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    Piaf, Brel und Marlene gehen in Berlin nicht unter! Oder doch?

    Zum letzten Mal stand Maria Bill am 19.09.98 mit Günter Barton im Schlossparktheater als Piaf auf der Bühne. Und sie hat es geschafft, das Publikum zu überzeugen. Ob Evelyn Förster, Eva Other, Isabell Dörfler oder Evi Niessner, alle versuchten sie in den letzten Jahren ihren Durchbruch mit der Piaf. Brel erging es nicht anders. Im Schillertheater hoffte man im Juni 1997 auf den großen Erfolg des ersten eigenen Musicals. Mit Klaus Hofmann als Brel. Jean P. Mokerken, der egozentrische französische Sänger aus Prenzlauer Berg lebte das Original mit allen seinen Exessen in den Cafés und Auftrittsorten Berlins, der Berlinale und den neuen Ländern. Dann verschwand er spurlos. Nun gibt es wieder einen Brel: Dominique Horwitz; Entertainer, Sänger und Schauspieler. Nicht zuletzt dadurch wird diese Rolle nicht nur gesungen, sondern auch das Leben des französischen Herzensbrechers und Poeten gezeichnet (Premiere am 02. Oktober in der Bar jeder Vernunft).

    Auf dem 3. Berliner Chansonfest in der Ufa-Fabrik vom 23.-25.Oktober wird es u.a. auch Brel auf Deutsch geben. Jens Claßen versucht es auf Deutsch, das Publikum zu überzeugen. Am 28.10.98 folgt dann auch die weltbekannte Gisela May (74) & L`Art de Passage mit einem Konzert im Alten Rathaus, Potsdam, um mit ihren Interpretationen dem Unsterblichen ihre Referenz zu erweisen.

    An dritter Stelle der Hitliste “Chanson-Idole zum Nachmachen” steht ohne Zweifel die Marlene Dietrich. Im Oblomov-Theater in der Chausseestraße von den noch Unbekannten der Kleinkunstszene oder im Rennaisance-Theater von den bekannten Sängern und Schauspielern vorgeführt, immer wieder scheint es reizvoll in die Haut der erfolgreichen Stars der Chansonszene zu schlüpfen. Kaum ein Cafè, daß nicht in letzter Zeit Lieder der Marlene hören durfte. Inzwischen singen es auch Männer an einem lausigen Donnerstag: Ich habe einen Koffer in Berlin ... (Cafè Döblin). Nachts um ein Uhr ruft dann jemand auf dem neuen menschenleeren Marlene-Dietrich-Platz im neuen Kunstherz Berlins, dem Potsdamer Platz: “Wo sind sie denn alle?”. Das neu gebaute Musicaltheater “Stella” wird hier erst im Juni 1999 eröffnet. Fortsetzung der Hitliste folgt.

    Die Szene

    Weit weg von den Idolen alter Zeiten scheint die wirkliche Szene. Hier kann man mit einem Lied der Piaf lediglich gähnende Seufzer auslösen. Die heutigen Diven beherrschen schon das Feld. Aus der Kleinkunstszene herausgewachsen werden im Dezember Georgette Dee, Cora Frost und Popette Betancor im Hebbeltheater als gemeinsames Gastspiel zeigen, das der Begriff Kleinkunst schon lange nicht mehr ausreicht, um diese Kunst zu bezeichnen. Die Chansonbühne im Grünen Salon präsentiert seit September seine Stars monatlich. Einmal im Monat an einem Samstag gibt es dann auch die beliebte lange Chansonnacht mit Gästen “Künstlerloge”.

    Die einzige Chansonette mit Dornen in den Rosen erzählt “wie töricht zu wissen, daß Wunden heilen”. Zusammen mit Florian Grupp und Sonny Thet breiten sie die Melancholie im Saal aus und versinken mit den Zuschauern darin. Am 30.09.98 traten sie in der Parochialkirche in der Klosterstraße auf - übrigens auch ein interessanter Ort für das Neue Chanson. Im Winter wird hier, etwa 4 Minuten vom Alexanderplatz, leider nicht geheizt und die Spielzeit beginnt erst wieder im Frühling mit der Hoffnung, daß auch dieser Spielort dann noch existiert.

    Die andere Seite des Chanson-Kabaretts: Der Osten

    Eine russische Diva erschien rothaarig und wild vor einem Jahr im Berliner Spiegelzelt. Mit großen Gesten der Russen zeigte sie, was eine Diva können muß. Mit deutschem Russisch und russisch gefärbtem Deutsch gelang ihr kurz die beinah perfekte Täuschung. Die frühere Leipziger Liedermacherin Maike Novak versucht nun ein zweites Mal, jetzt im BKA vom 09.-11. Oktober 98, die Seele im Land der Russen zu suchen.

