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    Aufbruchstimmung unter den Newcomern

    Um es vorwegzunehmen: Ich bin nicht für eine „Deutsche-Lieder-Quoten-Regelung“ in Rundfunk und Fernsehen. Auch den Musikbereich sollte man global betrachten, und da ist die „deutsche“ oder „deutschsprachige“ Musik doch sehr gut in den Charts vertreten. Zudem gehe ich nach wie vor davon aus, dass die Sprache der Musik sowieso multikulturell ist und ihre Aussagen unabhängig von der jeweiligen Landessprache verstanden werden können. Kinder bei uns singen leidenschaftlich gern englische Texte, deren Bedeutung sie allenfalls erahnen. Und die Gruppe Mia hat mit deutschen Texten selbst Bürger der ehemaligen Sowjetunion gerührt. Stellen wir also mal die Quotenfrage in den Hintergrund und widmen uns den wichtigen musikalischen Ereignissen.

    Immer wieder ist zu spüren, dass sich auf dem Markt Unglaubliches tut. Vor allem bei den Newcomern stockt mir manchmal der Atem, wenn große Talente auf die Bühne kommen. Da ist Aufbruchstimmung angesagt.

    Ein absolutes Highlight war für mich, Theresa Burnette live erleben zu dürfen. Sie ist eine wahre Powerfrau mit schier unbeschreiblicher vokaler Ausdrucksstärke, mit einer Stimme, die sie sich patentieren lassen sollte. Nicht zuletzt aufgrund ihrer immensen Bühnenpräsenz hat sie es leicht, ihr Publikum um den Finger zu wickeln. Ihr „What a difference a day makes“ ist unvergleichlich, der Groove im „C C Ryder“ grenzenlos. Die Menschen liegen ihr zu Füßen, lassen sich hineinziehen in die gesamte Bandbreite des Rythm ’n’ Blues und des Soul, die diese Frau vokal abmisst. Sie feiert mit ihren Fans partymäßig die Nummer „Notbush City limits“. Ihre Begleiter sind dabei erste Sahne. Die Münsteraner Größe der Blues-Gitarristik, Gregor Hilden und seine Band, beschreiben den musikalischen Kosmos und lassen die Burnette auf ihren Klängen als Bluesqueen wandern. Und die erscheint wie ein neuer, hellleuchtender Stern am Jazzhimmel.

    Es ist schon gut, dass der Kalifornier Ron Williams nach seiner Zeit als GI hier in Deutschland hängen geblieben ist. Immerhin war er der erste US-Kabarettist in Deutschland. Daneben hat er Theater gespielt (Titelrolle in „I HAVE A DREAM – die Martin Luther King-Story“) und immer wieder auch als Entertainer und Sänger auf sich aufmerksam gemacht. Ihn als solchen auf der Bühne zu sehen ist mehr als unterhaltsam. Seine Kabarettvergangenheit kommt durch, wenn er kurz vor den Wahlen in den Staaten empfiehlt, statt Bush die Mickymaus zu wählen. Riesenbeifall bekommt er allerdings eher für Songs wie „Monkee on a rainy day“ und „Midnight hour“ oder „Ain't no sunshine, when she’s gone“. Da ist er in seinem Element, da lässt er sich mittreiben, vom Rausch der Rhythmen mitziehen.

    Mit einer gemeinsamen Show haben sich zwei Interpreten gefunden, die besser nicht zusammenpassen könnten. Beide scheinen bei ihren Auftritten an den Rand des physikalisch Machbaren zu gehen und performen bis zur scheinbaren Erschöpfung. Der eine ist Sidney Youngblood. „If only I could“ ist einer seiner großen Hits gewesen, mit denen er in den 8oer-Jahren zum Megastar avancierte. Danach blieb er über Jahre mit einem Song nach dem andern in den Charts und wirkt selbst da authentisch, wo er Songs wie „Billy Jean“ covert.

