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  • Themen-Fokus :: Clown | Mime

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    Der Komiker und die Dinnershow

    Alljährlich im Herbst treffen sich die angesagten Berliner Comedians und Clowns bei Sanjay Sihorah im Kookaburra Comedy Club um sich zu erzählen, welcher Künstler in diesem Winter in welcher Dinnershow gastiert.

    Von Hamburg bis Wien, von Düsseldorf bis Berlin, in vielen deutschsprachigen Städten feiern die Restaurant–Theater und mit ihnen die Artisten und Comedians große Erfolge. In den 90er-Jahren startete in München das Dinner-Spektakel Panem et Circensis, aus dem dann Pomp, Duck and Circumstance hervorging. Das Konzept der Dinnershow boomt, die Spiegelzelte von Palazzo Wohlfahrt, Schuhbeck, Witzigmann sind in immer mehr Städten präsent.

    Der Eintrittspreis ist dem hohen Niveau von Show und Gastronomie angepasst und bewegt sich mitunter in dreistelliger Höhe, wenn es z. B. ein besonderer Platz im „Centro del Arte“, also nahe am Geschehen, sein soll.

    Die Arbeitsbedingungen für die Künstler sind professionell und lassen keine Wünsche offen. Ein gutes Regiekonzept zu entwickeln ist für diese Art von Show eine wirkliche Herausforderung. Es gilt, eine Einheit zu schaffen zwischen einem gastronomischen Betrieb und einem Varieté.

    Die Bühne ist nicht nur in der Mitte, sondern auch überall zwischen den Tischen. Das Regiekonzept sollte unterschiedlichste, bereits bestehende Nummern und Charaktere verbinden. Man braucht eine zündende Geschichte, auf deren Grundlage sich die verschiedensten Beziehungen der Figuren entwickeln können. Oft starten die Shows nach dem Circusprinzip und werden stetig weiterentwickelt.

    Für Komiker bedeutet die Arbeit im Spiegelzelt zweierlei:

    1. Präsenz auf der Bühne – entweder mit eigenen Comedy-Nummern oder in Schauspielszenen mit Kollegen, 2. Animation im Publikum.

    Die Animation in einer Dinnershow ist eine Kunst für sich: Es gilt, das Publikum über einen Zeitraum von vier Stunden zwischen Artistik, Comedy und Vier-Gänge-Menü im persönlichen Kontakt aufzuwärmen, zu erheitern, zu überraschen und zu begeistern. Die Bühne ist rund um den Esstisch. Das sind hohe Anforderungen, die viel Fingerspitzengefühl erfordern, denn bei falscher Dosierung zum falschen Zeitpunkt kann der Gast sich belästigt fühlen.

    Kassandra Knebel, TROTTOIR-Berlin befragte zu diesem Thema Brigitte Scharbau und Sabina Schalla.

    Brigitte Scharbau, spielte Straßen- und Improvisationstheater, spielte in diversen Charakteren auf Festivals und Galas, leitete Theaterkurse. Ihre Figuren: die nordisch herbe Putzfrau Frau Kratzer; Elsa Becker, die leidenschaftliche Rentnerin; Gloria Victoria Matuschek, die Grande Dame mit großem Herzen. Seit 1990 arbeitet sie professionell auf dem Gebiet der Komik.

    Sabina Schalla, arbeitete als Regieassistentin am Jugendtheater in Kiel; Mitbegründerin der Kieler Stadtbekannten; spielte Commedia dell’ Arte und Straßentheater. Ihre Figuren: Erdmuth Knabe, die zugeknöpfte, strenge, alte Dame; Hille Hellen Hellsnedt, die jung-dynamische Kreative mit niederländischem Akzent.

    Seit 1996 arbeitet sie als professionelle Komikerin.

    Beide spielen seit 1997 (teilweise bis zu 10 Monate am Stück) in den Dinnershows von Hans-Peter Wodartz (Pomp, Duck and Circumstance) und von Clemens Zipse (Palazzo) und gründeten 2001 das Duo Die Geliebten.

     

    Kassandra Knebel (TROTTOIR): Was versteht ihr unter Animation?

    Die Geliebten: Animation bedeutet für uns, das Publikum auf charmante Art bestens zu unterhalten, ohne es in eine unangenehme Situation zu bringen.