    Der polnische Musiker Laorski verstand auch: Der Osten ist nah. Die Chansonsängerinnen Christiane Mueller und Minni Oehl haben sich ebenfalls von Piaf und Marlene getrennt und spielen jetzt mit ihm Slawisches Chansontheater in der Schwartschen Villa.

    Wieviel Piaf braucht das Land? Die Jüdische Piaf wird Inna genannt. Eine gewaltige Stimme in einem zierlichen Körper. Trat sie lange in Cafès und im Oblomov-Theater auf, hat sie nie aufgegeben. Die in Rußland geborene Sängerin erzählt ihre Geschichten auf ihre Weise im BKA.

    Großen Erfolg konnte auch die Polin, Celina Muza im Grünen Salon für sich verbuchen. Mancher Kritiker (West) kam jedoch mit der natürlichen Art der starken Sängerin nicht zurecht. Die Madonna, Hexe und Clown sang ebenfalls früher Marlene Dietrich. Die dreimalige Preisträgerin des Chanson-Festivals Breslau bereichert seit 2 Jahren die Berliner Chansonszene. Ihre eigenwilligen Auftritte sind nicht auf der Erhaschen eines sofortigen Lachgewinns oder pathetischen Kopien alter Vorbilder ausgerichtet. Sie sucht ihren eigenen Weg zwischen polnischem Heimatlied und frankophilen und amerikanischen Einflüssen. Das ist natürlich ungewohnt.

    Morin Smolé präsentierte bereits im Theaterschiff Tau im Sommer und im September im Café Döblin ihre eigenen Chansons, am 14.11.98 ist sie im Theater Windspiel Berlin e.V.  zu sehen. Am Klavier begleitet sie sich selbst, da sie das keinem zumuten will oder kann. Eine Mischung auf deutschen Texten, in die Tropfen der “russischen Seele” einfließen, steht in der Tradition des klassischen Chansons. Der deutsche Russe Troyke versucht es ebenfalls, einen Fuß in die bekannte Szene mit jiddischen Liedern und Geschichten beim 3. Berliner Chansonfestival in der Ufa-Fabrik zu setzen.

    Die einzigen Russen, die wohl noch nie Probleme mit Sprache und Akzeptanz hatten, sind die Zauberer und Akrobaten aus Rußland und der Ukraine. Auch bei den Pärchen, Panik und Pointen im Chamäleon glänzen Marie und Sergej. In der Tradition der russischen Zauberkünstler arbeiten sie in einem atemberaubenden Tempo. Es folgen Trick auf Trick und ein Gag nach dem anderen an diesem Abend, der zweiten Regiearbeit von Detlef Winterberg für das Chamäleon-Varieté in Berlin Mitte. In der neuen Show des Wintergartens bestätigt Julja Kolossova aus Jekaterinenburg in der Luft ebenfalls, daß die meisten Starakrobaten eben aus dem Osten kommen (Da-C-Po)

    Die perfekte Unterhaltung

    Nehmen sie ein wenig Chansons, es darf auch etwas melancholisch und sentimental sein. Mischen sie es auf mit heiteren Conferéncen und Liedern. Krönen sie die erste Hälfte mit einem schlichten weißen Kleid und blonden Haaren. Geben sie dann viel Tiefe, leicht zweideutige Bemerkungen hinzu, ein wenig salzige Ernsthaftigkeit über die schrecklichen Seiten des Lebens einer Diva und verzieren sie alles mit einem roten Kleid und einer glühend roten Perrücke. Fertig ist die perfekte Diva, die Touristen aus dem kleinsten Dorf zusammen mit Großstädtern zum Lachen und Weinen bringt.

    Die Teufelsberger zeigen noch einmal ihr “Best of” im Tränenpalast und treffen den Nerv der Berliner. Diese Gaycomedy gehört inzwischen zum Muß der Szenegänger. Sind Travestie-Shows (Orte werden nicht genannt!) nicht wirklich hip, so gibt es hier einen Meister der Travestie, der von sich das Gegenteil behaupten darf: Georg Preusse alias “Mary”, vielleicht die schönste Frau unter den Männern. In der Revue des Theaters am Kurfürstendamm wechselt er/sie in 27 Songs zehnmal das Kostüm und oft die Themen. Die ersten 30 Minuten sind für einen Berliner sicherlich noch nichts Aufregendes, dann jedoch beginnt rasant die Verwandlung in Bild und Ton. Die Gradwanderung zwischen politischem und vulgärem Witz erscheint zufällig und nimmt jede Art des Andersseins aufs Korn. Mal witzig, geschmacklos - zum Schluß ehrlich. Welche Frau wagt es, noch während der Vorstellung sich abzuschminken und vor aller Augen sich zum Mann zu verwandeln. Ein reines Vergnügen der Ehrlichkeit zum Schluß und gerade, wie es scheint, für die vielen Touristen P 60 aus den großen und kleinen Gemeinden und Kreisen Deutschlands.

