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    Stuttgart und Berlin im Burlesque-Fieber

     

    von Manfred Hilsenbeck (Stuttgart) und Dietmar Winkler (Berlin)

    Gefeierte Premiere in Stuttgart – Verlängerung im Wintergarten Berlin wegen extremer Nachfrage und 99-prozentiger Auslastung (!): Das Burlesque-Fieber hat die Varietés Deutschlands erfasst. Dabei ist die Burlesque-Show nichts Neues. Im Gegenteil: Stammt sie doch aus einer Zeit, als erotische Momente im Varieté als einzigartige Momente in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden – im Gegensatz zum heute alltäglichen „Girl des Tages“ auf diversen Tageszeitungen ... Doch kommen wir zum Künstlerischen an der Burlesque-Show. „Ein typisches Merkmal von Burlesque-Künstlerinnen ist, dass sie selbstgeschaffene Kunstfiguren sind und niemals alle ihre raffinierten Hüllen fallen lassen. Harry KeatonEs geht um eine Art Voyeurismus, den die Künstlerinnen selbst bestimmen. Sie sind niemals Objekt, vielmehr starke Frauen, die selbstbewusst ihre Weiblichkeit und Erotik inszenieren und damit spielen. Immer mit einem Augenzwinkern, denn Burlesque ist Amüsement für Darsteller und Zuschauer“, so bringt es der Regisseur und künstlerische Leiter des Stuttgarter Friedrichbau Varietés, Ralph Sun, auf den Punkt. Wer dem Premierenbericht der Landesschau im regionalen Südwest-Fernsehen über die neue Burlesque-Show „Sugar-Blue“ an diesem Veranstaltungsort glaubt, erwartet ein mehr oder weniger künstlerisch angehauchtes Striptease-Programm, hat man doch ausschließlich Bilder der Burlesque-Tänzerinnen Amber Ray, Beatrix von Bourbon und Vivi Valentine gezeigt. Aber genau das ist „Sugar-Blue“ nicht. Der Unterschied liegt im Verlangen, das nie in Erfüllung geht ... und dazu gehört natürlich der gesamte Programmzusammenhang, „herausoperierte“ Bilder schöner Frauen allein reichen nicht. Zusätzlich wurden in dem erwähnten Fernsehbericht die anderen beiden Säulen von „Sugar-Blue“ unterschlagen: Die hinreißenden Auftritte der „Lords of Comedy“ Max Nix & Willi Widder Nix und die vorzüglichen Artisten: Paul Ponce (ein Jongleur, der seine Weltklasse zwar auch mit vielen Keulen, Bällen und Hüten unter Beweis stellt, der aber vor allem durch die Jonglage mit nur einem Requisit gleich zu Beginn seines ersten Auftritts bezaubert), die Strakhov Brothers (Hand-auf-Hand-Artistik vom Feinsten, humorvoll dargeboten in einer Art Gangster-Stil), Igor Boutorine (tempogeladener Tanz mit Hula-Hoop-Reifen) und Annabel Lee alias Ina Knobloch (eine tänzerische Studie am Luftring zum Gesang von Don Attilo). Begleitet wird die Show von der Band Triple Espresso mit Rockabilly und Swing.

    In Berlin brachte die DEAG im Wintergarten eine Produktion auf die Bühne, die sicher auch dazu dienen soll zu testen, ob eine Wiedereröffnung des Hauses möglich wäre: die New-Burlesque-Show „Black Flamingo“. Die Burlesque, entstanden im 19. Jahrhundert in England, hatte ihre Glanzzeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Als „New Burlesque“ erlebte sie eine Wiederauferstehung um 1990 in den USA, wo sich die Truppen an den früheren Burlesque-Stars wie Mae West oder Gypsy Rose Lee orientierten. „Black Flamingo“ knüpft an die klassische Burlesque unter Verwendung von Elementen der „New Burlesque“ an. Die ebenfalls von Ralph Sun inszenierte Show verbindet Musik, Tanz, Artistik und Comedy, eine dem neuen Burlesque-Stil durchaus adäquate Mischung. Das plüschige, in Rot gehaltene Bühnenbild ist stilgerecht; als Direktorin der bunten Truppe fungiert Miss Evi, die durchs Programm führt und zusammen mit ihrem Partner am Flügel als Evi und das Tier Chansons und gängige Titel der 20er-Jahre interpretiert. Akrobatisch ist das Programm gut besetzt, die Äquilibristin Margot (Marie-Marguerite Marcadé) zeigt einarmige Handstände auf Stützen, von Mikhail Stepanov kommt eine kraftvolle und trickreiche Strapatenarbeit. Und die auf dieser Bühne bekannten Strahlemann & Söhne mit ihrer Drei-Keulen-Jonglage, bei der sie sich aus- und wieder anziehen, finden immer ihr Publikum. Von einem der beiden werden die relativ selten zu sehenden Nanaischen Spiele vorgestellt, die dem Stil der Show entsprechend (dezent) erotisch eingefärbt sind. Eine sehr poetisch gestaltete Pantomime bringt der kleinwüchsige Oleg Dyachuk auf die Bühne. Ein Glücksgriff des Programms sind Strange Comedy (Shelly Mia Kastner und Jason McPherson) aus Kanada. Ihre Illusion mit einem zubeißenden Stofflöwen, sich verhakenden Ringen oder der Schwebe sind herrlich komisch – komisch auch, aber dabei akrobatisch anspruchsvoll die Rola-Arbeit mit Kautschuktricks und Handstand.

    Bei den Burlesque-Tänzerinnen gibt es eine Hommage von HoneyLulu an Dita von Teese, ein Milchbad in einer überdimensionalen Teetasse; Catherine D’Lish erscheint als Paradiesvogel und räkelt sich „entfedert“ im Vogelkäfig, Trixie Sparkle tritt als Queen und die Berliner Burlesque-Vertreterin Sandy Beach im Dirndl auf, während ihre Kolleginnen von den Teaserettes unter anderem am Spinnenetz turnen. Eine Damenkapelle namens Lizzy Mélon mit Drummer Michael Clifton begleitet alles perfekt und mit Spielfreunde. Die Show wurde bis zum 31.12. verlängert.

    Nonsenso Venezia

    AdNr:1032, AdNr:1051

    2009-12-15 | Nr. 65 |





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