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    Das gute alte Kabarett

    wird am längsten von Hanns Dieter Hüsch vertreten. Wir sehen uns wieder (Intercord 724352581320; 2 CDs, 29 Tracks, live, mit Booklet) verspricht er uns nach langer schwerer Krankheit, wiewohl es das letzte Bühnenprogramm des alten, vielseitigen Meisters der großen Kleinkunst sein soll. Ein Streifzug durch Niederrheinisches, Alltägliches, Philosophisches, Schrulliges und Göttliches, eben jene eigene Mischung hü(b)scher Art, die so seicht wie nachdenklich, so vergnüglich  wie anspruchsvoll und so intelligent wie naiv ist. Wenn er im Saarländischen Rundfunk sechsmal pro Jahr (seit 1973) Gäste zum Gesellschaftsabend (Conträr Musik 18, ISBN 3-932219-30-9; 2 CDs, 30 Tracks, live, Booklet mit Infos) lud, war er Gastgeber, Moderator und Künstler zugleich. Ob Lore Lorentz, Walter Hedemann, Dieter Hildebrandt, Franz Hohler, Elke Heidenreich oder Lars Reichow, sie und viele andere kamen zu Hüsch, spielten und gewannen ein Publikum. Die beiden CDs präsentieren eine (kleine) Auswahl aus Beiträgen dieser beliebten Rundfunksendung .

    Um einiges jünger und nicht ganz so lange im Geschäft wie HDH, aber immerhin auch 40 Jahre auf der Bühne, ist einer der politisch kritischsten Kabarettisten: Dietrich Kittner. Er wird von den Medien konsequent boykottiert, da er Kabarett und politische Aktion wie kein zweiter vereint. Sein Programm Hai-Soceity (Conträr Musik 14, ISBN 3-932219-28-7; 2 CDs, 12 Tracks, live, Booklet mit Infos) von 1988 zeigt die Breite seines Könnens und ist ein satirischer Streifzug durch die Kohlära. Parallelen zu heute sind nicht zufällig, sondern systematisch.

    Die vier Nachrichter (Bear Family Records, CD KK 005AH, ISBN 3-89795-714-0; 20 Tracks, Booklet mit Infos) spielten ihre Programme von 1932 bis zum Verbot 1935. Dieses talentierte Münchener Quartett hatte mit literarisch-musikalischem Kabarett, voller feiner Anspielungen, großem Humor und einer humanistischen Grundhaltung bei den Nazis natürlich keine lange Schonzeit, wiewohl sie relativ unpolitisch waren. Desto hörenswerter sind sie noch heute. Übrigens ein gewisser Helmut Käutner war bei ihnen Ensemblemitglied.

    Der Herr Professor Matthias Koeppel malt nicht nur, er dichtet auch ganz ausgezeichnet und zwar in Starkdeutsch (Bear Family Records, BCD 16048 AH; 55 Tracks, live, Booklet mit Infos). Sie wissen nicht was starkdeutsch ist? Das sollten sie aber unbedingt, denn es ist ein köstliches Vergnügen. Stimmlose Vokale und unscharfe Konsonanten werden ausgemerzt, das Empfinden bestimmt direkt den Ausdruck. Was dabei rauskommt ist von einiger Sprachkomik. Lautspielerisch treibt "dr Landtenschauftz-Muhlör" (= der Landschaftsmaler) seine satirischen Viecher durchs Dorf.

    Ensemblekabaretts sind heutzutage ja nicht mehr so Blickpunkt, auch wenn sie, wie das Kom(m)ödchen, einen großen Namen haben. Dabei lohnt es sich genauer hinzuschauen, die Programme sind oft gehaltvoller als die einiger TV-Stars. So auch bei den zwei Programmen dieser Düsseldorfer Gruppe, die auf der CD Amok in Erkrath (Con anima CA 26525/ Eichborn ISBN 3-931265-25-0; 33 Tracks, live, Booklet) zusammengefaßt sind. Die Geiselnahme des gesamten Kabarettpublikums, um den Bundeskanzler zu sprechen, oder die Sylvesterweltuntergangsgefahr in Erkrath 1999/2000, bieten originelle Möglichkeiten Situation und Stimmung im Lande aufzuspießen.