    Die andere ist Natascha Wright, eine in vielerlei Hinsicht faszinierende Frau. Die gebürtige Den Haagerin ist ausgebildete Sängerin. Im Jahr 2000 wurde sie von Frank Farian „entdeckt“ und wurde Frontfrau der Popgruppe La Bouche. Was sie auch jetzt auf dem Weg zu einer großen Solokarriere auszeichnet, sind ihre stimmliche Ausdrucksstärke, der Zauber, der von ihr ausstrahlt, und das Temperament, mit dem sie auch den letzten Zweifler überzeugen kann.

    Für die Freunde der Musiklegende Earth, Wind and Fire hier ein Tipp: Elements of the Universe nennt sich eine Band, die imstande ist, die Songs dieser Formation zu reinkarnieren und vor dem Vergessen zu bewahren. 12 handverlesene Profimusiker und Tänzerinnen aus dem Rhein-Main-Gebiet erwecken die Klänge der amerikanischen Superband wieder zum Leben – in einer brillanten Show mit musikalischer Perfektion.

    Aufsehen erregend auch die Show von Hullabaloo. Da paaren sich tanzbarer Old-Time-Swing mit Charleston-angehauchtem Beat im Hochtempo, Closed-harmony-Gesang, Beatles-Interpretationen und Turnübungen auf dem Kontrabass. Und da kann auch schon mal ein rockiger Dschungelbuchsong ins „Hawa nagila“ münden. „Can’t buy me love“ und „And I saw her standing there“ treffen auf Little Richards „Lucille“ – und gehen direkt in die Beine der Zuhörer. Das ist Stimmungsmusik im besten Sinne des Wortes. Und damit wird sich Hullabaloo mit Sicherheit auf dem Markt durchsetzen.

    Dieselbe Leidenschaft und ein Übermaß an Spielfreude genießen die Zuhörer auch bei den Protagonisten des Jazz aus New Orleans, der niederländischen N’Awlins Brassband. Zwar geht es etwas gesetzter zu als bei den rockenden Engländern. Dafür aber lässt es diese Brassband so richtig krachen – mit Trommeln, Trompeten, Posaunen und der unentbehrlichen Tuba. Handgemachte, originäre Klänge aus der Geburtsstätte des Jazz.

    Der gebürtige Schweizer Charly Antolini zeigt in seinen Konzerten immer wieder, dass er die europäische Drummerszene absolut beherrscht. Er gehört weltweit zu den gefragten Schlagzeugvirtuosen, hat mit wohl allen Jazzgrößen zusammengearbeitet und ist unter anderem mit Benny Goodman getourt. Mit seinem jetzigen Quartett ist er in der Lage, den Swing kreativ zum swingen zu bringen. In minutenlangen Soli demonstriert er atemberaubenden, ausgeschlafenen und wachrüttelnden Jazz. Und selbst in der soften Ecke des Genres trieft mit ihm der Blues des „Georgia on my mind“. Dieser Mann ist Weltklasse!

    Am Anfang habe ich über die jungen, die Newcomer geschrieben. Abschließen möchte ich mit der Hommage an einen Mann, der mittlerweile 75 Jahre alt und in der Jazzwelt eine der tragenden Säulen ist. Er steht im „Who’s who“ des Genres. Lionel Hampton hat er seinen Beinamen „Mighty Flea“ (mächtiger Floh) zu verdanken. Gene „ Mighty Flea“ Conners ist über jeden Zweifel erhaben. Er ist ein virtuoser „Trombone-King“, ein Ausnahme-Posaunist. Souverän lässt er Standards wie „Take the A-Train“ erklingen und fasziniert als Sänger beim Jive „Just a gigolo“ oder „Wonderful world“, der Ode an Satchmo. Das hinterlässt bleibende Eindrücke, Eindrücke, die ich bis zu einem Wiedersehen mit ihm wach halten werde.

    Bis demnäx

    euer Bernhard Wibben

    2004-12-15 | Nr. 45 | Weitere Artikel von: Bernhard Wibben





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