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    Comedy Goes Family

    Wenn’s in der globalen Wirtschaft kracht und auch sonst reihum die Krisenherde dieser Erde immer höher zu rauchen scheinen, neigt der Mensch wie in Gegenwehr zur Konzentration aufs Wesentliche – ergo auf Archaisch-Persönliches. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls bei Betrachtung der vielen Familienthemen in der kulturellen Landschaft. So auch im Comedy-Bereich: Hatte der Kölner Brite Mark Britton bereits 2008 seinen „Feierabend für Eltern“ in den Fliegenden Bauten uraufgeführt, so zeigte das ebenfalls zu Thomas Colliens Reich gehörende St.-Pauli-Theater in diesem Sommer gleich zwei umjubelte Deutschlandpremieren zum Thema Vater, Mutter, Kind.

    Enno EngelUnter dem Titel „Voll die Mutter! Traumfrau zwei“ widmete sich Regisseur Ingolf Lück den Problemen um „Pickel, Pumps und Pubertät“. Dessen Vorgänger, die kanadische Lifestyle-Komödie „Traumfrau Mutter“, war seit 2003 mehr als 350 Mal vor 35.000 Zuschauern zwischen Basel und Berlin gelaufen. Jetzt sind die damaligen Babys Teenager – und die einstigen Karrierefrauen und Mütter Deborah, Barbara, Alison, Robin und Jill (zugleich die Autorinnen des Werks) kurz vor der Menopause. Erneut setzen alle Beteiligten voll auf den Wiedererkennungseffekt. Und dabei bringen die fünf Darstellerinnen – in poppig buntem Jugendzimmer-Ambiente – ganzen Herz- und Körpereinsatz. Ob missratener Familienausflug oder unaufgeräumte Bude, erste Kondome oder erster BH, eigener Ehefrust oder Brustkrebsdiagnose: Mittels kleiner Solo- und Gruppenszenen, Gesang und Hängebrust-Pas-de-deux, Kriegsmetaphorik und ein paar gefühlvoller Einlagen vermitteln Suse Mann, Kathleen Gallego Zapata, Cay Helmich, Maria Schuster und Katharina Hoffmann Höhen und Tiefen chaotisch-bürgerlichen Familienalltags mit Jugendlichen. Das alles ist nicht gerade intellektuell, trifft aber spürbar den Seelennerv der Besucher. Wie sagte eine Zuschauerin? „Unglaublich, wie viel Frauenrolle da drin steckt.“

    Eben noch Steinzeit-Macho, der die Frau mit erlegtem Wildtier beeindrucken will, nun schon werdender Vater beim Geburtsvorbereitungskurs: Der Hamburger Top-Comedian Kristian Bader (früher Bader-Ehnert-Kommando), der als „Caveman“ seit neun Jahren regelmäßig im Schmidt-Theater für volles Haus sorgt, feierte – wieder unter Regisseurin Esther Schweins – auch in „Hi Dad!“ einen Publikumserfolg. Das Stück des Isländers Bjarni Thorsson war zunächst in Reykjavik gelaufen und dann zum Exportschlager geraten. Wie Schweins im Vorfeld betont hatte, wurde „Hi Dad!“ in Hamburg allerdings noch ordentlich „umgebadert“, um es deutschen Verhältnissen anzupassen.

    Dabei bewältigt der Solist die reinste Tour de Force: Vom modernen, freundlich-naiven Jung-Ehemann, der sich noch nicht „soweit“ fühlt, über den stolzen Alles-Richtig-Macher zwischen Kreissaal und Windelwechsel bis zum ewig Übermüdeten, der nicht mehr weiß, wann er je ein Buch zu Ende gelesen hat, präsentiert Bader das volle Programm. Doch auch vor den Parts der Frau, der Hebamme, des Arztes, des Spermas und nicht zuletzt – nackt und mit Windelpo – des Babys macht er nicht halt.

    Auch an diesem – mit zweieinhalb Stunden etwas langen – Abend steht die Identifikation der Theaterbesucher, darunter viele junge Paare, mit dem Geschehen im Vordergrund: Man reagiert denn auch begeistert mit lauten Kommentaren, Gelächter und Applaus, lässt sich vom Akteur gern direkt ins Bühnengeschehen einbeziehen. Mal herrlich albern, mal geradezu pathetisch, mal virtuos und mal leider auch platt, aber immer mit Leib und Seele spielt Bader, der selbst längst Vater einer Tochter ist. Er scheint es sich zum persönlichen Anliegen zu machen, das Thema unter die Leute zu bringen. Da dürfte sogar Frau von der Leyen applaudieren.

    Strahlende Sonne, Fanfarengeschmetter: Stolz, wie Spanier eben sind, tragen die beiden Männer und zwei Frauen von Los 2Play in samtroten Kostümen ein Banner auf die ebenerdige Theaterbühne der Fleetinsel im Herzen der Stadt – um gleich darauf die Stange virtuos als Reck zu benutzen. Es folgt eine schwung- und kraftvolle Darbietung klassischer Zirkusakrobatik, kombiniert mit Slapstick und präsentiert voller Charme. Der Funke zündet schnell – knapp 300 Zuschauer beklatschen die Deutschlandpremiere der attraktiven Artisten von der iberischen Halbinsel. „Die internationale Note beim Duckstein-Festival war uns von Anfang an wichtig“, sagt Niels Janneck von der bwp Festival & Event GmbH, die das auf Hochwertigkeit angelegte Straßenfest seit 1998 betreut. Längst sei die Agentur in der Szene weltweit genug vernetzt, um alte Bekannte, aber auch immer wieder Neues bieten zu können. Da darf man dann wohl von einer Oase im ansonsten fast straßentheaterfreien Hamburg sprechen.

    Neben Köchen und Schankwirten aus vieler Herren Länder sowie ausgewählten Designern gastierten 15 Bands auf der Musikbühne am Fleet und 13 Gruppen beziehungsweise Akteure auf dem kleinen Theaterrund. Anmoderiert vom bewährten Mick M. waren das unter anderem die Luftakrobatinnen Meike Silja & Annika Titze, „Supertalent“ Christoph Haese, Los Chatos aus Chile mit Comedy-Jonglage und das Theatre Rue Pietonne aus Frankreich – aber auch die Hamburger Comedians Detlef Wutschik und Matthias Brodowy mit ihrer puppigen „Bert Engel Show“. Bis zu 150.000 Besucher amüsierten sich laut Janneck an zehn Tagen bei der zwölften Ausgabe des Festivals, das Ableger in Lübeck, Kiel und Binz auf Rügen hat. „Das Qualitätskonzept funktioniert nach wie vor – und die Portemonnaies der entsprechenden Kundschaft ließen sich auch nicht schwerer öffnen als sonst“, so der Projektleiter. Statt der Wirtschaftskrise habe höchstens mal Regenwetter für flauere Stunden gesorgt – auf der Fleetinsel blicke man daher unbekümmert in die Zukunft.

    Redaktion: Ulrike Cordes 

    AdNr:1024


    2009-09-15 | Nr. 64 | Weitere Artikel von: Ulrike Cordes





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