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    Hilfe, meine Frau ist ein Pottwal

    „Was ist das Romantischste, das Ihr Mann in letzter Zeit gemacht hat?“ – „Frische Socken angezogen.“ Hört man Fragen und Antworten solcher Art, dann weiß der Kenner: Das Puschelmikrofon ist wieder im Einsatz. Unterwegs auf Wochenmärkten und in Fußgängerzonen, in der Hand von Alfons, dem scheinbar naiven, radebrechenden französischen Reporter mit den öligen Haaren und der orangefarbenen Trainingsjacke. Die einst nur TV-weit bekannte Ikone des investigativen Journalismus („Extra 3“, NDR, „PuschelTV“, „Alfons und Gäste“, SR/SWR), die wie aus Versehen die teutonische Volksseele auslotet, zieht im aktuellen Bühnenprogramm (mit eingespielten Straßeninterviews) „Alfons – Mein Deutschland“ Bilanz ihres nunmehr fast 20-jährigen rechtsrheinischen Aufenthalts.

    Enno EngelKleingartenvereine und Kehrwochen, PISA und Generationenvertrag, Warnstreiks und Kurt Beck macht der trottelig-charmante Wahl-Hamburger Emmanuel Peterfalvi alias Alfons aus Paris dabei als typische Phänomene aus (er ist übrigens Nummer zwei der NDR-Hitliste „Die beliebtesten 20 norddeutschen Komiker“). Was so nicht sonderlich originell klingt, gerät dennoch einmal mehr zur brüllend komischen, skurril-entlarvenden und dabei letztlich versöhnlich-liebevollen Bestandsaufnahme von Befindlichkeiten wie Denkfaulheit, Ausländer-Häme und Sexmüdigkeit. Noch ein Beispiel: „Welches Tier – vielleicht Reh oder Gazelle – fällt Ihnen ein, wenn Sie an Ihre Frau denken?“ – „Pottwal“. Bejubelte Premiere war im ausverkauften Alma Hoppes Lustspielhaus.

    Bei einer Preview hatte der Franzose aber bereits im rappelvollen Stadtteilkulturzentrum Bergedorf/Lohbrügge, der Lola, 200 Fans begeistert. „Viele Hamburger Klassiker, auch Henning Venske, das Duo Alma Hoppe, die Steife Brise, Michael Ehnert oder Emmi & Herr Willnowsky gastieren regelmäßig bei uns, testen gern neue Shows. Neu engagiert haben wir Heino Trusheim und Wolfgang Trepper, ich bin gespannt, wie die hier ankommen“, sagt Petra Niemeyer von der Lola-Geschäftsführung. „Wir sind die Programm-Macher von Bergedorf und Umgebung. Es gibt hier im Süden der Hansestadt keine Konkurrenz“, erklärt die 44-Jährige. Ursprünglich links und soziokulturell orientiert, logiert der 1989 eingetragene Verein seit 1994 in einer ausgebauten Polizeiwache. „Abgesehen von Kursen und Kindertheater bieten wir heute neben Disco und Konzerten mit zwei Terminen pro Monat auch einen Kleinkunst-Schwerpunkt“, sagt Niemeyer, „und mit der Teilhabe am Hamburger Comedy Pokal erzielen wir eine schöne Außenwirkung.“

    „Theater war gestern“ hatte es laut vor der Deutschland-Premiere getönt – „heute ist Glow!“ Bitte, was? Quietschbunte, neonleuchtende und herrlich naive Bilder aus Comic, Film, Animation, Illusion und Theater sowie ein paar Songs, die der vom Prager „Schwarzen Theater“ inspirierte Bühnenchef, Regisseur und Hauptdarsteller Lior Kalfo aus Israel zum innovativen pop-poetischen Spektakel mixt. Viel mehr als die betont simple Story um einen träumerischen Büroangestellten, der um die Liebe seiner Schreibtischnachbarin zu kämpfen lernt, begeisterten die Zuschauer beim schließlich verlängerten Gastspiel in den Fliegenden Bauten laufende Möbel, fliegende Requisiten, Körper und Spermien, aufsteigende Sprechblasen sowie über dem Publikum tanzende Embryozellen. Möglich machten’s schwarzgekleidete, ergo unsichtbare Männer und Frauen vor schwarzem Hintergrund. Eine Riesensause, verblüffend und dabei so vergnüglich wie eine Geisterbahnfahrt oder eine Runde Kettenkarussell auf dem „Frühjahrsdom“ gleich nebenan.

    Im Programm „Parole Schnulli“ gab sie neben dem Duo Herrchens Frauchen noch die Kabarettauszubildende. Für ihr erstes eigenes Solo „Ein richtig schönes Gefühl“ erhielt sie dann gleich den Klagenfurter Kleinkunstpreis Herkules. Jetzt trat Antje Basedow, zurück im Polittbüro, mit „Menschen und ich“ vor ihre Premierengäste: Über Themen wie Klassenunterschiede und Schwulenszene, Bibel-TV und Kochshow plauderte die entschieden norddeutsch-spröde auftretende Hamburgerin dabei scheinbar beiläufig, doch immer wieder treffsicher: „Bürgerkinder lernen in Gestalttherapien, wer sie sind und wie sie sich fühlen. Da haben wir Unterschichtenkinder es besser – wir wussten ja gar nicht, dass man so was für’s Leben wissen muss.“ Fazit: Einmal mehr bewies sich Antje Basedow als Frau mit eigener Note – und machte neugierig auf die weitere Entwicklung ihrer (selbst-) ironischen Betrachtungen.

    Redaktion: Ulrike Cordes

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    2009-06-15 | Nr. 63 | Weitere Artikel von: Ulrike Cordes





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