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    Männer brauchen Grenzen!

    In den letzten drei Monaten ist im Raum Stuttgart in der Kleinkunstszene viel passiert. Höhepunkte waren wie jedes Jahr der „Stuttgarter Besen“ von der „Erzeugergemeinschaft Stuttgarter Kabarett“, Renitenztheater, Merlin, Laboratorium, Theaterhaus und Rosenau richten das Fest gemeinsam aus,

    Aber es gibt auch zwei Stuttgarter Kabarettisten, die ihr 40jähriges Kabarettjubiläum feiern.

    Mathias Richling feierte im Jahr 2014 sein 40. Bühnenjubiläum - im Stuttgarter Renitenztheater. Kommt tobend und schnell redend auf die Bühne, beginnt mit einer schwäbischen Nummer über den Kartenkauf für einen Abend, an dem gar nicht gespielt wird und hat schon das Publikum auf seiner Seite. Wild mixt er Aktuelles mit seinen Höhepunkten aus verschiedenen Programmen. War er Anfangs noch der schwäbische Fernsehglotzer, so merkte ich spätestens beim 60. Geburtstag von Hüsch, welch hervorragender Politkabarettist er ist. Tosender Applaus und viele Zugaben wen wundert  das?


    Ebenfalls im Renitenztheater Tina Teubner und Ben Süverkrüpp mit „Männer brauchen Grenzen“. Ein tolles Programm. Auf der einen Seite der augenzwinkernde Humor von Tina Teubner, die knallharte Mann-Frau Wahrheiten gekonnt auf den Punkt bringt.

    Da fragt sich auch das halbfrustrierte Ehepaar in der dritten Reihe, was Sie mit dem Redeschwall der „Erziehungsberaterin für Männer“ anfangen soll. Da wird satirisch an Paaren gerüttelt, das ihnen die Fetzen vom Leib fallen und sie vielleicht wieder auf die Couch landen, aber nicht auf der vom Therapeuten. Gekonnt jongliert sie mit Zitaten von Adorno, Heinz Erhardt oder Heiner Müller, macht Gedachtes zu ihrem Eigenen. Kongenial begleitet von Ben Süverkrüpp, ein Pianist, den man in der deutschen Kleinkunstszene lange suchen muss. Zwischendurch gibt es eine humorvolle musikalische Einlage zu zweit, wenn die studierte Geigerin zu ihrem Instrument greift. Der Abschied auf der „singenden Säge“, gestrichen mit dem Geigenbogen, animiert die Kabarettgemeinde zu einem gemeinsam gesungenen Abendlied. Tina geht verbal bis an die Grenzen, wird aber nie grob oder verletzend. Sie macht Mut, die im Alltag abgeschliffenen Beziehungen wieder neu zu beleben. Vielleicht ein Tipp. Hingehen und sich eine lange und teure Paartherapie ersparen. Langer Applaus und mehrere Zugaben für dieses Ausnahme-Kleinkunstduo.


    Da kauft man sich mal eine CD für 50 Cent im Second Hand Laden der Caritas, will 15 Sekunden reinhören, a capella, und plötzlich haben die Texte ein Niveau wie bei den Prinzen, oft auch sensibel, romantische  Texte. Maybebop heißt die Truppe, die dreimal hintereinander im ausverkauften Renitenztheater spielte. Humorig, technisch perfekt, fast nur eigene Lieder, auch mal „Engel“ von Ramstein dazwischen oder im Jahresmedley 2014 wird schon mal „Atemlos“ von der sibirischen Hupfdohle mit tiefster Bassstimme satirisch gebrochen. Verrückte bunte Kleidung, das erinnert an die original „Flying Pickets“, die ich vor 32 Jahren in Irland gesehen habe und die damals wie Italogangster gekleidet waren. Bei Maybebop sind es mal grüne, mal rote Hosen, mal etwas seriöser, mal im Clownsoutfit. Auch ein Freiwilliger darf mal mitmachen, ein Lied wird im Peter Kraus Stil auf der Bühne erfunden, ein neues Deutschlandlied für das nächste Programm, ein kurzweiliger Abend, der viel zu schnell zu Ende ging. Tobender Zwischenapplaus, zum Abschluss die obligatorischen Zugaben. Danach begeben sich die vier Troubadure an ihren CD Stand, um das Konzert mit Teilen des Publikums ausklingen zu lassen.