    Nachdem Michael Mittermeier die Fernbedienung beiseite gelegt hat und nicht mehr zapped, ist er back to life (Zampano/BMG 74321754112, 34 Tracks, live, Booklet). Er ist recht gut angekommen im Leben, sicherlich nicht leicht für ihn, nach dem überragenden Erfolg seines TV-Programms. Mit Tempo und Witz jagt er durch Fußgängerzonen und Aufzüge, schwadroniert über Sex, Tod, Arschlochkinder, Zeugen Jehovas, Aliens, Friedhöfe und Marsflüge. Offensiv aber nicht aggressiv geht's auch über die Mißverständnisse zwischen M und W, ein ewiges Thema.

    Mit diesem Thema beschäftigt sich auch Horst Schroth, ebenso gekonnt ausgiebig wie boshaft kenntnisreich, auf dem zweiten (Aufguß, nein Update) seines Herrenabend 2000 (WortArt 78070; 37 Tracks, live). Als Bonner Schönheitschirurg Dr. Moritz Schneider, von Lou gerade verlassen, erzählt er seine Weisheiten über die Ehe und das Leben. Eine brilliante Quatscherei mit vielen Wahrheiten und Gemeinheiten.

    Wer das Thema Sex (WortArt 78058; 2 CDs, 28 Tracks, Booklet) noch ausführlicher behandelt hören möchte, dem seien hier die kabarettistischen Anzüglichkeiten empfohlen, zu denen u.a. Jürgen von Manger, die Missfits, die Herren Wischmeyer, Quast, Schroth, Reichow, Nuhr und die Damen Schiffer/Beckmann und Gabi Decker ein Scherflein beigesteuert haben. So zahlreich, so unterschiedlich!

    Die Hurengeschichten (Patmos  3-491-91042-0; 7 Tracks, Booklet), die Katharina Thalbach vorträgt sind hohe Literatur, von Bibel bis Zille, von Domenica bis zur Mutzenbacher. Bewährt, gut, geil!

    Wenn Hans-Günther Butzko die Butzunion (Con anima CA 26535/ Eichborn ISBN 3-931265-23-4; 26 Tracks, live, Booklet) präsentiert, dann geht's etwas politischer zu. Zwischen Alltagsbeobachtung und politisch aktuellem Kabarett macht dieser Alt-78er seine Sache ausgesprochen gut. Es gibt also doch noch junge Kabarettisten, die Bedenkenswertes und Komik zusammenbekommen!

    Tja, da lach man bei Käthe Lachmann, wenn sie Moussaka im Wigwam (WortArt 78072; 12 Tracks +  Video-Bonus, live, Booklet mit Infos) anrichtet. Die junge Dame schneidet Grimassen, wechselt die Rollen, kalauert, parodiert, singt, alles mit und ohne Dialekt. Dies soll angeblich die Plattitüden von Medien und Leben veralbern, doch zu dick aufgetragen das eine, zu schwach das andere, so ist das Programm am Ende selber platt.

    Gute alte und neue Lieder singen die Missfits, die ja nicht nur hervorragendes Kabarett machen, sondern auch gut singen. Die Sammlung (Roof RD 993368; 21 Tracks, Booklet mit Texten) aller Lieder von 1990 bis 2000 gibt's jetzt auf CD. Hörenswert!

    An die Zeit, Als der Zirkus in Flammen stand (kip records 6014; 17 Tracks, Booklet), erinnern sich gerne Georg Kreisler und Partnerin Barbara Peters. Aktualisierte und neu arrangierte Lieder von einzigartiger Frische und Zeitlosigkeit. Schwarzer Humor, der oft nachgesungen oder kopiert wurde, ist hier im Original zu hören. Keiner macht es besser!

    Ich, Irmgard Knef (con anima CA 26527/ Eichborn ISBN 3-931265-27-7; 25 Tracks, live, Booklet) heißt die unbekannte Lebensbeichte der unbekannten Zwillingsschwester von Hildegard, die Ulrich Michael Heissig erdacht hat, erzählt, singt und spielt. Dieses Programm wurde auf Anhieb ein durchschlagender Erfolg, zu recht. Es ist eine seltene und gelungene Mischung aus Parodie und Travestie, die das Publikum begeistert. Hildes Lieder, wie Hilde gesungen, mit Hildes Outfit doch mit Irmgards Texten. Eine liebevolle ironische Hommage an eine Ikone.

    Caterina Valente, ebenfalls ein Star früherer Jahre, ist nicht der erste Name, der einem einfällt, wenn man an Kurt Weill denkt. Doch für die Kurt Weill – American Songs (Bear Family Records BCD 16044 AH, ISBN 3-89795-708-6; 10 Tracks, live, Booklet mit Infos) ist sie (mit der WDR Big Band) eine ideale Besetzung. Weill hatte nach seiner Emigration in die USA eine völlig neue Periode seines Schaffens begonnen. Die ist  hierzulande weitgehend unbekannt, sowie dort die Kompositionen seiner deutschen/europäischen Zeit. Sollte man sich anhören!

