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  • Themen-Fokus :: Clown | Mime

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    Clown-Doktor "Prof. Dr. Osterhase"

    Der Clown-Doktor auf Viste. Da kommt Stimmung auf in der Krankenstation. Nicht nur bei den kleinen Patienten, die er besucht, sondern auch bei den Erwachsenen, den Pflegern, den Ärzten und natürlich ganz wichtig den Eltern und Angehörigen. Mittlerweile sind Therapien mit Clowndoktoren mehr als nur eine spassige Abwechslung. Sie fördern die Motivation aller Beteiligten, gerade bei schweren Krankheiten oder Unfällen, wieder neuen Lebensmut zu schöpfen, sich nicht abzukapseln, sondern sich wieder zu öffnen für die schönen Dinge des Lebens und steigern dadurch ganz wesentlich das Wohlbefinden und den Weg zurück auf einen zufriedenen Lebensweg. Klaus-Peter Wick, Clown, Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagoge mit Ausbildungsschwerpunkt "Pädagogische Aktionen" praktiziert seit vielen Jahren an den Kinderkliniken Karlsruhe, Baden, Pforzheim und Esslingen, ist Theaterleiter bei der Lebenshilfe Gaggenau/Rastatt und Dozent an der Landesakedemie für Schulkunst und Amateurtheater, Bad Rotenfels. Er berichtet, wie er bei seinen Visiten den Draht zu den Kindern herstellt und erzählt über seine Erfahrungen als Clown-Doktor. Wer sich bei Klaus-Peter Wick über Fach-Ausbildungen zum Clowndoktor informieren möchte, kann ihn unter Tel.: 07222-49854 erreichen. Danke an dieser Stelle an den Kiga-Fachverlag, Elversberger Str.40a, 66386 St. Ingbert, Tel.: 06894-3101-581, Fax: 06894-3101-403 für die Übernahme des Artikels aus der pädagogischen Fachzeitschrift: "Entdeckungskiste" Ausg. Sept./Okt. 2001 zum Thema "Zirkus".

     

    "Welche Art des Humors kommt beiden kleinen Patienten an?"

    Ich lasse mich oft von den Kindern mit meinen Instrumenten untersuchen und verarzten, Arme, Füße und Kopf verbinden. Die Rollen sind in diesem Moment getauscht. Es bereitet den kleinen Patienten großen Spaß auch mal den Clown-Doktor zu spielen. Ich male ihnen eine kleinen roten Punkt auf die Nase, setze ihnen einen Hut auf und los geht das Spiel. Mit einem großen Gummihammer werden erst mal meine Reflexe getestet, mit einem Maßband das Fieber gemessen und zulest kommt der Hörtest mit einer kleinen Tröte. In diesem Rollenspiel dominieren die Kinder, sind stärker als Ärzte und Schwestern – sie fühlen sich wohl.

    Ich gehe von Zimmer zu Zimmer – von Bett zu Bett und mache dort direkt bei den Patienten meine Späße auf einer sehr persönlichen, intimen Bühne zwischen Kind, Eltern und Clown. Man muss sich gut auf die Krankenhaussituation vorbereiten. Es gibt kein Rezept ein Lachen zu erzeugen. Es gibt sicherlich Clownregeln oder Regeln der Komik, die einem helfen können, doch jeder Patient ist individuell und reagiert auf eine bestimmte Art von Humor. Diese herauszufinden ist die Arbeit des Clowns. Da ich allein arbeite, habe ich keinen Pendant, der mir Streiche spielt oder den ich anspielen kann. Meine Partner sind Stofftiere, die Eltern oder eine imaginäre Personen. Da wird der Bademantel an der Tür zum Spielpartner, die Hausschuhe vor den Bett zum Handy und aus dem Ohr wird ein Gummibärchen gezogen.

    Als Clown kann man in einem Krankenzimmer nicht wie im Zirkus agieren und über Eimer, Stühle, Leitern fallen. Da muss man behutsam und sorgfältig vorgehen. Man hat die unterschiedlichsten Patienten mit unterschiedlichen Krankheiten in einem Zimmer liegen. Da ein Mädchen mit gebrochen Fuß und auf der anderen Seite eines mit frisch operierten Blinddarm oder es schläft ein Kind noch im Zimmer. In so einem Fall spiele ich mit meiner übergroßen Clownpuppe den leisen, sanften Clown. Sehr oft arbeite ich mit der Sprache – alles falsch verstehen, alles verwechseln, nichts zu kapieren-, mit Mimik, Phantasiesprache, Grimassen und Clowngefühlen. Ich muss vor allem sehr aufmerksam sein, immer bereit, auf alles im Zimmer reagieren. Das wichtigste bei der Arbeit des Clown-Doktors ist Wahrnehmung, Sensibilität, Spontaneität, Einfühlungsvermögen. Er muss in der ersten Sekunde des Eintretens ins Zimmer mit einem Blick die Situation erfassen und entscheiden wie er vorgehen kann.