    Ähnlich volksverbunden Jürgen Becker im Rahmen des Stuttgarter Kabarettfestivals vor rund 500 Leuten im Theaterhaus. Er widmet sich kabarettistische der Kunst, beginnt mit einer Interpretation von Max Ernst „Maria versohlt Jesus den Arsch, zum ersten mal 1928 in Paris gezeigt, Die Katholen in Frankreich nahmen keinen Anstoß, in Deutschland gab es wütende Proteste. So schleicht sich Becker durch die Kunstgeschichte, immer mal wieder einen satirischen Seitenhieb auf Köln und den Klerus abgebend, durch den zweistündigen Abend. Bei der Schlussverbeugung hebt er 2 Minuten nicht den Kopf, ein guter Trick, das Publikum muss klatschen und klatschen, hätte es aber sowieso „freiwillig“ gemacht. Danach kommt Becker mit einem Wägelchen und 150 Flaschen Kölsch in den Saal, den er unter den wenigen Nichtalkis verteilt und den Abend im Stile von „Trink noch eene mit“ ausklingen lässt.

    Ebenfalls beim Festival Kabbaratz aus Darmstadt im Laboratorium, dem ältesten Musik- und Kleinkunst-Club in Stuttgart. In dem Programm geht es um Lehrer, Schüler und Eltern. Sehr gut recherchiert, witziger Pointen, gut und abwechselungsreich gespielt. Wer nach der Vorstellung das „Lab“ verlässt, hat sich spätestens an dieser Stelle von den blöden Sprüchen über Lehrer wie die von Exkanzler Schröder und anderen „Poli-Tickern“ distanziert. Aber auch die Lehrer im Saal konnten gut über die Persiflagen auf ihren Job herzlich lachen. Schade, dass gleichzeitig die lange Nacht der Museen war, die beiden haben ein volleres Haus verdient!

    Beim Stuttgarter Besen traten wieder eine Solistin und 7 Solisten gegeneinander an. Wer bei diesen Anlässen gewinnt, bei dem immer wieder Äpfel mit Birnen verglichen werden müssen, ist nie auszumachen. Nach der tollen Eröffnung durch den Moderator Florian Schroeder folgten Thomas Schreckenberger mit Politkabarett, Christof Spörk trat als artbild_150_schaluppkeSteirischer Tausendsassa auf, Chris Tall als „Penäler mit Anspruch“, Bademeister Schaluppke (Bild) als Sozialarbeiter am Innen- und Außenbeckenrand der Gesellschaft mit Schenkel-klatschender Comedy, Oliver Sanrey als Belgier mit feinen Pointen, Katie Freudenschuss (kein Künstlername) als „Frau mit Witz und Herz“, die zum Schluss als Tom Waits Cover mit einer tiefen Stimme, die ich bei einer Frau selten gehört habe, ihren Vortrag beendet.

    Marcus Barth (nicht Mario) firmierte unter „Comedy mit Tiefgang“ und Dave Davies als farbiger Powertyp verglich satirisch die afrikanische mit der deutschen Mentalität und bekam dafür den „Goldenen Besen“, Spörk bekam den „Silbernen Besen“ und Chris Tall als echter Nachwuchs den „Hölzernen Besen“. Der Bauchtanzbegabte Bademeister Schaluppke erhielt den Publikumspreis. Die anderen, wenn sie nicht sofort nach Hause fahren mussten, trösteten sich gegenseitig beim Bier, sicher werden sie aufgrund ihrer Qualität auch mal einen der vielen Kleinkunstpreise bekommen. Böse Zungen behaupten ja: „Kleinkunstpreise sind wie Hämorriden. Irgendwann bekommt jeder Arsch einen.“ Womit ich keinen der Auftretenden meine, jede und jeder hat an diesem Abend preiswürdig gespielt!

