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  • Themen-Fokus :: Zauberkunst

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    30 Jahre Andino – Jubiläumsgala und Ausstellung

    Zu seinem 30-jährigen Bühnenjubiläum hatte sich Zauberphilosoph ANDINO (Dr. Andreas Michel) etwas Besonderes einfallen lassen: Der Koblenzer Zauberkünstler mit dem intelligenten Wortwitz und den Erklärungen zur Philosophie lud einige Künstler ein, mit denen er in dieser Zeit zusammenarbeiten durfte. Zu Gast waren die Musiker Vladimir Aristov (klassische Gitarre), Bieno (Piano) und das Shamrock-Duo (Irish Folk) sowie die Zauberkünstler Juri Obrezkov (Moskau) und Ernst Höfling (München), der bereits vor mehr als 20 Jahren gemeinsam mit Andino in der Kulturfabrik aufgetreten war.

    Auch die Einnahmen dieser November-Veranstaltung kamen – wie bereits in den vielen Jahren zuvor – der evangelischen Flüchtlingshilfe Koblenz zugute. Alle Beteiligten traten ohne Gage auf. Andino glänzte ebenso in alten Klassikern, wie der „Bämbel-Nummer“ mit philosophischen Erläuterungen, als auch in Ausschnitten aus seinem neuen Programm „Saitenzauber“ mit Gitarre und Piano.

    Zuvor bereits fand unter dem Titel „Zauberkunst und Zeitgeschichte“ eine Ausstellung statt, organisiert von Andino im Bundesarchiv Koblenz. Er stellte dafür 26 Plakate aus seiner Sammlung zur Verfügung, die Zauberer von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte der 90er-Jahre des 20 Jahrhunderts zeigen. Da die „Kunst der Illusion nicht im luftleeren Raum schweben soll“, wie die Veranstalter schreiben, stellte das Bundesarchiv 34 seiner Exponate aus eben jener Zeit zur Verfügung, sodass eine interessante Abfolge von Zauberplakaten und politischen Plakaten der jeweiligen Zeitabschnitte entstand.

    So hängt denn das Plakat „Nie wieder Krieg“ aus dem Jahre 1920 neben dem Lagerlitho, das fast alle Requisiten zeigt, die ein Zauberkünstler jener Zeit verwendete und als Vorlage für Künstler diente, die sich kein eigenes Plakat leisten konnten. Oder man sieht das Plakat „FDJ. Jugend, die Heimat ruft Dich“, und daneben die Zauberplakate von Kassner, Melachini-Calegari etc. Und da stellt sich die Frage: Was hat Zauberkunst mit der jeweiligen gesellschaftlich-politischen Situation zu tun? Spiegelt sich davon etwas in ihren Plakaten über die Form der Gestaltung hinaus, oder wenigstens in ihren Shows? Hiervon ist jedoch wenig zu merken. Gewiss, man erfährt etwas über die zumindest nicht ganz eindeutige Rolle Kalanags im Nationalsozialismus und das wohl von ihm initiierte Berufsverbot Marvellis durch Ausschluss aus dem Magischen Zirkel. Am eindeutigsten ist da noch das Plakat des 1990 verstorbenen Patrick, „Vorsicht Manipulation“, der Zauberkunst mit politischem Kabarett verband. Oder das Plakat für die Veranstaltung „Varieté für Vernunft“, in der 1995 Künstler ein Zeichen gegen Fremdenhass setzten. Betrachtet man die Plakate im Zusammenspiel mit den politischen Plakaten, so scheint sich die Zauberkunst doch im luftleeren Raum zu bewegen.

    Eine ganz andere Note hätte die Ausstellung bekommen, wenn Plakate (oder zumindest andere Zeugnisse) ausgestellt bzw. verfügbar gewesen wären, die jüdische Zauberer zeigen. Diese erinnern daran (wenn auch nicht unbedingt in den Plakaten, so doch durch die damit verbundenen Lebensgeschichten), wie sehr auch Zauberer durch die Zeitgeschichte betroffen sind. So zeigt es das Beispiel Larettes, der sich 1943 in Amsterdam angesichts eines Besuchs der Gestapo das Leben nahm, oder Nivelli, der dank seiner Zauberei Auschwitz überlebte und später in die USA emigrierte.

    Vielleicht sind Zauberplakate alleine nicht ausreichend, um das Spannungsverhältnis zur Zeitgeschichte deutlich zu machen. Denn Zauberkunst ist, wie jede andere Kunst auch, immer eingebettet in die jeweiligen Verhältnisse. Manche Zauberer ließen sich sogar von der Politik einspannen. So z. B. Robert-Houdin, von dem berichtet wird, dass er einen Aufstand gegen die Franzosen durch einen Trick beendete, oder Jasper Maskelyne, „The War Magician“, der England im Zweiten Weltkrieg mit Tricks unterstützte.

    Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen meint aber nicht, danach zu fragen, was man heute vielleicht nicht mehr vorführen kann – beispielsweise Tricks mit Zigaretten oder Tieren. Oder, wie schon bei Robert-Houdin, der Einsatz moderner Technik – Tricks mit Handys und Laptops scheinen en vogue zu sein. Sondern es bedeutet zu fragen, wo sich Zauberkunst im Rahmen der (Unterhaltungs-)Kultur positioniert. Bedient sie nur die Bedürfnisse nach „Brot und Spielen“ oder ist sie ein Vor-Schein eines Besseren, einer anderen Wirklichkeit? Wenn diese Auseinandersetzung stattfinden würde, käme der Zauberkunst auch der Platz im Orchester der anderen Künste zu, der ihr eigentlich gebührt. Ich bin skeptisch, ob die Beleuchtung des Verhältnisses zwischen Zauberkunst und Zeitgeschichte durch die so ambitioniert angekündigte Ausstellung gelungen ist. Es bleibt zu wünschen, dass durch weitere Veranstaltungen und Informationen eine Diskussion in Gang kommt. Der erste Schritt ist getan. Dafür gebührt den Veranstaltern ein großes Lob.

    Zauberkunst in Tarnung oder: Reicht es noch, nur ein Zauberer zu sein? Gedanken zum Solo von Desimo in „Lass es uns tun!“

    Desimo ist ein Zauberkünstler. Aber er ist „mehr“ als das: Comedian, Kabarettist, schlichtweg ein hervorragender Entertainer. Doch das Kernstück seines sehenswerten Solos „Lass es uns tun!“ ist die Zauberei. Aber das merkt man erst, wenn man die Vorstellung besucht. Im Kölner Atelier Theater, geleitet von der sympathischen Rosa Wirtz, gastierte er im Juli und wieder im September. Weder er noch das Theater warben damit, dass da ein preisgekrönter Zauberkünstler auftritt. Und das ist eigentlich schade. Denn das, was Desimo „mehr“ macht als nur zaubern, das gehört zur Zauberkunst, ist ein wesentlicher Bestandteil von ihr. Wenn einem Zuschauer Münzen aus seinem Sparstrumpf verschwinden und dies eingebettet ist in die aktuelle Finanzpolitik, Wasser erscheint und damit Bezug genommen wird auf einen aktuellen Film, eine Persiflage erfolgt auf Dauerwerbesendungen, dann ist das nicht mehr oder nichts anderes als einfach nur gut in Szene gesetzte Zauberkunst, die dem Stil des Künstlers entspricht.

    Wenn man ein solches Solo sieht – und Desimo ist da kein Einzelfall – fragt man sich: Ist die Zauberkunst weiter entwickelt als die Bilder, die so mancher Veranstalter noch im Kopf hat? Müssen wir uns deshalb verstecken, um in Kleinkunsttheatern spielen zu dürfen?

    Redaktion: Klaus-Peter Pfeiffer

     

    Termine ab Januar 2007

    69. MZvD Zauberbörse 6.1. Stadthalle Sindelfingen (info@magic-stuttgart.de)

    70. MZvD Zauberbörse 14.1. Essen (grabi.muc@t-online.de)

    (weitere Börsen und Termine unter www.mzvd.de)

    19.01. Ken Bardowicks „Ich lüge Dich“, Voraufführung Dietersheim (www.altheimer-zauberkeller.de)

    21.01. Desimo SOLO „Lass es uns tun!“, Bonn

    24.01. Ken Bardowicks „Ich lüge Dich“, Voraufführung Mönchengladbach (www.die-spindel.de)

    26./27.01. SOLO K. P. Pfeiffer „Philosophen küsst man nicht“, Stollwerck Köln (http://www.buergerhausstollwerck.de)

    26.01. Ken Bardowicks „Ich lüge Dich“ PREMIERE, Heidelberg, Nürnberger Burgtheater

    05.02. Desimo SOLO „Lass es uns tun!“ Hannover, Apollo Theater

    02.03. Desimo SOLO „Lass es uns tun!“, Lüdenscheid, Kulturhaus

    2.3.–3.3. 8. Jimmy Bix Magic Day, Wien (www.jimmybix.at)

    13.04.–15.04. Kongress der Zauberer, 25 Jahre Magische Nordlichter e. V. (www.magische-nordlichter.de)

    18.03. SOLO K. P. Pfeiffer „Philosophen küsst man nicht“, Remscheid, Rotationstheater, (www.rotationstheater.de)

     

     

    2006-12-15 | Nr. 53 | Weitere Artikel von: Klaus-Peter Pfeiffer





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