    Teuer aber lohnenswert ist zweifelsohne die letzte Premiere im Wintergarten. Das Haus ist neu renoviert. Der Star in Da-C-P ist ohne Zweifel René Bazinet. Bernhard Paul, die Sonne des Circus Roncalli, führte Regie. Der Conférencier als Hausmeister ist Pantomime, Clown und Geräuschvirtuose. Sein Repertoire scheint unerschöpflich (ausführlicher Bericht folgt).

    Berlin bei Nacht

    Kabarettisten singen Swing: Götz Alsmann, TV-Moderator, Musiker, Schauspieler und Komiker, kam im September in die Bar jeder Vernunft. Jetzt mit den schönsten Ohrwürmern des deutschsprachigen Swing, Mambo und Bebop. Auch im Grünen Salon in der Volksbühne ist der Übergang fließend. Chanson folgt Swing. Jeden Freitag trifft sich hier die Szene mit Zigarren, Zigarettenspitzen und Hosenträgern. Ironisch und mit ernsthaften Tanzabsichten treten hier Komiker (z.B. Jumpin´Jackets mit Mario Eckardt) und Profimusiker auf, um sich den guten alten Zeiten anzunehmen. Die Shows sind ausgefeilt und zum Lachen und Weinen. Und man kann danach tanzen...

    Die Kultband Tigerlilies sind keine schönen Frauen. Sie sind keine schönen Männer. Sie sind Punk, Blues und British. Traten sie am Abend noch als hippige Musikbegleitung bei der 90er-Jahre-Version des “Shockheades Peter”, des Struwelpeters, im Hebbeltheater auf, konnte man sie mit ihrem schwarzen, gewöhnungsbedürftigen Humor in der Bar jeder Vernunft zur Mitternachts-Show erleben. Das Publikum nahm auch das mit großem Applaus hin. Jeden Freitag und Samstag ab 23.30 oder 24.00 Uhr in der Bar jeder Vernunft.

    Redaktion: Yvonne Helmbold

     

    Termine

    Eine kleine Auswahl

    Schwartzsche Villa, Grunewaldstr. 55, 12165 Berlin (mit öffentlicher Unterstützung)

    Chamäleon Varieté, Berlin-Mitte, In den Hackeschen Höfen - Tel. 030-282 71 18 Wintershow bis zum 10.01.99 dienstags und samstags.

    Theater Windspiel e.V., Berliner Str. 46, 10713 Berlin, Tel. 030-873 23 10

    Bar jeder Vernunft, Schaperstr. 24, 10719 Berlin, Tel. 030-885 692-0 Max Raabe singt... Am Piano: Christoph Israel  27.10.98-01.11., 20.30 Ulrich Tuktur und die ThythmusBoys    03.-08.11., 20.30 Deutsche Tanzmusik in Theorie und Praxis   Die Geschwister Pfister 10.-28.11., 20.30 Party heut Nacht außer montags Queen B 05.-30.12., 20.30 Wenn Du aufhörst, fang ich an  außer montags   Nachtshows immer Fr. und Sa., 24.00 Uhr

    Grüner Salon in der Volksbühne, am Rosa-Luxemburg-Platz, 10178 Berlin Büro: Alte Schönhauser Str. 9, 10119 Berlin, Tel. 030-285 98 936   Französischer Herbst Chansons & Specials  31.10.-29.11., 20.00 u.a. Evasion, Corinne Douarre, Wiebke Wiedeck mit Gästen 04.12.-20.12., 20.00   Annette Postel & Orchester: 09.-25.01.99, 20.00 Premiere Die Show “Chansons & Dance with me”  Fr. So. Februar 1999, 20.00

    Ufa-Fabrik, Viktoriastr. 10-18, 12105 Berlin, Tel. 030-75 50 30   Michael Sens: Endlich Prominent Mi-So: 20.00 Uhr, 27.10.-15.11.  außer 11.11. Tanja Ries: Funkeln im Herzen  Mi-So: 20.00 Uhr, 17.11.-29.11. Markus Jeroch Mi-So: 20.00 Uhr, 02.12.-27.12.

    Theaterschiff Tau, Gegenüber Planufer 17, 10967 Berlin, Tel. 030-691 69 88 Wechselnde Programme  Fr-So: 20.30 Uhr

    Wintergarten-Varieté, Potsdamer Str. 96, 10785 Berlin, Tel. 030-250 088-0 “Da-Ca-Po”  17.09.98-10.01.99 Festliche Premiere  am 25.09.98 Mit dabei: Renée Bazinet, Imago, Julja Kolosowa, Les Rados, inszeniert von Bernhard Paul, Mitbegründer des Wintergartens und Direktor des Circus Roncalli.  
    1998-12-15 | Nr. 21 | Weitere Artikel von: Yvonne Helmbold





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