    An der Esslinger Landesbühne gab es noch eine hervorragende Produktion von „Weihnachten an der Front“. Das Thema: Weihnachten 1914 haben sich deutsche, französische und englische Soldaten am heiligabends in den Schützengräben verbrüdert und sogar ein Fußballspiel gegeneinander ausgetragen. Wie setzt man diese Idee auf der Bühne um? Es funktioniert! Genial von Klaus Hämmerle inszeniert, die Darsteller bestachen durch präzises Spiel und vor allem durch die Qualitäten ihrer Stimmen, egal ob mit solistischem oder dreistimmigem Gesang. So ein Theater mit viel Musik findet man an Stadt- und Landestheatern nur bei diesem ernsten Thema sehr selten.

    Gegen Ende der Kabarettwochen gastierte im „Laboratorium“ die halbe „Buschtrommel“, Andreas Breiing. Da sich die Buschtrommel 2016 in ihren alten Besetzung auflöst, hatte Andreas Verstärkung mitgebracht. Eine Kollegin mit einer tollen Opernstimme, die zum Abschluss „Time to say Goodbye“ sang während Breiing die Namen von Politikern aufzählte, die doch langsam mal einen Abgang machen sollen. Dies war eine kurzfristig anberaumte Weltpremiere. Da wundert es nicht, dass die Show anfangs etwas langsam anlief, sich dann aber enorm steigerte. Andreas, der neben einem starken Talent für das Schreiben neuer Texte auch noch über eine clownsähnliche Mimik verfügt, brachte das Publikum mit anspruchsvollen Nummern zum Lachen. Erstaunlich auch sein ständiger Rollenwechsel vom renitenten Rentner zum Engel Adolf und mehr. Wenn sich der Stil der neuen Buschtrommel in Zukunft auch noch in Richtung Mann-Frau Schlagabtausch weiterentwickelt, braucht man sich um die „neue Buschtrommel“ keine Sorgen zu machen.

    artbild_200_bruno_schollenbVierzigjähriges Kabarettjubiläum feiert auch Bruno Schollenbruch (Bild) bei den Galgenstricken in Esslingen. Support: Klaus Peter Pfeiffer, Satire-Zauberei,

    Birgit Eckert, Klavier und einer der Hausherren, der Galgenstrick Erich Koslowski brachte einen Auszug aus seinem neuen Solo „Der Hanuta-Anarchist“!

     

    PREMIERE:

    „Vier Dekaden Kabarett “
    11.04.15 KABARETT DER GALGENSTRICKE, ESSLINGEN

    Mit Klaus-Peter Pfeifer „Deutscher Vizemeister im Zaubern“, Birgit Eckert (Klavier) und einem weiteren Gast. Bruno Schollenbruch, spielt sein Jubiläums-Programm: „Es reicht nicht mehr, sich keine Gedanken zu machen, man muss auch noch unfähig sein, sie auszudrücken!“ (Karl Kraus)!

    Neben neuen Nummern auch ein schräger Blick auf 20 Programme. Ein wilder Mix aus Themen wie Frauen, Männer, Kids, Politik, Anarchos, Sex, Handyoten, alltäglicher Wahnsinn, kurz, über alles, was einem Satiriker auf der Jagd nach Pointen täglich vor die Flinte läuft. „Manche Leute halten Schollenbruch ja für einen  intelligenten und liebenswürdigen Zeitgenossen. Wer ihn aber richtig kennt, weiß, dass er auch noch hilfsbereit und charmant sein kann.“  Bruno Schollenbruch wurde unter anderem mit dem Hessischen Kleinkunstpreis ausgezeichnet.

    Karten direkt über Bruno Schollenbruch und Kabarett der Galgenstricke
    Bruno Schollenbruch Tel. 0711-617231 | Mobil:0176 95 45 13 43

    Redaktion: Bruno Schollenbruch
    2015-03-31 | Nr. 86 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch





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