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    Kurz-Kritiken

    Im Aschaffenburger Hoftheater, also nur wenige Autominuten von der Weltstadt Frankfurt am Main entfernt, bebte Franken mächtig. Hausherr Urban Priol zeigt schon seit Jahren, dass das hessisch-bayerischen Grenzland kabarettistisches Potential besitzt. Norbert Meidhof gehört zu den stehenden Größen dieser drög-charmanten Region genauso wie inzwischen Protagonisten wie Erwin Pelzig.

    Noch in den Eierschalen legte Markus Demel bei seinem Debütprogramm im Hofgarten ordentlich eins vor. Er eröffnete die neue Hausreihe ,,Frühglüher" mit Solo ,,Zeitgeister". Optisch könnte man ihn den Leonardo di Caprio von ,,Aschebersch" nennen. Beruflich mit einem Ausflug ins Animateurgewerbe behaftet, steht das ein Tausendsassa auf der Bühne, der es allen mit allem und durch alles zeigen möchte: Kabarett, Comedy, Büttenrede, Parodie, Fäkalwitz, Nonsens, Hip-Hop und fränkische Cordhut-Philosophie wirbeln durcheinander. Dem Jung-Animateur ist nix zu schwör! Dafür aber deutliche Mankos in den Texten. Das Lieder machen beispielsweise gehört nicht zu den Stärken von Demel, auch wenn sein Publikum willig mitsingt und mitklatscht.

    In Jonglierkreisen muss man das ehemalige TBC-Mitglied MaecHaerder nicht mehr vorstellen. Dass der Mann aus Bamberg ebenfalls das Zeug zum Kleinkünstler hat, kann man in seinem Solo ,,Der Härdertest" erleben. Was gibt's zu sehen und hören: Kulturarbeit mit fliegen Aktenordnern, wirbelnder Blumenbouquets bei der Schwulenhochzeit, Röhner Kindheitserlebnisse in der Ackerkrume, neurotische Frauenbeauftragte, Möchte-gern-Machismo, Luftballonpudel-Massaker und Rollerball auf und unter dem Biertisch. MaecHaerder gelingt erstaunlicherweise durch den Fixpunkt seiner Person die Fusion von Artistik, Poetik und Klamauk. Trumpfkarte dabei ist der Einsatz der fränkische Mentalität, immer zwischen hybrider Selbstüberschätzung und knietiefer Selbstverachtung lavierend.

    Ebenfalls aus dem, was als Provinz gilt, kommt Stephan Denzer. Vom Kaliber der Alleskönner wagte der  Jungredakteur vom ZDF den Sprung auf die Brettlbühne. Halb zog es ihn, halb sank er hin, denn seine Auftritte vor allem bei Sender-Feierlichkeiten ließen das Gerücht nicht verstummen, dass es sich da um mehr als einen reinen Party-Gag handelt. Nach seinem Kleinkunst-Coming-Out im Mainzer unterhaus ging es mit dem Programm ,,Ein Lied für Mombach" begleitet von den vierköpfigen Band ,,Los Mombachos" auf die Bühne des Freien KUZ Tattersall in Wiesbaden. Denzer gibt Music-Comedy wie Till und Obel, tigert tänzerisch über die Bühne wie das von ihm durch den Kakao gezogene MDR-Fernsehballett, schnattert meenzerisch im Duett in Person von zwei Büro-Drachen und dreht beim Chorgesang internationaler Autofabrikate vom ,,Drabbi" bis zum schlitzäugigen Nissan ordentlich auf. Kritikabel bei diesem insgesamt fulminanten Debüt sind zwei Punkte: Aus Angst null Fehler machen zu dürfen, wirkt einiges quasi ,,überprobt". Außerdem dürften Zuschauer, die ,,schlimme" Wörter nicht mögen, Probleme mit einer Conference haben, die nur allzu oft in den Toilettenbereich abgleitet. 

    Noch permierenwarm kam das neue Solo von Georg Schramm im Mainzer unterhaus an: ,,Mephistos Faust". Wer mag, kann in der Anfangskonference und auch einige Szenen später so etwas wie ,,Vorspiel auf dem Theater" und teuflisch-faustische Dialoge erkennen. Schramm inszeniert eine große Abschiedsrevue von Figuren wie Oberstleutnant Sanftleben, dem Mecker-Preussen Lothar Dombrowsi und der rot-reaktionären Socke des SPD-August. Dazwischen als alerter Spielmacher der namenlose Psychotrainer und Seelenverkäufer. Schramm stellt sich und seine Figuren im Schatten des Jubiläums 100 Jahre Kabarett ins Schlaglicht dessen momentaner Befindlichkeit. Comedy und das windelweiche ,,Reformkost-Kabarett" werden abgewatscht. Es geht ohne Wenn und Aber um die Reizvokabel ,,Moral"- und siehe: Das Mainzer Publikum , ebenfalls von Schramm schonungslos hopp genommen, stimmt mit schallendem Gelächter und frenetischem Abblaus dessen eigentlich nicht unbedingt lustigen Situationsanalyse zu. Mephistos Faust von Schramm: Ein großer Aschermittwoch des Kabaretts mit dem Lachen und Zähneklappern.

