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    Aktuelle Kritik - Ein Wolf ist kein Veganer

    Puppentheater Marianne Schoppan zeigt „Die drei Schweinchen“

    artbild_300_Marianne_SchoppKASSEL  Seit dreißig Jahren macht Marianne Schoppan in Kassel Figurentheater für Kinder. Viele der erwachsenen Bezugspersonen, die ihren Nachwuchs derzeit zu „Die drei Schweinchen“ begleiten, das neue Stück, das im Dock 4 Premiere feierte, sind dereinst, an der Hand der eigenen Eltern, als „Zielgruppe“ bei ihr zu Gast gewesen. Jetzt ist es oft so, dass gleich drei Generationen ihre schnörkellos poetischen, scheinbar simpel erzählten, doch vor verdeckten Raffinessen schier strotzenden Inszenierungen goutieren. „Die drei Schweinchen“ – das kennt man. Man kennt es aus dem englischen Original: Ein Ferkeltrio, das aus dem mütterlichen Schweinestall in die weite Welt zieht, baut „Immobilien“ unterschiedlicher Stabilität, und nur eine davon hält dem Zugriff des Wolfs stand. Die Inhaber der anderen landen im Bauch des gierigen Fleischfressers. Man kennt es aus dem berühmten Disney-Kurzfilm von 1933: Drei Brüder, zwei davon unbekümmerte Musikanten mit Flöte und Fiedel, der dritte ein solider Schufter, der erst die Tasten des Klaviers anschlägt, als fertig gemauert ist, Schaffe, schaffe, Häusle baue. Immerhin bewirkt der tüchtige Häuslebauer, dass auch seine Geschwister überleben.

    Schoppans Fassung kommt gänzlich ohne moralinsaure Belehrungen aus. Sie präsentiert auf ihrer offenen Tischbühne drei unbekümmerte Ferkel, zwei Jungs und, das ist neu, ein Mädchen, die offensichtlich groß, wenn vielleicht auch noch nicht ganz reif genug sind, den engen mütterlichen Schweinestall zu verlassen. Max weist die typischen großmäuligen Ältestenallüren auf, Toni die eines verträumten Nachzüglers. Rieke aber oszilliert zwischen Eitelkeit und Klugheit, Naivität und einem starken Überlebensinstinkt. Mit diesen widersprüchlichen Eigenschaften katapultiert sie sich in den Mittelpunkt des Geschehens. Kein Zufall, aber auch keine Schufterei auf dem Bau hat ihr die sicherste Behausung eingebracht. Ihr, der bis dato sympathischsten Figur. Bis der Wolf ins Spiel kommt. Kein Dämon, wie im Märchen, nur ein Veganer wider Willen. Und wider die Natur. Er wird auch am Schluss nur Kartoffeln, Kartoffeln zu fressen kriegen...

    Wie Schoppan es schafft, das Überleben der Schweinchen – wunderschöne Tischpuppen, von Doris Gschwandtner entworfen – zu feiern, ohne dem Wolf sein Recht auf ihm gemäße Nahrung abzusprechen, das grenzt, zumal in Kassel, neuerdings der Stadt der Vegankultur, an ein kleines Wunder. Und, nebenbei, bewegt sie ihre Objekte so virtuos beiläufig, das man oft vergisst, dass sie ja „hinter ihnen steht“. Sie wirken in den schönsten Momenten ganz „autonom“.


    Redaktion:
    Verena Joos
     


    2015-03-31 | Nr. 86 | Weitere Artikel von: Verena Joos





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