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    Spot an für Newcomer


    In Wiebelsum bei Emden sind die Menschen schweigsam, die Stiefmütterchen dankbar und die Krabbenkutter nicht fern. Trotzdem verließ Heiko Wohlgemuth seine ostfriesische Heimat und reiste - immer auf der Suche nach dem Glück - über New York und Las Vegas bis nach Hamburg. Dort, im Schmidt-Theater, präsentiert der 30-jährige Schauspieler und Sänger über seine gesammelten Glückserfahrungen ein erstes selbstgeschriebenes Comedy-Solo: "Wohlgemut". Der Name ist Programm. Seither wird der Charmante, zu dessen Qualitäten Singen und Bauchreden zählen, als einer der erfolgreichsten Newcomer gefeiert.

     Frl. Wommy WonderDas ist besonders erfreulich, weil Kabarett- und Comedy-Nachwuchs in Hamburg nicht häufig derart Furore macht. Wie ist es hier überhaupt um die junge Szene bestellt? TROTTOIR unternahm einen kleinen Zug durch die Gemeinde.

    Eines der wenigen großen, privatwirtschaftlich betriebenen Häuser, in denen auch Unbekannte auftreten können, ist das Schmidt: Dessen Mitternachts- und Tresenshows bieten immerhin unkomplizierte erste Chancen. Daneben brechen wenige kleine Stätten wie Hanne Moglers Foolsgarden eine Lanze für den Nachwuchs. Doch immer wieder sind es die teilweise trashigen Shows von Entertainern, die vor kurzem selbst noch zum Nachwuchs zählten, in denen hin und wieder Entdeckungen gemacht werden: Konrad Stöckels Side-Show etwa, nunmehr gelegentlich an der Wendenstraße, Kerim Pamuks und Sebastian Schnoys Catbird Comedy Show im goldbekHaus, Gunther Marks' Gaga-Show, neuerdings in der Motte in Ottensen.

    "Das Problem sind eigentlich nicht die Auftrittsmöglichkeiten", meint Stöckel, nach dessen Meinung sich eine Fülle von Jung-Talenten in der Stadt tummelt. "Wer frisch und trendy ist, findet massenhaft angesagte Bars, Lokale und Läden, in denen er sich produzieren kann - zum Beispiel die Duschbar in Altona oder das Filmhaus. Das Problem sind eher die ewigen 50-Euro-Jobs." Bedauerlich sei auch die Lage im Event-Bereich: "Agenturen buchen meist immer die selben alten Hasen und nehmen den Jungen so auch mal die Möglichkeit, Geld zu verdienen." Stöckel, auf der Bühne ein skurriler Zauber-Freak, ist dabei kein Freund der Talent-Förderung von oben: Er setzt extrem auf Eigeninitiative.

    Anders schätzt man die Lage im etablierten Alma Hoppes Lustspielhaus ein. "Quantitativ und qualitativ unheimlich wenig" Nachwuchs in Kabarett und Comedy" erkennt Nils Loenicker in seiner Heimatstadt. Für das Urgestein, seit 18 Jahren mit Jan-Peter Petersen das Duo Alma Hoppe und seit fast neun Jahren Lustspielhaus-Chef, existieren strukturelle Probleme: "Es gibt keine Brettl-Tradition." Dringend fehlten "kleine Lokale mit 80 bis 100 Plätzen, die dank Gastronomie-Einnahmen auch mal finanzielle Flops verkraften können." Zusammen mit dem künftigen Kammerspiele-Intendanten Dominique Horwitz planen Loenicker und Petersen deshalb, den dortigen Logensaal als Brettl zu nutzen.

    Mit seinem eigenen 350-Plätze-Lustspielhaus könne er zwar "keine Lösung bieten, aber nun immerhin ein Angebot machen". Und das sieht so aus: In der Reihe "Montags-Spot" präsentieren sich dort jetzt jeden letzten Montag im Monat Talente aus Kabarett, Musik und Comedy: Newcomer nicht nur aus Hamburg, die bereits Standing und Präsenz bewiesen haben müssen. Zusätzlich lockt ein "Star-Gast". Das Ganze wird organisiert und moderiert von Gunther Marks. Im September begann man verheißungsvoll mit drei Charakter-Typen: Neben Bernhard Hoeckers origineller Wandlungsfähigkeit u.a. mit "Hänsel und Gretel"-Variationen gefiel vor allem Kai-Magnus Sting: Die Hüsch-Entdeckung (24) brillierte bei seinen Männerproblemen dank altväterlichem Habitus und geistigem Schwung. Ebenfalls sehr viel versprechend: der in Berlin studierende Musik-Entertainer Bodo Wartke (25).

    Wartke, immerhin in Hamburg geboren, hatte genau eine Woche zuvor auf der selben Bühne schon einmal reüssiert: Bei der Hamburger Vorentscheidung für den "Jugend kulturell Förderpreis" 2002/3 der Vereins- und Westbank in der Sparte Kabarett (Endausscheidung im Februar ebenfalls im Lustspielhaus) begeisterten sein witzig-charmantes Klavier-Kabarett ("ich denke, also sing' ich"), eine Weiterentwicklung der 20er-Jahre-Tradition, Jury und Publikum gleichermaßen. Der Wettbewerb (Endausscheidung: 17. Februar in den Kammerspielen), der ursprünglich unter dem Motto "Der Norden lacht" gestanden hatte, wurde übrigens nach der Erstauswahl in fünf norddeutschen Bundesländern auf die gesamte Republik ausgedehnt: Die Bewerbungen seien quantitativ und qualitativ "eher mau" gewesen, sagt die Organisatorin Ilka Schulz.

    Auch die zehn Stadtteilkulturzentren wollen jetzt durch einem Wettbewerb Begabungen die notwendige Förderung zukommen lassen: Da das städtische Angebot vor allem an klassischen Kabarettisten "dünn" sei (goldbekHaus-Chef Peter Rautenberg), wurden Ende Januar 20 junge Comedians, Duos und Trios aus ganz Deutschland zum 1. Hamburger Cup of Comedy eingeladen. Aus Hamburg in der Hauptrunde um den mit 3.000 Euro dotierten Cup dabei: Martin Nie, Gunther Marks sowie die Gruppe Feen in Absinth.

    Eine junge Hamburgerin musste im Dezember 2001 übrigens an die Isar reisen, um ihr Talent würdigen zu lassen: Verena Unbehaun hatte in der Pasinger Fabrik den Münchner Kabarett-Kaktus in der Sparte Anfänger für ihr erstes Solo "Operette aus dem Gefangenenlager" erhalten. Die Vorliebe der ausgebildeten Schauspielerin (32) gehört skurrilen älteren Frauen: Deren explosive Mischung aus Verklemmtheit und Anarchie fasziniere sie, sagt die Künstlerin, die sich als Clownin mit psychologischem Blick auf unangepasste Innenwelten versteht.                                                                                                                  Ulrike Redaktion: Ulrike Cordes 

    AdNr:1082                                     

    2003-03-15 | Nr. 38 | Weitere Artikel von: Ulrike Cordes





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