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  • Szenen Regionen :: Berlin

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    Der Stachel am Regierungssitz

    „Kabarett ist das, wenn Sie sich umdrehen müssen, ob auch ihr Parteisekretär lacht“. So wurde Ellen Tiedke, damaliger Distel-Star in einer Hausmitteilung an Kurt Hager 1966 zitiert.  Nach dem Bau der Berliner Mauer wurde der Distel vorgeworfen, nicht im genügenden Maße gegen den Klassenfeind  im Westen vorzugehen. Direktoren wurden regelmäßig abberufen, Programme rezensiert. Und trotzdem wurde hier immer wieder politisches Kabarett auf die Spitze getrieben. Es gab Zeiten, da durfte man 3-5 Jahre auf eine Distel-Karte warten.  Am 3.10.03 feierte die Distel in der Friedrichstraße ihr 50jähriges Jubiläum.  Mit dabei waren Prominente aus Ost und West: z.B. der Regierende Bürgermeister Herr Wowereit, Herr Momper, Dieter Hildebrandt und Gisela May. Die Berliner Zeitung berichtet am 8.10.03, dass Wowereit das politische Kabarett wichtiger fände als belanglosen Comedy-Quatsch. Er meint, er könne noch lachen, wenn man über ihn Witze macht. Das ist wohl eine wichtige Voraussetzung für einen Politiker in Berlin.

    Nach der Wende hatte das vormals berühmteste und  begehrteste politische Kabarett seine politische Gegner verloren. Es war nun (fast) alles erlaubt. Ab sofort wurde nach rechts und links geschaut und und sachte gepiekt. Wo war der Feind, wo waren die Freunde, wogegen war man eigentlich?  Peter Ensikat, bekannter Regisseur und Mitgeschäftsführer reflektiert liebevoll über alte Zeiten: „Wir waren ein Hort des Widerstandes, verfolgt von hohem staatlichen Auszeichnungen...“ Aber das Kabarett an der Friedrichstraße  hat die Wende vor Ort überlebt. Das Distel-Ensemble wurde nach Überführung in die Privatwirtschaft und Einstellung jeglicher öffentlicher Förderung  stark  verkleinert in eine GmbH umgewandelt. Nun musste das Ensemble im harten kapitalistischen Alltag beweisen, dass hier die Schwachen mit Spott und Lachen auch eine Chance haben. Jedenfalls soll hier bewusst vermeintlich Unabänderliches  kritisch reflektiert werden und anderen der Anstoß zum Handeln geben werden. „Im Westen geht die Sonne auf“ heißt deshalb wohl auch programmatisch der Untertitel im Jubiläumsprogramm. Den ganzen Tag wurde gefeiert. Berlin hatte mal wieder einen ganzen Tag zu lachen. „Ende offen“ das 106. Distelprogramm wird seit der Premiere am 2.10.03 vom gesamten Distel-Ensemble gespielt.

     

    Unheilbar gesund

    So heißt es immer noch im Kabarett Kneifzange. Hier kommt keiner gut weg. Nicht überraschend, dass deshalb das Programm aus dem November 2002 von Wolfgang Rumpf immer noch sehr gut besucht ist. Ebenfalls mit sehr scharfer Zunge wird seit April 2003 „Verarscht nach Quoten“. Der Erfolg der sehr gut besuchten Kneifzange liegt sicher auch an der professionellen Leitung und den Schauspielern, die aus Film und Fernsehen bekannt sind. Angela  Horbig, Anette Felber und Alexander Wikarski – Diese Gesichter sieht man fast täglich im Fernsehen, meist jedoch als Arzt, Detektiv oder anderen ernsthaften Rollen.

    Wem das zu politisch ist, geht  am besten gleich ins  Big Eden. Hier  wird nun auch Kabarett und Comedy gezeigt. Weitere Neuigkeiten über die von der Soko organisierte, gerade angelaufene Veranstaltungsreihe im legendären Partyhaus Big Eden erwarten uns 2004.

     

    Das Bundeskriminalamt und sein eigenes Theater

    Wer in den letzten Jahren immer wieder dachte, das Chanson in Berlin hätte nichts Neues mehr zu bieten, sollte wohl das Chansonfest in Berlin, organisiert seit 1996 von Boris Steinberg, besuchen. Vom 23.-26. Oktober fand das 8. Chansonfest am 3.Ort in Berlin statt. Nun also im BKA. In Frankfurt am Main, traut man Berlin offensichtlich alles zu. Die gebürtige Tschechin, Monika Seibt war sich nicht ganz sicher, ob sie im Knast spielen würde. „Aber es kamen alle ganz freiwillig, und so viele“. Sie berührte durch ihre Stimme und Interpretation im Stil des tschechischen Chansontheaters, das die berühmte Hanà Hegerová hervorbrachte. Mit langem Beifall wurde „Eins und Eins“ von Hildegard Knef als Zugabe verlangt und gesungen.  Damit hatte der Organisator ein gutes Gespür für Dramatik. Hier ging wieder ein Chansonfest zu Ende, das inzwischen nicht mehr aus der Berliner Kleinkunstszene wegzudenken ist. Dieses Jahr verbunden und moderiert durch den Pariser Charme der Chansonsängerin Corinne Douarre.

