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    "Spider" und die Feuerzangenbowle



    Rein zufällig mal wieder in die Friedenauer Kneipe „Straßenbahn“ reingeschaut an einem schon angebrochenen Samstagabend im Dezember. Die Kneipe ist wie immer gut belegt, auf der Bühne steht ein großer Topf. Aha. Feuerzangenbowle. Und aha, daneben sitzt ein Mann. Aber das ist doch… „Spider“! den ich seit einiger Zeit schon mal erleben wollte. Immer verpasst. Jetzt endlich. Gerade ist erste Pause.

    artbild_Andreas_Spider_KrenDer 1971 in Ost-Berlin geborene Andreas „Spider“ Krenzke gründete 1996 die Berliner Lesebühne Supernova, die später Ein Kessel Buntes heißt und heute unter dem Namen LSD – Liebe statt Drogen bekannt ist und war bis 2009 auch festes Mitglied der Lesebühne Die Surfpoeten. Mit seinem Kollegen und Lesebühnenpoet Ahne ist Spider Initiator der regelmäßig am 2. Mai in Berlin stattfindenden Demonstration anlässlich des Internationalen Kampf- und Feiertages der Arbeitslosen. Sein passendes Hörbuch „Im Arbeitslosenpark“ veröffentlichte er vor einigen Jahren.

    Die „Straßenbahn“, die ihre Trinkgelder gemeinnützigen Vereinen und Organisationen spendet und seit den 70iger Jahren als Kollektiv arbeitet, darf wegen Beschwerden von Nachbarn keine regelmäßigen Veranstaltungen mehr organisieren, vor allem keine Musikveranstaltungen mehr. Aber Spider ist keine Veranstaltung. Er ist einfach mal vorbei gekommen und trinkt Feuerzangenbowle. Hat die Ruhe weg. Sitzt da allein oben auf der Bühne, guckt ab und zu amüsiert ins Publikum. Dann raschelt er mit seinen Blättern, neigt sich zum Mikro. Die Pause ist vorbei Und los geht’s.

    Spider ist ein klasse Vorleser. Obwohl er nicht laut liest, ist es schnell still in der Kneipe. Spider spinnt wahnwitzige Geschichten, die erstmal ganz normal klingen, und dann immer mehr ins Absurde driften. Er spinnt rum, aber wohlorganisiert. Erzählt von Babyklappen, in die man an manchen Tagen selbst gern einstiegen würde – oh wie wahr - wie die Klavierüberei der Nachbarin von nebenan Einfluss nimmt auf seinen Text, der in einer Gewaltorgie endet, weil der Autor immer wieder neu ansetzen muss und schließlich die Geduld verliert. Mit lakonischem Humor erschafft er seltsame Welten, die er mit einer so unerschütterbaren Ruhe vorträgt, dass sie einem in ihrer ganzen Absurdität doch wahrhaftig vorkommen. 

    In der zweiten Pause steht Spider dann ganz gemütlich auf, er ist ja ein Riese - und holt sich ein Bier an der Theke. Quatscht ein bisschen mit den Leuten vom Kneipenkollektiv. Ein paar Leute sind gegangen,  langsam werden wir müde, aber als Spider fragt, „Na soll ich noch was lesen?“, wollen wir alle. Er erzählt noch ein paar letzte Geschichten, meine Aufmerksamkeit schwindet langsam, ich bekomme noch  nicht, dass es um Frauen und Kinder geht, die nerven – könnte man die nicht einfach bei Ikea vergessen oder auch vielleicht die Babyklappe?

    Dann ist der Abend beendet, es ist so, als würde ich Spider schon lange kennen, so viele seiner Alltagsbeobachtungen kamen mir vertraut vor. Und ich denke: den will ich wieder hören. Kann ich auch, muss mir nur seine Hörbücher besorgen: die neueste zum Beispiel „Die letzte WG von Prenzlauer Berg“ oder ihm demnächst wieder mal auf einer Berliner Bühne zuhören. Im Kookaburra oder im Mehringhoftheater zum Beispiel, da tritt er demnächst wieder auf.

    Redaktion: Katrin Schielke

    2016-12-26 | Nr. 94 | Weitere Artikel von: Katrin Schielke





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