Alles neu macht der Mai. Vor allem in Deutschland ändert sich viel: Neues Jahrtausend, neue Hauptstadt, neues Geld, neue Mitte, neue Regierung, neuer Finanzminister... Aber immerhin, es gibt auch Bewährtes: Der alte Schwachsinn beispielsweise bleibt. Wer so spricht, der muss es wissen. Es ist der deutsche Politkabarettist Volker Pispers, der das Schweizer Satire-Festival am 26. Mai mit seinem neuen Programm „Damit müssen Sie rechnen“ eröffnet. Es ist für deutsche Kabarettisten immer wieder erstaunlich, wieviel die Schweizer über die deutsche Politik wissen. Ein Grund sind sicher all die vielen deutschen Fernsehkanäle, welche in der Schweiz eine deutliche Vormachtstellung haben (während der eidgenössische Hotelgast in deutschen Landen zumeist auf seinen Heimatsender verzichten muss). Zum anderen aber werden die Debatten des National- und des Ständerates in der Schweiz nicht übertragen. Und die Diskussionen im Bundestag sind für Schweizer allemal viel interessanter, weil man dort eine viel feinere Klinge führt, was Sprachwitz anbelangt. Man getraut sich dort noch Dinge zu sagen, welche in Helvetien eher unter „Peinlichkeiten“ abgebucht würden. Man frönt also dem Voyeurismus. Ist ja nicht so schlimm, betrifft uns ja nicht.
Doch zurück zum Kabarett: Es ist den Organisatoren gelungen, Oesterreichs wohl bekanntesten und härtesten Kabarettisten Josef Hader zu verpflichten. Er zeigt am 27. Mai sein aktuelles neues Programm „Privat“, in dem er zuerst recht harmlos aus seiner Kindheit auf dem Lande erzählt, von seinen progressiven Eltern und den Pädagogen aus der 68er-Generation. Dann beginnt er aber immer mehr satirische Seitenhiebe auszuteilen, bis er schliesslich gekonnt ins absurd-skurrile menschliche Dasein hinein leuchtet, so dass es manch einem schwindlig werden könnte.
Äusserst interessant dürfte auch der Freitagabend wiederum werden: Zwei Kabarettistinnen aus Deutschland und ein Ensemble aus der Schweiz zeigen die besten Sequenzen aus ihren Programmen: Petra Förster kämpft „mit den Waffeln einer Frau“ gegen die Alpträume und Abenteuer des Alltags. Der feministische Elan ist immer wieder auch mit einer gehörigen Portion Selbstironie durchsetzt. Ihre Geschlechtsgenossinnen werden also keineswegs ausgenommen, wenn sie provokativ und sprachgewandt die verschiedensten Charaktere auf die Bühne bringt. Rosa K. Wirtz, gekrönt mit dem Deutschen Kleinkunstpreis, krönt sich auch selbst. In ihrem neuen Programm ist sie „Frau König“. Ihr Ringen um majestätisches Handeln illustriert sie augenzwinkernd charmant mit fein ziselierten Texten, witziger Ironie und den komischsten Verkleidungen. Und schliesslich sind an diesem Abend noch die Schweizer Senkrechtstarter Andreas Thiel und Jean-Claude Sassine zu sehen, welche im Juni gleich mit ihrem ersten Programm den „Salzburger Stier“ erhalten. Sie spielen, ja zelebrieren sich selber als zwei vom rechten Weg abgekommene Neo-Dandys. Absurdeste und hintersinnigste Philosophistereien garnieren sie absolut gekonnt mit Spitzfindigkeiten der sehr persönlichen Art. Die beiden sind ein Versprechen für die Zukunft.
Einen der besten rheinländischen Kabarettisten mit seinen zwei Musikern darf man am Samstag auf der Bühne des Oltner Stadttheaters geniessen. Konrad Beikircher ist gebürtiger Südtiroler. Und seine engere Heimat, seine Jugend, seine Schulzeit macht er zum Inhalt seines musikalischen Kabarettprogrammes „Notti e Poesia“, das charmanter und liebenswürdiger nicht daher kommen könnte. Die Feinheiten seines Humors entspringen mediterraner Daseinsheiterkeit. Nicht nur als sprachgewandter Kabarettist, sondern auch als Cantautore ist er eine Entdeckung – ein absolutes Muss an diesen Cabaret-Tagen!
Das erste dreisprachige Programm ist am Sonntag, 30. Mai, um 11 Uhr im Konzertsaal Olten zu einem ausgiebigen Brunch zu geniessen: Franz Hohler sinniert mit seinen Musikerfreunden Michel Buhler (Romandie, französisch) und Marco Zappa (Tessin, italienisch) über das Thema „Schweizer sein“.
Der Sonntag Abend gehört dem Preisträger des CORNICHON ’99, dem Zuger Kabarettisten Osy Zimmermann. Sein neues Programm ist ein echtes „Wunschkonzert“, in dem das Publikum den Verlauf und den Inhalt des Abends selber bestimmt. Und natürlich darf man die gewünschten Nummern ungeniert jemandem widmen... Als schillernder Farbtupfer in der Schweizer Kleinkunstszene versteht es Osy Zimmermann hervorragend, zwischen verschiedensten Stilen und Genres seine Wandlungsfähigkeit einzusetzen.
Mit ihm zusammen erhalten zwei Radiomoderatoren einen Spezialpreis für die Förderung des Kabaretts: Peter Bissegger (Präsident der Kleintheatervereinigung) und Benno Kälin (Jurymitglied des Deutschen Kleinkunstpreises). Ihre vielbeachtete Sendung auf Radio DRS 1 heisst „Spasspartout“ und ist jeweils am Mittwoch Abend ab 20 Uhr zu hören.
Ja, und schliesslich gibt es da noch die „kleinsten Bühne der Welt“. Vom Stadtturm auf dem Ildefonsplatz treten Kerstin Müller-Schult und andere Kabarettist(-inn)en als moderne Eulenspiegel gegen den Zeitgeist an und kommentiert in einigen Metern Höhe aus einem kaum einen Quadratmeter grossen Korb spöttisch den Lauf der Welt.
Informationen erhält man über die Gesellschaft OLTNER CABARET-TAGE, Peter Niklaus, Schöngrundstrasse 64, 4600 Olten, Tel. 0041 62 212 51 01, Fax 0041 62 212 38 55 oder übers Internet: www.kabarett.ch
1999-06-15 | Nr. 23 |