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    Philipp Scharri - Deutscher Kabarettmeister 2014

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    Gespräch mit dem Deutschen Kabarettmeister 2014 und Poetry–Slam Champion 2009: Philipp Scharri. Das Interview führte für Trottoir-online Jenny Genzke. 

    Jenny Genzke: Hallo Herr Scharri! Wie geht es Ihnen?

    Philipp Scharri: Danke, gut. Muss ja, wie der Rheinländer sagt.

    Jenny Genzke: Sie kommen ja ursprünglich aus dem Poetry Slam und vereinen diese Kleinkunstform mit dem Kabarett. Kann man sagen, dass Sie der Erfinder des Poetry-Kabarett sind?

    Philipp Scharri: Nein, ich bin nicht der erste Slammer, der auf Kabarett- und Kleinkunstbühnen wildert. Die Tür haben schon andere aufgestoßen – Marc-Uwe Kling, Sebastian23, Nils Heinrich, Tilman Birr … Und es würde mich erschrecken, wenn es ‚Poetry-Kabarett‘ jetzt schon als formatierte Bühnenform gäbe. Ich bin kein Freund solcher Schubladen, denn als Künstler wirst du meist nur daran gemessen, wie exakt du sie ausfüllst. Ich denke, die Entwicklung ist in vollem Gange und noch lange nicht abgeschlossen.

    Die Kollegen, die ich genannt habe, kommen wie ich aus dem Slam-Bereich, aber wenn man uns alle in eine Reihe stellt, sieht man gleich, wie unterschiedlich die Ergebnisse ausfallen. Das ist ja das Schöne am Slam: die enorme Formenvielfalt. Da ist alles Mögliche erlaubt – Storytelling, brettharte Lyrik, Spoken Word, Rap … Das versuche ich in meinen Programmen beizubehalten, ergänzt durch ein paar kabarettistische Lieder – allein schon aus Gründen der Abwechslung. Ich kann dem Publikum ja nicht zwei Stunden lang nur Gedichte um die Ohren hauen – obwohl ich manchmal durchaus Bock hätte …

    Jenny Genzke: Sie schaffen dadurch eine breite Zielgruppe: die jungen Leute, die gerne zum Poetry Slam gehen. Die älteren Zuschauer, die gerne zum Kabarett gehen. Wo fühlen Sie sich mehr zu Hause im Poetry Slam oder im Kabarett?

    Philipp Scharri: Eigentlich fühle ich mich in meiner Altersgruppe am meisten zu Hause, also bei denen, die jetzt zwischen Mitte Dreißig und Mitte Vierzig sind. Leider ist das die Generation derer, die momentan kaum ausgehen, weil sie Familien gegründet oder die erste Scheidung laufen haben. Grundsätzlich aber bin ich im Slam beheimatet, und die Gedichtform, die einen Großteil meines Programms ausmacht, steht dem Slam von Haus aus näher als dem Kabarett. Trotzdem habe ich mich im Slam eine Zeitlang ziemlich rar gemacht und mit der Kleinkunst geflirtet. Dafür zieht es mich jetzt wieder zum Slam, back to the roots. Ich glaube, am besten fühle ich mich mit einem gesunden Gleichgewicht – was auch für meine Inhalte und fürs Publikum gilt: eine Mischung aus Jung und Alt ist super, weil sich die Reaktionen verteilen. Manche Gags verstehen (fast) nur die jüngeren Zuschauer, andere liegen eher den Älteren, und manchmal kommen sie darüber sogar miteinander ins Gespräch: „Hä? Wat war’n daran lustig?“ Besser geht’s doch nicht!

    Jenny Genzke: Seit wann sind Sie im Kabarettbereich unterwegs?

    Philipp Scharri: Seit 2010. Mit dem Slammen habe ich schon 2006 angefangen, und ein paar Jahre später war ich auf einmal so viel unterwegs, dass ich dachte: „Ups, für einen normalen Beruf hast du gar keine Zeit mehr!“ Da war es nur konsequent, es mit dem abendfüllenden Programm zu versuchen.

