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    13. Weltfestival der Figuren und Marionetten

    Charleville-Mézieres, die kleine Stadt in den französischen Ardennen und Sitz des internationalen Marionetten-Theater-Instituts war zum 13. Mal Veranstalter des Weltfestivals des Figuren- und Marionettenspiels. Oft wird ja ein Festival schon als international beschrieben, wenn nur zwei bis drei  Länder dabei waren – in Charleville waren im September Gruppen und Künstler aus der gesamten Welt zu Gast. Und daher findet dieses tatsächlich weltweite Festival auch nur alle drei Jahre statt. Mit einem Budget von 2 Millionen Euro, 135 Gruppen und Künstlern im offiziellen Programm und rund 70 Gruppen und Künstlern im "Off-Programm" auf 100 verschiedenen Bühnen, Plätzen und Straßen wurde an elf  Tagen (vom 19.-28.09.03) ein Querschnitt durch alle Formen des Figuren-, Marionetten-, Masken- und Bewegungstheaters gezeigt. Ein Programmbuch mit rund 220 Seiten versuchte einen Überblick zumindest für den offiziellen Programmteil zu präsentieren. Aber neben der Masse war vor allem die Klasse der dargebotenen Stücke beeindruckend. Die Gruppe Baruti aus Athen spielte das Stück "Das Geheimnis des Orients" – ein Stabmarionettenspiel, in dem ein junger Mann die Wüste durchquert auf der Suche nach der Weisheit und dabei Menschen, Tiere und Pflanzen kennenlernt, die ihm ihre Sicht des Lebens erklären. Wunderschöne Marionetten mit asiatischen Gewändern standen im Mittelpunkt bei den Mandalay Marionetten aus Birma. Das asiatische Marionettenspiel ist gekennzeichnet durch viele typische Figuren (Drachen, Könige, Krieger, Tänzer und Tänzerinnen), die meist begleitet werden von einem Live-Orchester neben der Bühne. Zu der Musik von Trommeln, verschiedenen Blasinstrumenten und teilweise auch einem Live-Gesang bot das       

    30-köpfige Spieler-Ensemble aus Birma, die zur Zeit auf Welttournee sind und vorher einige Tage in Paris gepielt hatten, eine beeindruckende Performance.

    Das Teatro dei Piedi von Laura Kibel aus Italien, das beim int. Puppenfestival "Synergura" in Erfurt den 1. Platz belegte, präsentierte, wie der Name schon sagt, Figurentheater mit Ganzkörper-Einsatz: Was eben noch ein nackter Fuß, ein Bein oder Knie von Laura Kibel war, verwandelt sich vor den Augen des Publikums mit falscher Nase, Mütze und Kostüm zu Figuren, die Geschichten erzählen. Kibel setzt dabei nicht nur auf den Effekt mit dem Körper zu spielen, sondern scheut auch nicht politische Themen wie Fremdenhass, Frauendiskriminierung oder Unterschiede bei den Religionen. Damit erspielte sie sich ein begeistertes Publikum in Frankreich. - Ungewöhnlich für Augen und Ohren ist sicher auch das Spiel des Marionettentheaters von Ischwar Mathur und Harji Bhat aus Rajasthan/Indien. Die rund 50cm hohen farbenprächtigen Figuren spielten Alltagsszenen aus Indien zu Live-Musik und wurden zur großen Überraschung der europäischen Zuschauer in einigen Szenen von der indischen Tänzerin Shanti begleitet.

    Aus Deutschland waren u.a. Iris Meinhardt, das Theater Hille Pupille und Ilka Schönbein aus Berlin mit ihrer Premiere des Stückes "Winterreise" zu Gast. Schönbein spielt darin mit Masken, die ihrem Wesen auf der Bühne bizarre, groteske Züge verleihen und wird begleitet von Counter -Tenor Christian Ilg,  und Rudi Meier am Akkordeon mit Musikstücken aus Franz Schuberts klassischer Winterreise. Das französische Publikum liebt die Stücke von Ilka Schönbein, weil sie eine Schauspielerin ist, die die Grenzen des Lebens den Übergang zum Tod – Schönes und Nachdenkliches in ihren Stücken zum Ausdruck bringt. Dabei verwendet sie oft ungewöhnliche Mittel wie doppelte Figuren, Masken und Accessoires, so dass der Eindruck entsteht, es sei hier mehr als nur eine Darstellerin auf der Bühne. Schade, dass wir sie selten in Deutschland sehen. Neben den Bühnenstücken wurde auch ein umfangreiches Straßentheater-Programm präsentiert. Bereits von vielen deutschen Festivals bekannt, spielte das Théatre de la Toupine sein erfolgreiches Stück "La vache – die Kuh". Die Toupines hatten darüberhinaus ein eigenes Festivalzelt mit Restauration aufgebaut, das zu einem gemütlichen Treffpunkt auf dem Festival wurde. Dort wurden auch die anderen Stücke wie "Rigobert" – ein Puppenstück für Kinder sowie die Produktionen "Cocou Bégru!" und "Felicia Catus" für die Straße gezeigt. Höhepunkt der Outdoor-Programme war die große Platzinszenierung von Les Plasticiens Volants aus Graulhet / Frankreich. In ihrem Stück "Simurgh" geht es - wie so oft - um den Kampf zwischen Gut und Böse. 30m hohe, mit Helium gefüllte Figuren bewegten sich über den Köpfen der Zuschauer und spielten auch teilweise über den Dächern der Stadt. Begleitet wurde die Inszenierzung von einem musikalischen Walkact, der auf einem Karussell seine Instrumente und Spieler durch die Zuschauermenge steuerte. Das Flair dieses Festivals entwickelt sich nicht nur durch die Vielseitigkeit der dargebotenen Stücke, sondern auch durch die Mitwirkung der ganzen Stadt und Region. So nahmen fast alle Geschäfte der Stadt in ihren Schaufenstern Bezug auf das Marionetten-Festival und präsentierten selbstgebaute Marionetten (beim Bäcker aus Zuckerguß – bei der Boutique aus Stoffen – beim Restaurant aus Küchen-Utensilien). Auch die Betreuung der Künstler und der Zuschauer an den 40 verschiedenen Veranstaltungsorten (vom Theater über die Sporthalle bis zur Bühne im Kino) wurde überwiegend ehrenamtlich von den darin tätigen Leuten (Stichwort freundliche  Hausmeister!) mit viel Geduld und Engagement für die Zuschauermassen gemeistert. Da meist mehr Zuschauer kamen als Plätze zur Verfügung standen, wurde improvisert und Alles möglich gemacht, um die Vorstellung zu einem schönen Erlebnis für jeden werden zu lassen – was auch absolut gelungen ist. Insgesamt kann man sagen, dass sich das Festival in dem kleinen Ardennen-Städtchen trotz des enormen Aufwands sehr familiär und freundlich präsentierte. Die Spieler auf der Straße strahlten auf die meisten Besucher eine ruhige und aufmerksame Atmosphäre aus, bei der sogar poetische Momente auf einer Straßenkreuzung nicht zu kurz kamen... - Charleville freut sich schon jetzt auf die Gäste des 14. Festivals und lädt alle Interessierten herzlich ein, sich für 2006 zu bewerben.

    Kontakt: Festival Mondiales des Théatres de Marionettes, Christophe Milhau, BP 249, F-08103 Charleville-Mézières, Tel.: 0033-3-24 59 94 94, Fax: 0033-3-24 56 05 10, www.marionettes.com.                  

    2003-12-15 | Nr. 41 |





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