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    14. Weltfestival der Figuren und Marionetten

    Charleville-Mézières, die kleine Stadt in den französischen Ardennen und Sitz des internationalen Marionetten-Theater-Instituts, war zum 14. Mal Veranstaltungsort für das Weltfestival des Figuren- und Marionettenspiels. Oft wird ja ein Festival schon als international beschrieben, wenn nur zwei bis drei Länder dabei sind – in Charleville waren im September Gruppen und Künstler aus der gesamten Welt zu Gast. Und deshalb findet dieses tatsächlich weltumspannende Festival auch nur alle drei Jahre statt. Mit einem Budget von zwei Millionen Euro, 167 Gruppen und Künstlern im offiziellen Programm und rund 70 Gruppen und Künstlern im „Off-Programm“ auf 100 verschiedenen Bühnen, Plätzen und Straßen wurde an zehn Tagen (vom 15. bis 24.09.06) ein Querschnitt durch alle Formen des Figuren-, Marionetten-, Masken- und Bewegungstheaters gezeigt. Ein Programmbuch mit rund 230 Seiten versuchte einen Überblick zumindest für den offiziellen Programmteil zu präsentieren. Aber neben der Masse war vor allem die Klasse der dargebotenen Stücke beeindruckend.

    LEJO aus den Niederlanden (www.lejo.nl), gespielt von Leo Petersen, zeigte, wie man mit einfachsten Mitteln (zum Bespiel zwei Holzkugeln und den Fingern) Figuren entstehen lässt und Geschichten erzählen kann. Petersen kreiert ein wunderschönes Spiel, ohne Text, nur musikalisch untermalt, an dem das Publikum, ob jung oder alt, seine helle Freude hat. Ebenfalls aus den Niederlanden kam eines der Highlights des Festivals: das Stuffed Puppet Theatre. Wir sahen die Produktion Vampyr morgens um 10.00 Uhr in einer Turnhalle. Und selbst dort wurde es schnell fesselnd. Die Geschichte des kleinen Vampirs, der gegen seinen Willen zum Blutsauger wird, ist anrührend und natürlich auch gruselig. Aus Dänemark war das Theater Sofiekrog mit dem Stück „The Professor and Eddy“ zu Gast, eine abgewandelte Version des Phantoms der Oper: In einem alten Theater verzaubert die berühmte Diva ihr Publikum mit ihrem Gesang, während im Keller ein Professor nach dem Elixier des perfekten Körpers sucht und sein Assistent durch einen Raub das Leben aller durcheinanderbringt ... – Sofie Krog ist im Bewegungstheater ausgebildete Schauspielerin, sie zeichnet sich durch eine wunderbare Ironie aus. Das Théatre de la Toupine spielte sein bereits von vielen deutschen Festivals bekanntes und erfolgreiches Stück „La vache – die Kuh“. Die Toupines hatten darüber hinaus ein eigenes Zelt mit Restauration aufgebaut, das zu einem gemütlichen Treffpunkt auf dem Festival wurde. Dort spielten auf einer eigenen Freiluft-Bühne zahlreiche Künstler und Gruppen ein tägliches, dichtes Off-Programm bis weit nach Mitternacht. Ein Festival im Festival sozusagen. Highlight war hier zweifellos die total abgefahrene Show des Tony Clifton Circus (www.tonycliftoncircus.com) aus Italien. Für die Gewinner des Wettbewerbs „Arts de Carrer di Barcelona“ 2003 in Spanien und Teilnehmer an internationalen Festivals in Spanien, Österreich, Kroatien, Bosnien-Herzegovina und Frankreich wird es höchste Zeit, dass sie nach Deutschland kommen. Der „Zirkus der Anomalitäten“ wird von den beiden Komikern Nicola Danesi de Luca und Iacopo Fulgi geleitet, die so unterschiedlich wie nur möglich auftreten: Nicola ist kopflastig, versucht rationell zu sein, politisch bewusst ... er liebt Wörter, liebt den Klang und Sinn eines Wortes. Auf der Bühne singt er am liebsten. Iacopo dagegen ist körperlich orientiert, Sklave seines Triebes, handelt absichtlich unbewusst, weil er dem normalen Verhaltenskodex kein Vertrauen schenkt, ist unmoralisch ... tanzt und schwitzt. Komplettiert werden die beiden von Enzo Palazzoni, einem leidenschaftlich-wilden Gitarristen, der sich gut in den Komikteil der Gruppe einfügt. Auf der Bühne versuchen sie das Seltsame, das Anomale in Szene zu setzen; sie lieben es, die Zuschauer zum Lachen zu bringen, lieben es aber noch mehr, wenn diesen dann das Lachen im Halse stecken bleibt. Ihre Show erinnert an Leo Bassi – experimentelle und extreme Komik, oder, besser gesagt, komische Hardcore-Comedy mit explodierenden Barbie-Puppen, Nutella-fressenden Bären und einem elementaren Schwachsinn, der sich mit der feinen Eleganz der Poesie vermischt: Das Publikum kam bei dieser Musik-Klamauk-Puppen-Chaos-Show voll auf seine Kosten!

    Die große Bandbreite an teilnehmenden Künstlern und deren Produktionen macht das Festival in Charleville weltweit einzigartig. Trotz der Massen, die täglich die Stadt eroberten, schufen die Spieler auf der Straße eine ruhige und aufmerksame Atmosphäre, bei der sogar poetische Momente auf einer Straßenkreuzung nicht zu kurz kamen.

    Charleville kann sich rühmen, ein wirkliches Weltfestival zu veranstalten, und freut sich schon jetzt auf die Gäste der 15. Auflage. Alle Interessierten sind herzlich dazu eingeladen, sich für 2009 zu bewerben.

    Kontakt: Festival Mondiales des Théatres de Marionettes, BP 249, F-08103 Charleville-Mézières, Tel. 0033-3-24 59 94 94, Fax 0033-3-24 56 05 10, www.festival-marionette.com.

    2006-12-15 | Nr. 53 |





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