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    Sommerprogramm im Friedrichsbauvarieté

    „Angesiedelt im Grenzbereich zwischen Pop, Kammerjazz und moderner Gesangslyrik, hat Komponist Peter Schindler Chansons geschaffen, die von der Sängerin Sandra Hartmann ausdrucksstark dargeboten werden.“ So kündigte das Stuttgarter Friedrichsbauvarieté den Abend „Rosenzeit & Liebesleid, Chansons und Liebesgedichte von Eduard Mörike, Johann Wolfgang von Goethe, Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine u. a.“ an. Dieser Abend war wohl die mutigste Programmentscheidung der diesjährigen Sommervarieté-Saison – und das Experiment gelang! Die Mörike-Lieder erlebten zwar schon im Jahr 2004 andernorts in Stuttgart ihr erfolgreiches Debüt, aber da galt es auch, den 200. Geburtstag Mörikes zu feiern. Inzwischen sind weitere Lieder zu Texten anderer, nicht nur schwäbischer, Dichter hinzugekommen. Alle Lieder wirken, als wären sie speziell für diesen Raum Friedrichsbauvarieté komponiert.  Ludger HollmannAm Flügel sitzt der Komponist, seine Klavierbegleitung erinnert an eine ungewöhnlich farbenreiche Barmusik, die aber ständig zum bewussten Hinhören zwingt und sich insofern wieder von Barmusik unterscheidet. Hinzu kommt die Chanson-erprobte (aufgetreten in der Friedrichsbau-Revue „Déjà-vu“ von November 2005 bis Januar 2006) Konzert- und Opernstimme von Sandra Hartmann, die mit 23 (!) Liedern plus Zugabe nicht nur quantitativ ein riesiges Pensum zu bewältigen hat. Sie erreicht auch, dass eigentlich niemand auf die Idee kommt, direkte Vergleiche mit Hugo Wolf anzustellen, der auf Schumann aufbauend aus denselben Texten bereits Ende des 19. Jahrhunderts romantische, oft auch ironische und groteske Lieder formte. Sandra Hartmann betont durch den Einsatz eines Mikrofons die Nähe zum Chanson, steht auch weiter vom Flügel entfernt als bei klassischen Liedvorträgen üblich, verzichtet aber auf weitere Varieté-Stilmittel, versagt sich sogar einen Kostümwechsel in der Pause. Das ist eigentlich schade, denn etwas mehr Respektlosigkeit und Ironie gegenüber den Texten, die der Komponist Schindler ja durchaus aufgebracht hat, hätten auch der Gesangsinterpretation gut getan. Das meint man wenigstens, wenn man gleich nach der Pause Schillers Ballade „Der Handschuh“ oder Heines „Loreley“ hört, die beide in diese Richtung tendieren. Denn wenn man „Varieté“ mit Vielfalt gleichsetzt, liegt die Vielfalt dieses Programms im Nummerncharakter jedes einzelnen Liedes, in der Vielfalt der Stimmungen, die jedes der Ausgangsgedichte erzeugt, unterstützt von Klavierspiel und Gesang, aber auch in weiteren schauspielerischen Einfällen der Sängerin, und speziell hiervon hätte man Sandra Hartmann ein paar mehr gewünscht. Trotzdem: Die klare, warme, wandlungsfähige Stimme besticht. Viel Beifall.

     

    Die anderen beiden Programme im diesjährigen Sommervarieté ließen Überlegungen, warum sie wohl gerade hier stattfanden, erst gar nicht entstehen. Während der Fußball-WM präsentierten Topas & Roxanne, das magische Stuttgarter Paar, mit wechselnden, den Spielen angepassten Anfangszeiten (in der Regie von Eberhard Riese) ein „Best-of-Magie-und-Comedy-Programm mit ein paar Neuheiten: Topas zeigte sich in einem Medley zum Thema Bier als urkomischer Gesangs-Parodist, Roxanne verwandelte sich pantomimisch und unter Verwendung ihrer wunderschönen, langen Haare blitzschnell in verschiedene Frauentypen und Topas wiederum zertrümmerte ein Zuschauer-Handy, ließ es dann allerdings unversehrt aus einer geschlossenen Dose wieder erscheinen. Ein Teil der Stuttgarter Presse meinte den Rückgriff auf Bewährtes kritisieren zu müssen, so sehr hat das Paar sein Stuttgarter Publikum schon verwöhnt! Aber dieses Publikum freute sich, auch über bereits Gesehenes erneut staunen und lachen zu können, denn fast alle Nummern von Topas & Roxanne gewinnen, wenn man sie öfter sieht.

