Natürlich ist ihr Berufsbild vom Zweifel bestimmt. Die Kabarettisten haben das Zweifel-Los gezogen und halten es zu Recht nach Kräften fest. Doch auch der Zweifel daran ist erlaubt. Zweifeln wir also einmal los.
Nachzutragen ist noch die Premiere des Programms „Sendestörung“ der Dresdner Herkuleskeule. Ein guter Programmeinfall (brandneu ist er allerdings nicht), der die Chance bot, eine gute Geschichte zu erzählen: Der Fernseher setzt aus und damit auch der familiäre Frieden. Gloria Nowack und Frank Weiland spielen das über Nichtigkeiten streitende Ehepaar überzeugend. Längst haben sie sich nichts mehr zu sagen und in den heimlichen Wünschen kommt die andere Ehehälfte kaum noch vor. Sie ziehen gefühllos übereinander her und zeigen dabei ihre maßlose Engherzigkeit. Das Ende ist konsequent, kommt aber dennoch etwas unvermittelt. Gatte erschießt Gattin. Und als wäre es ein Zeichen, nach ihrem Ableben setzt das Fernsehgerät wieder ein. Unvermittelt kommt der Schluss deshalb, weil der Konflikt auf der Bühne zwar schwelt, sich aber nicht zuspitzt. Zwischen dem guten Einstieg und dem folgerichtigen Ende erlebt man vor allem Nummernkabarett. Schade, denn damit war die Möglichkeit, eine runde Geschichte zu erzählen, verschenkt.
In Leipzig hatte sich das Ensemble von Sanftwut einen harten Herbst verordnet. Drei neue Produktionen hatten sie auf die Bühne gebracht. Das Programm „KassenKampf“ könnte man als Nachwuchsprogramm bezeichnen, denn das Kabarett in der Mädlerpassage arbeitet mit neuen Leuten zusammen. Der Start war nicht so recht geglückt, Nacharbeit war nötig. Das Programm „Einfach märchenhaft“ ist ein Experiment, in das Ingolf Serwuschok sehr viel Mühe gesteckt hat. Die Vorbereitungen dafür liefen schon ein Jahr, und herausgekommen ist ein entwicklungsfähiges Improvisations-Kabarett oder vielleicht auch -Theater, aber wer will das so genau auseinanderhalten. Zum dritten ist noch „Simulantenstaatl“ zu nennen, ein Doppel mit Uta Serwuschok und Thomas Störel. Ein gutes Programm mit viel Musik, bei dem man jedoch merkt, dass bei den beiden gut aufeinander eingespielten Mimen die großen Gesten dominieren. Manchmal wünschte man sich dazu auch leisere Töne.
Und nun ist nicht der Teufel, sondern der Zweifel los. Gunter Böhnke und Bernd-Lutz Lange haben nämlich im November ihr letztes Programm vorgestellt. Danach, 2004, wollen sie ihre Zusammenarbeit beenden. Ganz ernst ist das sicher nicht gemeint. Fürs Fernsehen wollen sie noch zusammen arbeiten und den sächsischen Abend mit ihrem Dresdner Kollegen Tom Pauls wollen sie auch weiter spielen. Sonst aber haben sie vor, nach ihrem 60. Geburtstag weitestgehend durch Brettlabstinenz zu glänzen. Daran lassen sie einfach keinen Zweifel. Vielleicht kommt daher der Titel ihres letzten Programms: Zweifel Los. Es war keine Abschiedsveranstaltung. Das waren Böhnke und Lange, wie man sie kennt und wie das Publikum sie mag. Mit ihrer unstrittigen Bühnenpräsenz verbreiten sie eine Heiterkeit, in der sie sich zuweilen verplaudern, aber die macht bittere Sätze verträglich, wie zum Beispiel: „Der 11. September war ein wunderschöner Sonnentag. Genauso, wie damals in Hiroshima“. Nun denn, auf ein Letztes.
Am 31. Juli wurden die Kiebitzensteiner in Halle an der Saale als letztes Kabarett im Osten aus der kommunalen Trägerschaft entlassen und kurz darauf als Privatunternehmen wieder gegründet, das durch die Kommune ansehnlich finanziell unterstützt werden soll. Eine direkte Privatisierung war gescheitert. Der Grund war unschlichtbarer Streit im Ensemble. Nachdem die Privatisierung beschlossene Sache war, stritt man um Betreiberkonzepte. Das Ensemble zerbrach, doch der Streit um die Konzepte ging weiter, von denen die Stadt nun abhängig machen wollte, welchen Teil des Ensembles sie weiterhin bezuschussen wird. Unbeliebt hatte sich der bisherige Kabarett-Chef Rolf Voigt als Angestellter der Stadt bei seinen Brötchengebern gemacht, als er „IM Gisela“ Oechelhaeuser nach ihrem Rauswurf bei der Distel auf die Bühne der Kiebitzensteiner holte. Das war sicher auch ein Beweggrund dafür, dass sich die Kommunalpolitiker gegen ihn, also für die Mitbewerber um den künstlerischen Leiter Lothar Bölck entschieden hatten. Auf diese Weise hat Halle an der Saale nun zwei Kabaretts. Die Kiebitze und die Kiebitzensteiner, die im Dezember ihr Programm „Teile und Ärsche“ in einer neuen Spielstätte vorstellten. Nuri Feldmann und die Gäste Rainer Koschorz und Peter Treuner (beide academixer) brauchten erst einmal das ganze Entree, um lang und breit den etwas überoriginellen Programmtitel zu erklären. Danach erlebte man politisches Kabarett der Marke frisch, fröhlich und frei.
Redaktion: Harald Pfeifer
academixer: 10. Februar „Rauchzeichen“
Kiebitzensteiner: 19. Februar „Das geht zu (z)weit“
Fettnäppchen (Gera): „Fastenau Solo“
Herkuleskeule: 5./6. März „Abgegessen“
Fettnäppchen (Kapellendorf): 9. April „Die Ritter der Schwafelrunde“
Kugelblitze: 13. April „BÖRDE, BÖRSE UND BEHÖRDEN“
Distel: 18. April „Bombenstimmung“
2002-03-15 | Nr. 34 | Weitere Artikel von: Harald Pfeifer