    In der Alten Mühle in Bad Vilbel  zu bestaunen: Ars Vitalis - ,,Wiese sehen, sehense nix". Diesmal ging es bei der rheinländischen Work-in-progress-Truppe partiell sehr seemännerisch zu und eine ,,st-eife" Brise wehte nordatlantisch durch explodiernen Jazz, unplugged Klezmer, röhrendem Tom Waits und requisitenreichem Freistilhumor. Es bleibt also dabei: Wer Ars Vitalis nicht kennt, weiss nicht was Glück ist!


    Kurz und knapp

    Claudia Brendler und Connie Webs (Queens of Spleens), unter anderem Mitglieder der Formation ,,Frankfurter Frontfrauen", frönen auf ihrer ersten CD  ,,Volle Krönung" (Eigenvertrieb) der Musik-Comedy-Dröhnung. Wer das Duo länger kennt, kann den Trendwechsel von seinerzeit mehr frauenorientierten Themen zu einem deutlichen Mehr an Musik-Parodien feststellen. Bei der Präsentation in der Frankfurter Romanfabrik gab es daher volle Zustimmung vom weiblichen als auch männlichen Publikum.

    Die Lesung von Frank Goosen in Frankfurt musste leider aus privaten Gründen ausfallen. Der Bochumer, ehemals 50% von Tresenlesen, wurde Vater und konnte so in Frankfurt nicht aus seinem ersten Roman ,,Liegen lernen" (Eichborn-Verlag) vortragen. Wer des Selbstlesens nicht willens ist, kann sich diesen stark autobiographisch eingefärbten Band über eine Kindheit und Jugend in den wild-öden achtziger Jahren auch auf CD anhören (Roof-Music, Bezug Plattenladen oder Buchhändler).

    Die Alte Mühle in Bad Vilbel feierte im April ihr Zehnjähriges. Das wurde mit einer Jubiläums-Revue in drei Teilen ausgelassen und anhaltend gefeiert. Was Frankfurt offensichtlich nicht zu Wege bringt, in dem Kulturzentrum in einer umgebauten Mühle an der Nidda mit Musikschule, Programmkino und lauschigem Restaurant wird es möglich: Kabarett und Kleinkunst mit Gästen wie Popette Betancor, Detlef Winterberg, Markus Jeroch, Herrn Thiel, Armin Töpel und vor allem den ,,Hausmarken" Jo van Nelsen, Micheal Quast, Jos Rinck oder Anne Bärenz und Frank Wolff. ,,Die Eigenproduktionen waren der größte Einschnitt", resümiert Programmacherin Maria Ochs die letzten fünf Jahre. Die knackig wilden Inszenierungen vom  ,,Weiße Rössl" und ,,Die Fledermaus" setzten in dem Bereich freie Koproduktionen neue Maßstäbe.

    Gratulation nach Koblenz! Berti Hahn und sein Team feiern im Café Hahn das zwanzigjährige Bestehen. Ein Haus, das von der Vitalität und Begeisterungsfähigkeit seines Hausherren lebt, dessen Programmphilosophie auf den Säulen Jazz und Kabarett ruht. Raumausstattung und Künstlerbetreuung verdienen das Markenzeichen ,,legendär". Zusammen mit dem Spielort Blaue Biwel verfügt das rheinland-pfälzische Rheinstädtchen dank diesen anhaltend Einsatzes über Kleinkunstorte, von denen es zu recht heißt: Da muss man mal gastiert haben!

    ,,Die Alte Patrone hat das Laufen gelernt", verkündete bei einer Pressekonferenz zum neuen Varieté-Programm Detlev Wehnert vom GfP Services. Die Mainzer Wohnbau hatte die in einem Wohnviertel umbaute ehemalige Munitionsfabrik zu einem Kulturquartier mit Ateliers, Kindergarten, Arbeiterwohlfahrt, Restaurant und Bühnenhaus umbauen lassen. Anfangs fand nur wenig Publikum den Weg in das inzwischen malerisch eingewachsene Geviert in der Siedlung Hartenberg. Als Konferenzraum von Firmen gut ausgebucht, will man mit den inzwischen vierten Varieté-Programm diesmal einige Wochen durch die Region tingeln, um Werbung für die Location zu machen, in der bisher keine richtige Linie im Veranstaltungsbereich zu erkennen war. Sich im Orchester von unterhaus, Frankfurter Hof, Staatstheater TIC, mainzer kammerspielen und etlicher anderen Bewerber zu positionieren kann nicht als leicht bezeichnet werden. Vor allem die Unterstützung vom SWR-Studio Mainz um die Ecke, von Sponsoren und vor allem von der Wohnbau haben die erste Durststrecke überwinden lassen. Bei der Pressekonferenz bewies Programmchef Monsieur Argon mit Ball- und Wort-Jonglagen den anwesenden ,,Pübliküm", wie man sich die jeweils mit 3-4 Artisten besetzten Bunten Abende vorzustellen habe. An 18 Orten gastiert die Revue ,,Gute Zeiten", um dann im August in einem noch geheim gehaltenen eigenen Varietéhaus in der Mainzer Altstadt als festes Ensemble die Herbst-Wintersaison zu eröffnen.

    Redaktion: Kathrin Schwedler

    2001-06-15 | Nr. 31 | Weitere Artikel von: Kathrin Schwedler





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