    Zum Ende des Besuches in einem Krankenzimmers bekommt jedes Kind von mir noch einen nach Wunsch modellierten Luftballon. Ich habe auch schon erlebt, dass die Kinder Stühle vor die Tür geschoben hatten, damit ich nicht aus ihrem Zimmer komme- das ist schön und tut mir gut.

     

    Meine schönsten Erlebnis

    Ich kam in ein Krankenzimmer. Mutter und Tochtor saßen wie versteinert auf dem Bettrand und starten mich an. „Oh Gott" dachte ich mir, „da geht ja gar nichts- die Beiden sind ja total zu. Was kann ich machen? Das Kind 12 Jahre, da ist ja alles uncool".

    Irgendwie automatisch fasse ich in meine rechte Jackentasche und fühle meine Seifenblasenflasche – „Seifenblasen hier? Okay". Ich puste also ein paar Seifenblasen in die Luft - versuche diese mit der Zunge aufzufangen und sie als Spaghetti zu essen. Nach meinem dritten Versuch Seifenblasen-Spaghetti zu essen, fängt das Kind laut zu lachen an und kriegt sich gar nicht mehr ein. Die Mutter umarmt mich und fängt an zu weinen und sagt immer wieder: „Das gibt es nicht, das gibt es nicht". Ich biete dem Mädchen meine Clownsspaghetti an und wir beide essen solange Clownsseifenblasenspaghetti bis unsere Bäuche voll sind. Ich bleibe dann noch eine halbe Stunde im Zimmer und die Mutter erzählt mir, dass ihre Tochter seit 11 Tagen mit Niemandem ein Wort sprach und auf nichts reagiert hat. Sie bedankt sich noch ein paar mal dass ihre Tochter wieder lachen kann. Mit feuchten Augen und überglücklich gehe ich aus dem Zimmer und weiss warum ich diese Arbeit liebe und bedanke mich, dass ICH so was erleben darf.

    So etwas ähnliches ist mir mal mit einem vierjährigen Jungen passiert. Dieser Junge hatte niemanden, weder Schwestern noch Ärzte an sich herangelassen. Als ich in das Zimmer kam, rief die Mutter: „oh, Sie haben ja ein weißen Kittel -gehen sie bloß wieder". Ich blickte in die Augen des Jungen und dachte mir, ich glaube nicht dass der Junge das auch will. Ich ging ganz schüchtern Zentimeter für Zentimeter weiter ins Zimmer und beschäftigte mich nur mit meinen Fingern und beachtete ihn nicht. Ich pustete ein paar Seifenblasen und ließ sie auf meinen Fingern tanzen. Dann untersuchte ich im freien Bett neben ihm einen imaginären Patienten. Nach einiger Zeit rief der Junge: „Hey Clown, da ist doch gar niemand im Bett". „Bist du dir da so sicher?" fragte ich zurück. „Klar, oder sieht du jemanden" „Hm, nun ja..." Wir führten dann einen ziemlich langen Dialog, wobei er meinen Clown-Doktor Koffer sehr intensiv untersuchte und meinte, ich müsste jetzt den ganzen Tag bei ihm bleiben. Die Mutter war mehr als erstaunt - damit hätte sie nie gerechnet. In der nächsten Woche kam ich um 14.30 Uhr wieder auf die Station. Der Junge wartete extra auf mich, obwohl er schon um 10.00 Uhr hätte nach Hause gehen dürfen.

    Das sind diese Erlebnisse die beflügeln, die Arbeit warmherzig machen und ihr den Sinn geben. Ich bekomme oft mehr, als ich gebe!

     

    Verhältnis Ärzte - Clown-Doktor

    Ich arbeite an vier verschieden Krankenhäusern in vier verschiedenen Städten. Da ergeben sich die unterschiedlichsten Begegnungen mit Ärzten. Es kam schon vor, dass der Stationsarzt dem Clown-Doktor den Koffer versteckte und der Clown dann die ganz Station absuchen musste, während die ganze Belegschaft auf dem Gang zuschaute und sich herzlich amüsierte. Oder es kam ein Arzt ins Zimmer „Oh, da ist ja Herr Prof. Dr. Osterhase, da darf ich jetzt nicht stören- ich komme nachher wieder". Und ich sagte dann: „Ach Herr Kollege, dieser Junge hier hat mir meinen Schuh gequetscht" worauf der nette Arzt mich vor den Kindern untersuchte und meinen Clownschuh mit einer elastischen Binde versorgte.

    Es ist toll, wenn die Ärzte mitmachen, in das Spiel mit einsteigen und sich ein Stückweit mit der Person des Clown-Doktors beschäftigen. Ihm die Anerkennung geben die man braucht, um als akzeptierter Partner vor den Kindern spielen zu können. Wie z.B. ein Erlebnis auf dem Flur. Der Oberarzt ruft:: „Hallo Clown, schön dich zu sehen. Jetzt schenke ich dir mal was". Er kramte in seiner Tasche, zieht ein Holzspeitel heraus und malte darauf ein Lächeln. Das sind Momente indem man sich auch persönlich bestätigt und anerkannt fühlt.

