegbereiter für Comedy" Nach 20 Jahren Basisarbeit, 20 Gerichtsprozessen und 12 Oscars nahm Oliver Schmidt, Mitglied der dreiköpfi-gen Titanic-Boy-Group die Auszeichnung für das Satiremagazin entgegen. Wer kennt sie nicht "Zonengabis erste Banane", die demnächst im auswärtigen Amt hängen wird. Das Rahmenprogramm gestaltete die smarte Boy-Group Ganz schön feist mit ulkigen, frechen und offenherzi-gen a Capella-Gesängen und der australische "Stand Up- Mime" Rob Spence, der gekonnt mit Gesichts- und sonstigen Muskeln spielte.

    Ganz schön schräg

    Im 1. Kölner Wohnzimmertheater sorgte in der "Schräg-Of-Show" Gabi Weiss alias Irmgard Knüppel für Ordnung, ihre Erkenntnis als Dienstleisterin: "Lecker essen reicht nicht mehr". Mit Olaf Bürger, gekonnt in der Rolle des Ostentertainers Edno Bommel, der von 1974 -1979 die Ost-Show "Ein Fussel Buntes" moderierte, führte sie durch den Abend voller Häppchen. Neben Roberto Capitoni mit seiner seltsamen Amerika-Ent-deckungsgeschichte und Onkel Fisch mit dem Thema "Unsere Genitalien sind die Größten von hier bis Italien" (wen's denn interessiert) trat das Kabarett A-Z auf. Ihre geniale Souffleuse-Nummer aus dem Programm "Nächstenhiebe" begeisterte durch Komik, Mimik und Sprache. Der Publikumsliebling des Abends war aller-dings Gregor Mönter mit visualisiertem Sprechplayback und Travestie zu einem Filmausschnitt von "Harry and Sally". Bei seinem zweiten Auftritt, beginnt er mit Playback zu singen, bricht ab und sagt, er habe zu lange Arme, das kommt nicht gut, geht hinter die Bühne und hält eine alte Basttasche in den Händen. Das Lied ent-puppt sich als Duett und aus der Tasche kommt eine Handpuppe in Form eines Frosches, der dann den männli-chen Part übernimmt, köstlich!

    Publikumsliebling

    Zu Rüdiger Hoffmanns Auftritt im E-Werk frage ich mich, was die Ursache für die Publikumsmassen ist. Auch ich konnte über seinen Bericht im Fischrestaurant schmunzeln und war begeistert über die Art und Weise, wie er über seinen Mitbewohner, der es dann auch eingesehen hat, berichtete. Das ganze Programm ist für mich jedoch ein mittelmässiges Nummernprogramm und ich frage mich, warum hervorragende KabarettistInnen wie z.B. Schiffer/Beckmann, Andrea Badey, Horst Schroth und Heinrich Pachl manch kleines gemütliche Theater nicht füllen. Ist das Publikum dem Fernsehn, welches wie in der RTL-TV-Gala gute Künstler wie "Ganz schön feist" auf "immer nur ficken" reduziert, hörig oder gilt immer noch die alte Weisheit "Wat der Buur nich kennt, fret er nich"? Wo gibt es überhaupt noch ein aufgeschlossenes und mündiges Publikum und wo gibt es engagierte Ver-anstalter, die bereit sind neuen Talenten eine Bühne zu bieten? (bitte bei mir melden!)  

    Best of  Comedy Cup im Küppers Klub

    Die Sieger des im Sommer unter ca. 50 Nachwuchskünstlern von der Küppers Brauerei und der Kölner Illu-strierten ausgeschriebenen Comedy Cups traten am 21. Oktober im Küppers Club auf. Nr. 1 das Duo Naseweiss, begeisterte mit einem Märchen à la Hänsel und Gretel, das sie im Medienzeitalter mit Werbebotschaften aktuali-siert hatten. Neben exzellenter Publikumsbeteiligung und gekonnter Akrobatik begeisterten sie im Dunkeln mit schwingenden Fackeln zu Carmina Burana. Nr. 2 waren Herr Schill und der unglaubliche Heinz. Mit Aus-schnitten aus ihrem Programm "ein Single kommt meistens allein" erzeugten sie bei mir eine Mischung aus Brechreiz (während des Liebesaktes auf der Wiese platzt die Silikonbrust, die Wiese ist über und über voll Sili-kon und sein bestes Teil liegt mittendrin) und gähnender Langeweile. "Lieder, die wir hassen" präsentierten die drei Rampensäue plus Pianist. Veronika Siebert überzeugte mit "Feaver", man hatte direkt Angst sich anzu-stecken. Auf das "Heitschi Bumbeitschi" von Stéfan Horn als Engel mit güldenem Haar und Flügeln gesungen, antwortet Jonathan Briefs als Luzifer mit Dreizack "I wish I had a pair of wings". Zum Abschied sangen sie in weiße Bademäntel gehüllt "Adieu, adieu, Deine Tränen tun weh". Liebe, Leid, Eifersucht, Schnulzen und Kla-mauk sind die Themen des Trios.