    Jenny Genzke: Was ist ihr Kulturauftrag?

    Philipp Scharri: Oho, Kulturauftrag, da guck ich mal in mein Manifest … Nein, so systematisch gehe ich nicht vor. Ich liebe einfach die Sprache und das Spiel mit ihr. Wenn ich das mit einem Publikum teilen und feiern darf, ist das schon die halbe Miete.

    Aber mir wird oft gesagt, ich forderte die Zuschauer sehr, und ich weiß nie so genau, ob das ein Kompliment ist oder ein Vorwurf … Es stimmt, ich rege mein Publikum gern zum Denken an, spiele mit philosophischen Fragen; vor allem liebe ich die Reibung, die entsteht, wenn ich Tiefgründiges durch alberne Wortspiele breche. Schließlich soll sich das Publikum nicht nur berieseln lassen, sondern wach sein und mitdenken. Anspruch ist mir sehr wichtig, weil ich auch ein Gegengewicht bieten möchte zum wiedergekäuten Einheitsbrei der Massenkultur (Masse und Kultur – was für ein Widerspruch in sich!). Der Akzent bei Unterhaltung sollte doch auf ‚Haltung‘ liegen, nicht auf ‚unter‘. Was aber meist der Fall ist, wenn ich den Fernseher anschalte – dann denke ich oft: „Niveau denn bloß?“

    Jenny Genzke: Sie sind in Bonn geboren, wohnen aber jetzt in München. Was hat Sie in die schöne bayrische Hauptstadt verschlagen?

    Philipp Scharri: Lustig, das werde ich sehr oft gefragt. Wenn ich erzähle, dass ich zwischendurch ein paar Jahre in Stuttgart gelebt habe, sagen die meisten: „Ach sooo, na dann …“ Aber damit würde ich Stuttgart Unrecht tun! München ist mir einfach passiert. Früher wollte ich nie dorthin, fand Hamburg, Leipzig oder Berlin interessanter. Aber je öfter ich auf Tour nach München kam, desto mehr habe ich die Stadt und ihre Leute lieben gelernt. Als dann noch mein halber Freundeskreis dorthin abgewandert ist und ich mit zwei Münchner Slam-Kollegen das Team PauL–Poesie aus Leidenschaft gegründet habe, war der Fall klar.

    Jenny Genzke: Sie haben ein Buch zu ihrem ersten Bühnenprogramm geschrieben „der Klügere gibt Nachhilfe“. An wen richtet sich das Buch?

    Philipp Scharri: An alle, die fragen: „Kann man das noch mal wo nachlesen?” Das war jedenfalls der erste Impuls auf dem Weg, ein Buch zu machen. Im Grunde richtet es sich an alle, die Sprache lieben und gern mit ihr spielen. Es ist ja ein Inspirations- und Sprachbastelbuch. Weil es eben nicht nur die Texte aus meinem ersten Bühnenprogramm enthält, sondern auch viel Quatsch, viele Bastelbögen, viele Anregungen, was man so alles mit Sprache anstellen kann …

    Jenny Genzke: Wo kann man Sie als nächstes erleben?

    Philipp Scharri: Als nächstes steht Berlin auf dem Tourplan: Am 06. März bin ich beim Rosi’s Slam in Friedrichshain und am 09. März spiele ich mein aktuelles Solo „Kreativer Ungehorsam“ in den Wühlmäusen. In der Woche drauf bin ich im Südwesten und Westen: Jagsthausen, Wiesbaden, Düsseldorf. Am besten den Tourplan checken unter www.philippscharri.com.

    Jenny Genzke: Gibt es etwas was Sie uns noch mitteilen möchten?

    Philipp Scharri: Na klar: Alle kommen und gucken! Mein Lieblingswort ist „ausverkauft“ … ;)


    Weitere Infos: Philipp Scharri


    Nächster Termin: 09.03.2015 Wühlmäuse Berlin


    Redaktion: Jenny Genzke  

    Photo:Heiner Lange

    2015-03-03 | Nr. 86 | Weitere Artikel von: Jenny Genzke





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