    Das Genre Chanson zu beschreiben fällt zunehmend schwerer und zeigt die Suche der Künstler und des Publikums nach neuen Wegen. Schneewittchen, bekannt bisher als das Duo Iser/Duda passt in keinen Schubkasten. So wie die Spannbreite der Texte, von der Liebeserklärung bis zum Mord reichen auch die musikalischen Facetten bei Schneewittchen. Ein wenig skandalträchtig war sie wohl selbst für das gewohnt offene und Skandal erprobte Berliner Publikum. Sie hat die Gradwanderung verstanden. Mit ihrem poppig –düstern Songs und atemberaubender Stimme hat sie schon sehr freizügig über ihr Geschlecht gesungen und dessen Wünsche präsentiert. Wiebke Wiedeck, frühere Background-Sängerin bei Poems for Laila und „eine der namhaftesten Chansonsängerinnen der Berliner Szene“ (aus Presseinformation des Veranstalters) überraschte dieses Jahr in ihrem neuen Programm „Dinge des Lebens“  mit einer Verbindung aus Chanson,  einem Tropfen Comedy und leidenschaftlichen  Tanz. Der Erfolg im Grünen Salon mit ihren Weggefährten Andreas Meyer Klement,  dem italienischen Jazzgitarristen Giorgio Crobu und dem Tänzer Mario Perricone, ehemaliger Solist an der Staatsoper Berlin, zeigte, dass neue Wege erwünscht, vielleicht auch gerade in schwierigen Zeiten der Ausweg sind. Das durch viele Auftritte im  Grünen Salon ebenfalls bekannte Duo Weber/Beckmann hat mit ihrem Programm „Kurz vor Unendlich“  auch beim Chansonfest bewiesen, dass die wilde Mischung aus eigenen Songs, Musikstilen und Geschichten den Nerv der Zeit und sehr vieler Zuhörer trifft. Die mehrmaligen Preisträger (Bundeswettbewerb Berlin, 2001, Kleinkunstpreise aus Schwerte und Tuttlinger Krähe 2002 sowie des Westspitzen Festivals in Alsdorf)  werden bald wieder im Grünen Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz zu sehen sein.

    Bernadette la brachte die Zuschauer des  Festes sogar zum Tanzen. Diese ONE WOMEN- SHOW hatte soviel Power, wie man es nie erahnt hätte, hörte ich es im Publikum raunen. Ebenfalls sehr dankbar und berührt von der Kraft und Ruhe seiner Texte sowie seiner mitreißenden Ausstrahlung war das Publikum während des  Auftritts vom Organisator und bekannten Berliner Chansonsänger Boris Steinberg. Nach vielen Jahren reiner Organisationsarbeit wurde das erfolgreiche Festival am letzten Veranstaltungstag mit seinen Liedern und der musikalischen Unterstützung seiner Gitarristen bereichert.

    Wir bleiben neugierig auf das Chansonfest im Herbst 2004.

    Wer sich am 9.11.03 wieder wunderte, wo in den letzten Tagen die netten hübschen Jungs in Berlin geblieben sind, wäre wohl im BKA-Luftschloss fündig geworden. Witz, Humor, viel Wodka für sich und seine Gäste sind für Kay Ray genauso wichtig wie ein rotes Rüschenkleid und ein Pelzmantel. „Ich tobe mein Leben“ teil er mit und gibt offen zu, er hätte keine Message, so wie viele andere Künstler. Er tanzt, singt und lacht mit dem Publikum, zum Schluss verabredet er sich mit der Hälfte davon. Das jedenfalls ist der Eindruck und man und frau gehen zufrieden und amüsiert nach Hause.

    Wenn man doch noch  über Frauen oder frau über Männer nachdenken will, sollte im März Mario Barth nicht verpassen. Nach dem legendären Auftritt beim Kabarettpreis 2003 im Kabarett  Wühlmäuse bewies er, dass er den Berlinern Männern und Frauen wirklich was zu sagen hat. Wir freuen uns auf  „Männer sind Schweine, Frauen aber auch“ vom 2. bis 13.März 2004 in der Ufa-Fabrik. Und wir sind gespannt auf  das Jahr 2004 und wünschen allen Künstlern und Veranstaltern weiterhin viel Mut, Ausdauer und Schaffenskraft.

    Redaktion: Yvonne Helmbold

     

    Hier noch einige weitere Termine:

    Tränenpalast:
    Januar-März: Martin Buchholz „The Miesest and the Fiesest of”
    07.01.03 Stefan Jürgens” Langstreckenlauf”, Comedyblues

    BKA:
    Ufafabrik
    Lachwerk-Kombinierte Comedy-Bühnen-TV-Show auf FAB, jeden ersten Donnerstag im Monat.

    Grüner Salon :
    Jeden Samstag 20.00 Uhr

    Kneifzange:
    „Verarscht nach Quoten“, „Unheilbar gesund“

                

     

     

     

    2003-12-15 | Nr. 41 | Weitere Artikel von: Yvonne Helmbold





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