    Meine wichtigsten Partner sind die Schwestern und Erzieherinnen der jeweiligen Stationen. Sie unterrichten mich darüber in welche Zimmer ich gehen kann, welches Kinder den Clown dringend braucht und sie teilen mir die Besonderheiten mit. Trotz des großen Stresses den das Pflegepersonal hat, sind die Schwestern immer offen für Späßchen. Sie integrieren sich in das Spiel und unterstützen oft die einzelnen Aktionen des Clowns.


    Entstehungsgeschichte des Clown-Doktors

    Ich möchte noch kurz auf die Entstehung des Clowns im Krankenhaus eingehen.

    Er ist in den siebziger Jahren in Amerika durch Patch Adams entstanden. Patch Adams, selbst ein Arzt, glaubte daran, dass man durch positives Fühlen und Denken eine Krankheit bekämpfen kann. Durch seine unkonventionellen Methoden und verrückten Überraschungen – vorwiegend als Clown zu praktizieren - erleichterte er Situationen und trieb die Heilung voran. In Amerika hat diese Methode –aufgrund ihrer Erfolge – schnell Anhänger gefunden und professionelle Clowns wurden mit dem Ziel engagiert, die Patienten positiv zu stimmen und zum Lachen zu bringen.

    Die Arbeit von Patch Adams wurde zwischenzeitlich - mit Robin Williams in der Hauptrolle- verfilmt. Die aus dem Film „Patch Adams" kommenden Tantiemen, verwendet der heute sechsundfünfzigjährige, ausschließlich zur finanziellen Unterstützung seines, für Patienten kostenlosen, 40-Betten-Hospitals mit dem Namen „Gesundheits-Institut" in West Virginia.

    „Lachen ist die beste Medizin" – dieser Ansicht war auch der amerikanische Clown Michael Christensen, als er 1986 in New York die „Clown Care Unit" gründete. Die Clownin Laura Fernandez arbeitete mit ihm zusammen und brachte 1993 den Clown-Doktor dann nach Deutschland. Ob nun der Arzt zum Clown oder der Clown zum Arzt wird ist egal- beide haben nur ein Ziel, die Patienten zum Lachen zu bringen!


    Forschung zum Thema Humor

    Die noch junge Wissenschaft der Gelotologie – nach dem griechischen Wort „gelos" für Gelächter – fanden die verschiedensten Auswirkungen des Lachens. So z.B: werden beim Lachen körpereigene Hormone Adrenalin ausgeschüttet und somit Entzündungen gehemmt, außerdem das Immunsystem gestärkt, Schmerzen gelindert, das Herz trainiert und das Gedächtnis verbessert. Andere Untersuchungen belegen, dass Lachen ein höchst wirksames Mittel für den Abbau von Stress im allgemeinen, Herzbeschwerden, Kopfschmerzen und chronischer Angst im besonderen ist. Aber auch nur das leichte Lächeln wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Die Veränderung der Gesichtsmuskulatur beim Lächeln habe Auswirkungen auf die Blutzufuhr im Gehirn. Diese sogenannte „Sauerstoffdusche" beim lachenden und lächelnden Menschen führt zu einem positiven emotionalen Zustand. Doch viele dieser Hypothesen lassen sich wissenschaftlich noch nicht belegen.

    Seit der Antike gibt es aus allen Kulturen Berichte, die zeigen, dass Spaßmacher und Clowns auch als Heiler vertreten waren. Nicht ohne Grund sagt der Volksmund „Lachen ist die beste Medizin". Und auch Sigmund Freud erkannte „Das Lachen ist eine absolute Voraussetzung für Lebensfähigkeit. Wer nicht mehr lachen kann, kann auch nicht mehr weiterleben".


    Finanzierungen der Clown-Doktoren

    Die Arbeiten der Clown-Doktoren ist in den meisten Kliniken finanziell nur möglich durch Spendengelder, die von Ehrenamtlichen Personen oder Fördervereinen aufgetrieben werden. Ohne deren engagierten Einsatz könnten Clown-Doktorenprojekte nicht realisiert werden.


    Visionen, Ideen und Wünsche für die Zukunft

    Es wäre schön, wenn sich die Clown-Doktoren weiter so verbreiten würden, dass jedes Krankenhaus einen Clown-Doktor für Kinder, Erwachsene und Senioren hat. Des weiteren wäre es wichtig, wenn es ihn permanent also auch auf Abruf geben könnte, z.B für Schwierigkeiten bei Kindern die bei oder während der Aufnahme verängstigt sind. Hier könnte der Clown mache Situation entschärfen. Oder bei langen Wartezeiten, die für Kinder sehr stressig sind, könnte der Clown Abwechslung verschaffen.

     

    Eines noch zum Schluss: Es ist wunderbar, aus einem Krankenzimmer zu gehen und beim Zurückschauen ein lächelndes Kindergesicht zu sehen.

     

     
    2002-06-15 | Nr. 35 |





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