    Wenn man so nah an den Zuschauern arbeitet, bekommt man deren Energien direkt zu spüren. Dadurch merken wir sofort, wer bereit ist mitzuspielen oder wer einfach zuschauen möchte. Es entsteht eine spontane Szene, in der vorzugsweise über uns gelacht wird.

    TROTTOIR: Was ist denn für euch charmant?

    Die Geliebten: Dass man uns nicht böse sein kann.

    TROTTOIR: Wie muss man sich eure Charaktere vorstellen?

    Die Geliebten: So wie die ältere Grete Weiser, die mit ihrer Freundin, einem weiblichen Theo Lingen, in extrem lebendiger Weise dem Mysterium Männer und Frauen auf den Grund geht, wobei beide ihre nicht mehr ganz jungfräulichen Reize ins Spiel bringen.

     

    TROTTOIR: Wie schafft ihr es, Fröhlichkeit zu verbreiten, wenn ihr einen schlechten Tag habt?

    Sabina Schalla: Das ist genau wie in allen anderen öffentlichen Berufen. Einen schlechten Tag lass’ ich nicht am Publikum aus. Schlechte Laune lasse ich sowieso nicht an anderen aus, das ist nicht meine Art. Ich nehme meine Laune in mein Spiel mit auf und brauche sie so nicht zu überspielen. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht. BS: Auch wenn ich schlechte Laune habe – sobald ich auf der Bühne stehe, ist sie weg, weil zwischen dem Publikum und mir eine eigene Spannung entsteht.

     

    TROTTOIR: Was macht ihr bei unangenehmen Reaktionen auf euer Spiel?

    Sabina Schalla: Das Publikum fordert einen heraus. Dem kann man gut begegnen.

    Brigitte Scharbau: Wenn man unangenehme Animation macht, kriegt man auch unangenehme Reaktionen. Dies gilt es tunlichst zu vermeiden. Ist jemand betrunken, vermeidet man Provokation und versucht, peinliche Situationen auf spielerische Weise schnell zu beenden.

     

    TROTTOIR: Welche Voraussetzungen sollte man eures Erachtens für den Job mitbringen?

    Die Geliebten: Was man braucht sind Spaß, Einfühlungsvermögen und Erfahrung in Spiel und Improvisation. Man muss sein Publikum mögen. Und ein kleiner Spritzer Intelligenz ist auch nicht schlecht.

     

    TROTTOIR: Warum gibt es immer noch so wenig Frauen in der Komik?

    Sabina Schalla: Viele Frauen sind wahrscheinlich lieber schön als komisch. Es geht aber auch beides.

    Brigitte Scharbau: Außerdem fehlt die Tradition. Bei den Männern gab es z. B. immer den Hofnarren. Bei den Frauen gab es bisher wenige Vorbilder. Schön ist es für uns zu sehen, dass sich das zurzeit stark ändert. Viele gute Komikerinnen sind im Kommen.

     

    TROTTOIR: Wie verhält es sich mit den Frauenrollen in den Dinnershows? Wird nicht gerade dort weibliche Komik auf blondes Dummchen oder Domina reduziert?

    Brigitte Scharbau: Stimmt nicht. Die Bandbreite ist wesentlich größer. Es gibt z. B. herbe, männliche Frauen, die damenhafte Gastgeberin, die kleine, flinke Küchenhilfe, die dicke Köchin.

    Sabina Schalla: In unserer Show hier in München gibt es weder ein sexy Dummchen noch eine Domina.

     

    TROTTOIR: Was sind eure Pläne?

    Die Geliebten: Wir arbeiten an einer eigenen, abendfüllenden Bühnenshow mit den alten Damen Elsa und Erdmuth. Außerdem laden ab Herbst 2005 Elsa und Erdmuth zum Kaffeeklatsch ein. Eine Talkshow einmal anders. Galas, Kleinkunst und Straßentheater stehen weiterhin auf unserem Programm. Auch Dinnershows sind ein von uns geliebter Bestandteil unserer Arbeit.

     

    TROTTOIR: Was macht ihr jetzt gerade?

    Die Geliebten: Im Moment kann man uns in Alfons Schuhbecks Palazzo in München treffen, und das noch bis Februar. Wir arbeiten in einem tollen Team von internationalen Künstlern. Die Münchner sind ein sehr offenes, begeisterungsfähiges Publikum. Wenn wir wie hier von unseren Gästen hören, dass wir ihre Herzen berührt haben, ist das das schönste Kompliment für uns.

    Kontakt: www.diegeliebten.de

    2004-12-15 | Nr. 45 |





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