    Kammerpop in Spitzenqualität

    Im Senftöpfchen genoß ich das "Solo für Arme" von Popette Betancor. Sie spielt am Flügel, bläst dazu in die Trompete und singt selbstgeschriebene und vertonte Lieder über ihre Wahlheimat z. B. "Berlin grillt". Sie stellt die Formel auf: Liebe + Alkohol = Hallutinationen. Ihre Themen sind Träume, Cocooning, Anrufbeantworter, Kaufhausdetektive, ihre eigenen Wurzeln und heutige Kleinfamilien im Urlaub, die sie mit früheren Großfami-lien und ihren Reisen im R4 nach Spanien vergleicht. Sie ist sympathisch, authentisch, wirkt zuweilen beschei-den, hat viel Humor und Pep, Sarkasmus und Witz und beweist eine hohe vielseitig präsentierte Musikalität. Sie reist oft im Zug im Abteilwagen Raucher und spielt dann mit ihrer Wandergitarre schöne Weisen. Über die auf diese Weise kennegelernte Tic Tac Oma singt sie ein liebevolles Lied. Letztes Jahr erhielt sie den Prix Pantheon und dieses den Deutschen Kleinkunstpreis und der Laudatio ist fast nichts mehr zuzufügen: "Die Jury zeichnet damit eine Allroundkünstlerin aus, die von sich behaupten kann, den Kammerpop erhalten zu haben. Mit fröhli-cher Galle und augenzwinkernder Unverschämtheit textet, komponiert und singt die spanische Berlinerin aus dem Ruhrgebiet Songs auf engstem Raum für "ängste" Räume."

    Vergnügen zu später Stunde

    Die Late Night Show in der Kaiserdose war einfach genial. Pfeffertrocken empfing die Lonely Husband aus Berlin das zahlreich erschienene Publikum, um dann mit einer genialen Show zwischen A capella, Country und Crossover eine Hochstimmung im Publikum zu erzeugen. Otto Kuhnle hypnotisierte im Häschenkostüm eine Zuschauerin und dressierte Blumen. David Leukert glänzt mit seiner Nummer, in der ein Fotomodell eingewie-sen wird und dann erkennt: "Früher war ich ein kleines Mädchen, was nicht weiß, was in der Welt los ist, jetzt bin ich eine Frau, die nicht weiß..." Seine gute Beobachtungsgabe ermöglicht ihm auch die Gemeinsamkeit aller Fernsehserien zu analysieren: "Wann wirst Du endlich einsehen, daß ich kein Kind mehr bin?". Karl-Heinz Helmschroth brachte dann Zucht und Ordnung als er mit Ausschnitten aus seinem Lehrerprogramm das Publi-kum bändigte. Anschließend mischte Martin Quilitz, bekannt als Tankwart Fritzenkötter die Zuschauer mit sei-nen Witzen wieder auf.

    1. Westspitzenfestival

    Während Köln im Rausch des Comedy-Festes feierte, begann wenige Kilometer weiter in sieben Städten das erste Westspitzenfestival. In Kerpen gewann Arnim Töpel mit seiner Erkenntnis: "Sex ist keine Lösung"  die Westspitze, mich begeisterte hier auch Michaela Drux. Mehr zum Westspitzenfestival können Sie in der näch-sten Ausgabe von Trottoir in der Aachen Szene lesen.

    Bis dahin grüßt Sie herzlich

    Redaktion: Helga Korthals

     

     

     

     

     

    1998-12-15 | Nr. 21 | Weitere Artikel von: Helga Korthals





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