    Ebenfalls eine durch die Nazis erzwungene Emigrationskarriere machte Werner Richard Heymann. Wer das ist? Seine Lieder zu vielen Filmen kennt jeder, den Namen des Komponisten kennen aber nur wenige. Das gab's nur einmal... (Duophon 01923; 22 Tracks, live, Booklet mit Infos) heißt der Titel einer Heymann-Revue, die Volker Kühn produziert hat. "Ein Freund, ein guter Freund", "Das ist die Liebe der Matrosen" oder "Hoppla jetzt komm ich" seien als Beispiele der Ohrwürmer genannt, die hier von zwei Damen ( K.Lange, C.Gawlich) und zwei Herren (C.Jung, M.Günther) gesungen werden.

    Das muß ein Stück vom Himmel sein (Duophon 01893; 19 Tracks, Booklet mit Infos) betitelt Scarlett O' (Ex-Wacholder/Gast: Steffen Mensching) ihr Heymann-Programm. Mit ihrer klaren, festen Stimme kann sie zarte eindrucksvolle Eigeninterpretationen bekannter Lieder zaubern. Eine ganz wunderbare Scheibe!

    Die beiden jungen norddeutschen Freundinnen... (Roof Musik, RD 203399; ISBN 3-933686-48-2, 20 Tracks, live, Booklet) von queen bee , Edda Schnittgard (Klavier) und Ina Müller, sind auch auf ihrer zweiten CD ein Hörerlebnis. Sie haben ein glückliches Händchen bei ihren Texten (z.B. von Pigor, Ulla Meinicke, Maurenbrecher und eigene), können singen und ihre Moderationen sind zudem gelungen.

    Die Popette Betancor setzt sich mit dem Damenbart (Roof Musik, RD 2033100; ISBN 3-933686-49-0, 24 Tracks, live) auseinander. Madame haben einen skurrilen Humor, besitzen die Fähigkeit zu texten, zu singen und zu instrumentieren, so daß trotz der etwas an den Haaren gezogenen bärtigen Zusammenhänge ein Programm von starkem Wuchs entstanden ist.

    Annette Berr ist eine der interessantesten Chansonsängerinnen der Berliner Szene. Mascara ( Smoke CD 0001; 14 Tracks, Booklet mit Texten) heißt ihre neueste CD, mit Liedern über Sehnsucht und Leidenschaft von Frau zu Frau. Doch die Liebe bewegt die Menschen ganz allgemein, und so sind ihre eingängigen Popchansons weit mehr lesbische Szenemusik.

    Herr Nilsson ist ausgezogen (Kook Musik, Tel.: 030-4462339; 14 Tracks, Booklet mit Texten), zum Glück nicht weg aus Berlin. Herr Nilsson bringen Eigenwilliges voller lakonischer Alltagspoesie. Eine ganz außergewöhnliche Band, deren Liedergeschichten eine neue, eigene Nische im Kleinkunstgetümmel begründen.

    Dagegen singen die Berliner Designerin Monella & Benny, ihr musikalischer Partner, auf Lulanalu (Town Musik, Tel.: 030-8831845; 13 Tracks, Booklet mit Texten) eher Harmloses, Süßliches, Niedliches und Liebliches. Frau Caspar und Herr Hiller machen Lieder für die Badewanne mit Kerzen und Rotwein, den Tuntenball oder die Gala der Daimler-Benz-AG.

    So bin ich! (Musik Antik  009, Tel.: 04101-406010; 23 Tracks, Booklet) bekennt Joe Luga auf seiner zweiten CD, anläßlich seines 80sten Geburtstages. Ein bewegtes schwules Leben, eine lebenslange Liebe zum klassischen deutschen Chanson, machen diese Hommage an einen großen Hamburger Kleinkünstler zu einem besonderen Genuß.

    Da wir gerade beim Thema sind: Es ist ja ganz gleich wen wir lieben (Mister Phono, Tel.: 089-69758716;  22 Tracks, Booklet). Die "Lieder vom anderen Ufer" von 1926 – 1942 belegen eine große stilistische Breite, Selbstbewußtsein,  die Selbstverständlichkeit und die Fähigkeiten dieser Szene zu jener Zeit. Ein interessantes Zeugnis schwuler Emanzipation.


