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    Ich lach mich tot


    Die frühste Erinnerung, die ich an Matthais Beltz habe, war eine Vorstellung in der Wiesbadener Wartburg. Die Grünen hatten das Frankfurter Front-Theater zu einer Wahlveranstaltung in das heruntergekommene Jahrhundertwende-Sängerheim eingeladen. In schwarzer Kluft zwischen Richterrobe und Pastorenkittel mit Motorradhandschuhen stand da dann dieser Typ mit Schnauzbart da und predigte eine urkomische Politlitanei herunter: Matthias Beltz.

    Bei einem Programmausstoß von etwa einer Premiere pro Jahr wartete ich jährlich auf meinen Beltz-Tag. Mit der Tour des „Reichspolterabend“ -zusamen mit Schroth, Pachl, Konejung und Rating- begannen dann die höchst unterschiedlichen Sonderproduktionen, zu denen auch die sehr frankfurterische „Montagabendgesellschaft“ im TAT 1995 gehörte. Ein Versuch im Schatten Adornos und der Seinen philosophisch zu kabarettisteln oder kabarettistisch zu philosophisteln. Das klappte nicht, wie einige andere Konzepte mit Beltz als Gastgeber. Neben dem Gießener Schlappmaul mit seinen Tiraden konnte sich kein Mitmacher halten. Beltz im Fernsehen war selten ein Vergnügen. Der Stammgast bei „Scheibenwischer“ und „Otti’s Schlachthof“ war nicht der Typ, der aus der Kulisse an die Rampe rennt, um 2 Minuten eine Nummer abzusondern. Hinter einem Schreibtisch festgenagelt, Auge in Auge mit dem Zuschauer, das ging. Und so wurde Beltz „Nachschlag“ (ARD) zum Golfkrieg 1991,

    5 Minuten reines Nichts bei leerer Dekoration, zu einem Triumph des Fernseh-Kabaretts. Andere erzählen jetzt die „Weggefährten“-Geschichte mit Studium, Opelwerk, RAF, Karl-Napp’s Chaos und Joschka.

    Hausmeisterkittel, Richterrobe, Safari-Montur, Kellnerfrack und die karierten wie gestreiften Sakkos: Beltz, der privat mit seinem Rolli immer so rumlief wie seine Kollegen als Kabarettdarsteller auf der Bühne, liebte die „Uniform“ als Theaterkorsage. Formbewußt war er derjenige, dem man gereimte Kalauer oder wüst ge-und verdichtete Dramenszenarien abkaufte. Gipfel der Brettl-Dekoration bei Beltz: Wenn im Hintergrund ein Fensterkreuz auf den schwarzen Samt geleuchtet war. Bücher von Beltz, Zeitungsrartikel und Glossen gab es auch immer. Das erreichte aber nie die Direktheit des Beltz‘schen Live-Singsanges, bei dem selbst das Atem holen und Stottern zu einer Pointe werden konnte. Ab jetzt ohne Beltz auskommen zu müssen, ist nicht nur traurig, sondern herb.-

    „Es ist die Welt ein Gasthof nur

    Und nicht eine Erholungskur.

    Der Mensch ist fremd als Gast für immer.

    Doch hat’s nicht immer Fremdenzimmer.

    Die Sonne geht unter, die Nacht beginnt,

    Der Fernseher läuft, die Menschheit spinnt.„

    (Aus: Die paar Tage noch )

    Redaktion: Kathrin Schwedler

    2002-06-15 | Nr. 35 | Weitere Artikel von: Kathrin Schwedler





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