    Die Absolventenshow 2006 der staatlichen Artistenschule Berlin (korrekt, aber umständlich heißt die Schule seit einiger Zeit „Staatliche Ballettschule Berlin und Schule für Artistik“) stand heuer unter dem Motto „9 x Neu“. Verstärkt durch wenige Noch-Schüler und die Moderatorin Chantall, die einst selbst diese Schule absolvierte und jetzt als charmant-witzige „Conferöse“ mit Berliner oder genauer Kreuzberger Schnauze und als Model bei jedem Auftritt im neuen Outfit auch Stuttgarter Gemüter aus der Reserve zu locken vermag. Auch dann (oder gerade dann?), wenn sie, ihren Charme und ihr Temperament beibehaltend, etwas unter die Gürtellinie zielt – und dabei auch zu treffen pflegt. Solchermaßen verstärkt boten folgende Damen und Herren in der Reihenfolge ihres Auftretens ein buntes, fröhliches, leistungsstarkes Programm:

    Der gerade mal 17 Jahre junge Felix (Koch), noch im 3. Studienjahr, klassischer Tempojongleur aus Plauen mit Bällen, Ringen und Keulen – angesichts seiner Jugend und dem hohen Schwierigkeitsgrad darf schon noch ab und zu etwas herunterfallen–, Tanja Bieri aus der Schweiz am Vertikaltuch mit schönen Figuren und Abfallern in ihr Tuch, Jette (Henriette Ewert) von der Insel Rügen mit freistehender Leiter, Christoph Haese mit Kraft und Kontorsion am Trapez, Florian Zumkehr aus der Schweiz mit ausgereifter, begeisternder Handstandäquilibristik an und auf einem Stuhl, Paul Chen alias Paul Mattheß, nicht aus China, sondern aus Südhessen, 2-facher Weltmeister, mit dem Einrad auf Treppen, Podesten und auf dem Trampolin fahrend und springend, Marie Bitaróczky am Vertikal- und am Schwungseil und Nina & Nina (Nina Jäger und Nina Scheiblich). Sie verpacken ihre bemerkenswerte Hand-in-Hand Partner-Äquilibristik in eine etwas gewöhnungsbedürftige, vielleicht noch nicht ganz ausgereifte James Bond-Geschichte.

    Ich bin sicher: Die meisten dieser jungen Artisten werden wir bald wiedersehen, vielleicht sogar im Friedrichsbauvarieté.

    Aus Backnang sind noch die Preisträger vom Varieté-Festival 2006 nachzutragen, das bereits Mitte Mai an 3 Tagen im TraumZeit-Theater stattfand, und das in den (nicht in jedem Fall klar getrennten) Sparten Artistik, Magie, Entertainment, Jonglage, Comedy und Kabarett ausgetragen wurde. Die Preisträger wurden durch Publikumsabstimmung ermittelt:

    Artistik:

                1. Antje Pode (in eine Bahnhofsgeschichte verpackte Antipodennummer)

                2. Die Romanoffs (Stirnperche-Ring)

    Magie:

                1. Thomas Seiler,

                2. 2magic

    Entertainment:

    1. Extraart (Akrobatik, Pantomime, Jonglage)

                2. Pippo Azzurro (Sänger)

    Jonglage:

                1. Thomas Dietz

    2. Daniel Hochsteiner (beide Keulen, Ringe und Bälle, Hochsteiner noch zusätzlich Tennisschläger)

    Comedy und Kabarett:

    1. Sintez Buff (Clownerie)

                2. Frank Fischer (Kabarett)

                3. Théatro Mimo Magique (Pantomime)

     

    Wenn dieses Heft erscheint, sind im Backnanger TraumZeit-Theater das Herbst-Varieté „Extravaganzen“ und die große Zaubergala „Welt der Illusionen“ bereits vorbei. Vor dem Start des 4. Backnanger Weihnachtsvarietés am 24. November wird es aber noch den abendfüllenden Soloauftritt des österreichischen Magiers Ralf Rosln am 13. und 14.10. geben, an beiden Tagen und zusätzlich am 15.10. nachmittags auch das Kinderprogramm von Ralf Rosln.

    Im Friedrichsbauvarieté in Stuttgart ist bis 28. Oktober noch die Stuttgarter Version von „Zauber Zauber“ zu erleben mit Vik & Fabrini (Pantomimen), Jay Niemi (Zauberei mit Tauben und Papageien), Boiarinov (Clownerie als Dompteur), Jan Becker (Mentalmagie), Juliana Chen (Kartenmanipulationen in wechselnder Gestalt), Magic Wave (bis 30.9., magische Strandszene) und Junge Junge (ab 1.10., magisches Musical). Die Conférence hat bis zum 8.10. Philip Simon, danach ab 10.10. der ebenfalls zaubernde Charly Martin.

    Redaktion: Manfred Hilsenbeck

    AdNr:1069   

    2006-09-15 | Nr. 52 | Weitere Artikel von: Manfred Hilsenbeck





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