    Kurz und bündig

    Reinhard Mey : Einhandsegler (EMI 724352631421; 14 Tracks, Booklet mit Texten)  Ernster, reifer, kritischer ist das 21.  Album dieses beständigen Liedermachers, der hier sogar rappt.

    Ingo Barz: Drum fragt mich jemand wie es war... (Schnitterhof, Tel.: 039972-50173 , ISBN 3-931964-05-1; 19 Tracks, Booklet mit Texten)  Anhand verschiedener Figuren und Berufe, musikalisch individuell umgesetzt, unternimmt er eine unterhaltsame, interessante Liederreise durch zehn Jahrhunderte. Der mecklenburgische Liedermacher zeichnet einfühlsam den Lauf der Geschichte nach, ein Flußlauf dient ihm als Metapher für die Zeit. Es werden Strukturen sichtbar, unabhängig von konkreten historischen Ereignissen.

    Wünnespil: Argentea (Verlag der Spielleute; 23 Tracks, Booklet mit Texten) Eine musikalische Fahrt durch das europäische Mittelalter bis zur Renaissance.

    PROFOLK: Pearls for a new century (Heideck records HD 994; 18 Tracks, englisches Booklet mit Infos) Eine Übersicht über die verschiedenartige Folkszene in Deutschland, u.a. mit W.Lämmerhirt, Karsten Troyke und dem Bairisch Diatonischen Jodel-Wahnsinn.

    Julius Schnittenhelm: Quarks bis Ethik (Schneeball 0066; 19 Tracks, Booklet mit Texten) Philosophische Betrachtungen über Naturwissenschaft, Gott und die Welt, mit Humor und Musik.

    Sprachlabor Rheinland (WortArt 78066; 14 Tracks) Sampler mit rheinischem Frohsinn von Hüsch bis Beikircher, von Küster bis Nuhr und Schmidt bis Becker.

    Kalle Pohl: Hein Spack (Sony 590002-2; 29 Tracks, live) Der Herr aus 7Tage-7Köpfe mit Gags und Liedern, platt, laut, kölnisch.

    Mundstuhl: deluxe (Columbia/Sony 4975312; 52 Tracks, Booklet) Das hessische Komikerduo, wieder derb, deftig und temporeich.

    Rainer Conrad: Nachtgesänge & Halbschattenverse (kip records 6013; 14 Tracks, Booklet mit Texten) Poetische, private  Geschichten, vielseitig musikalisch umgesetzt.

    Ballhaus nuevo: Schade, schade (kip records 6016; 15 Tracks, Booklet mit Texten) Eine munteres Quintett um Adrian Ils, der auch für die meisten der flotten Texte und vielseitigen Melodien verantwortlich zeichnet.

    Boris Steinberg:Zeitfalle (Duophon 01903; 13 Tracks, Booklet mit Texten)  Melancholische Chansons,  dieses Berliner Texters und Sängers, der sich mit den Jahren deutlich entwickelt hat.

    Olga Lomenko/Dimitri Sacharow: Dem Leben entgegen (Tel.: 0341-3918654; 12 Tracks)  Die Ukrainerin, wohnhaft in Leipzig, bringt mit ihrem Pianisten eigene Lieder, bzw. eigene Versionen Lieder anderer Künstler wie Elvis und Max Raabe.

    Claire Waldoff 3: Die Berliner Pflanze (Duophon 05113; 23 Tracks, Booklet) Originalaufnahmen, z.T. über 90 Jahre alt, einer typischen, einzigartigen Berliner Künstlerin, die aus dem Ruhrpott kam.

    Marlene Dietrich: Wenn ich mir was wünschen dürfte... (Duophon 05093; 19 Tracks, Booklet) Sämtliche veröffentliche Schallplatten von 1928-1931 bei Electrola und Ultaphon, mit Titeln aus bekannten Filmen und Revuen.

    Eine besondere Empfehlung zum Schluß: Mikis Theodorakis: Mauthausen Triologie (Pläne 88840, 14 Tracks, dreisprachiges Booklet mit Texten) Vier Gedichte über das KZ Mauthausen, die der griechische Dichter I. Kambanellis 1965 verfaßte, wurden von M. Theodorakis vertont und sind auf der CD in hebräisch, griechisch und englisch zu hören. Die griechischen Version sind Live-Aufnahmen, gesungen von Maria Farantouri im Mai 1995 auf einer Feier in Mauthausen. Sie hat diese Lieder als erste gesungen und damit ihre internationale Karriere begonnen. Die Rede Simon Wiesenthals auf der Feier zum 50. Jahrestag der Befreiung des Lagers rundet diese CD ab.

    2000-09-15 | Nr. 28 |





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