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    Der Herr Karl, seine Nachfolger und anderes

    Kabarettist, Schauspieler, Schriftsteller, Rezitator, Menschenimitator, kurz Helmut Qualtinger hätte im vergangenen Oktober seinen 75. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlass wurde seiner gedacht, in Retrospektiven, Ausstellungen, in Hörfunk und Fernsehen, in den Printmedien und in Form zweier Bücher; eines herausgegeben vom Filmarchiv Austria, das „Die Arbeiten für Film und Fernsehen“ beleuchtet, das andere ist der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung „Quasi ein Genie“ (sic!), die im Museum Wien Karlsplatz (vormals Historisches Museum der Stadt Wien) zu sehen ist. Helmut Qualtinger gilt vielen Österreichern als Inbegriff des Kabaretts, obwohl er sich diesen Begriff wohl mit Karl Farkas teilt, wobei letzterer weitaus mehr Zeit in dieses Genre investierte. Qualtinger, von vielen, aber wohl kaum immer mit dessen Zustimmung, als Quasi bezeichnet, trat bereits Ende der 40er Jahre in Wiener Kabaretts auf, der große Wurf gelang ihm zusammen mit Gerhard Bronner, Michael Kehlmann und Carl Merz aber erst mit „Brettl vor dem Kopf“, 1952. Aus diesem Programm stammt der legendäre „G’schupfte Ferdl“, von Bronner geschrieben, von Qualtinger einzigartig interpretiert. Danach folgte eine kabarettistische Bühnenpause; Merz/Qualtinger gestalteten allerdings satirische Radiosendungen und lieferten ab 1955 wöchentlich eine Kolumne in der Tageszeitung „Kurier“ unter dem Titel „Blattl vor’m Mund“ ab. Praktischerweise übernahm man den Titel dieser Kolumne für die nächste Kabarett-Revue, die unter Direktion und Mitwirkung von Gerhard Bronner und Georg Kreisler 1956 herausgebracht wird. Mit im Ensemble ist auch erstmals Louise Martini. Zwischenzeitlich ist das Ensemble ohne Haus und gestaltet daher im neuen Medium Fernsehen monatlich ein Kabarett-Programm. Aus dieser Zeit stammen die „Travnicek-Dialoge“ und das Chanson „Der Papa wird’s schon richten“. Durch das Fernseh-Brettl erreichen sie zusätzliche, andere Publikumsschichten. Um ihre Multimedialität zu komplettieren gibt Preiser Records ab 1958 die Serie „Kabarett aus Wien“ heraus, wo regelmäßig Erfolgstitel auch dieses Ensembles, das sich nie einen gemeinsamen Namen gab, erschienen. Heute sind viele dieser Titel als CD erhältlich.

    Im Frühjahr 1961 beenden Louise Martini, Carl Merz und der damals noch nicht 33jährige Qualtinger ihre Kabarett-Karriere. Im selben Jahr entstand in Zusammenarbeit mit Carl Merz „Der Herr Karl“, ein Stück über österreichische Mentalität. Mit diesem „Herrn Karl“ werden in der Gegenwart gerne Kabarettprogramme bzw. dessen Darsteller in Beziehung gesetzt. Josef Hader ist ähnliches vor Jahren mit „Im Keller“ gelungen (er gibt übrigens immer noch „Hader spielt Hader“). Kürzlich erinnerte Thomas Maurer in seinem Erfolgsprogramm „Die neue Selbständigkeit“ als Ex-FPÖ-Regierungsmitglied Helmut Karl frappant an jenen Mitläufer und –täter. Maurer spielt – nachdem er den Österreichischen Kabarettpreis 2003 erhielt und für den Nestroy-Preis nominiert wurde, zusammen mit Florian Scheuba ein neues Programm, „Anleitung zur politischen Unmündigkeit“. Scheuba ist ebenso wie Viktor Gernot, der sein erstes Soloprogramm „Freistil“ präsentierte, Mitglied des Ensembles Die Hektiker, die kürzlich ihr 20jähriges Bestehen mit dem Programm „Jenseits“ feierten. Ebenfalls 20 Jahre besteht eine der wichtigsten Nachwuchsbühnen Wiens, das Kabarett Niedermair. 1983 wurde dieser Veranstaltungsort von der damals 19jährigen Nadja Niedermair errichtet und im Oktober mit Otto Grünmandl, I Stangl, Andreas Vitasek und Kurt Weinzierl eröffnet. Bald nach der Eröffnung trat die Kabarettgruppe Schlabarett auf den Plan, aus der einige der heute erfolgreichsten Solokabarettisten Österreichs hervorgegangen sind: Alfred Dorfer, Roland Düringer oder Andrea Händler. Ihre ersten kleinkünstlerischen Gehversuche unternahmen auf dieser Bühne aber auch Josef Hader, Thomas Maurer, Steinböck & Rudle, Bernhard Ludwig, Mike Supancic, Martin Puntigam, Ludwig Müller, Werner Brix oder Severin Groebner. Nach einem längst fälligen Umbau 1991 übernahm I Stangl das „Niedermair“ und bekam nach langem Kampf, den KünstlerInnen und Publikum mitfochten, erstmals Subventionen. Mit dem Einstieg von Erna Wipplinger als Co-Leiterin (sie löste 1996 Barbara Klein ab), begann im „Kabarett Niedermair“ auch Kindertheater, eine zusätzliche Schiene, zu florieren. 2001 übernahmen Doris Ringseis und Andreas Fuderer den 100 Zuschauer fassenden Veranstaltungsort. Erna Wipplinger betreibt seither die Kleinkunst-Agentur „Heitere Aussichten“ und I Stangl tingelt mit seinem Kabarettprogramm „Selbstbewußt Waschlapp sein“ durch die Lande. Die nächste Premiere im Etablissement Niedermair ist am 27. Jänner: O.Lendl präsentiert sein neues Programm „6“.

    Ihr 10jähriges Bestehen feierte vor kurzem die Kabarett-Reihe des österreichischen Radiosenders Ö1 „Kabarett direkt“. Seit 10 Jahren wird regelmäßig einmal pro Monat an einem Freitag von 20 bis 22 Uhr eine Kabarettveranstaltung live aus einem österreichischen Kabarettlokal übertragen. Zum Geburtstag sendete man aus der Wiener Kulisse Irmgard Knef alias Ulrich Michael Heissig mit dem Programm „Schwesterseelenallein“. Der Ausstieg während des Programms (Ende strikt 22 Uhr, während Fußballübertragungen ...) war ärgerlich, wurde aber von Knef / Heissig elegant gemeistert. Keinen Geburtstag, dafür Hochzeit feierte unlängst Dolores Schmidinger, die auch ein neues Kabarettprogramm vorstellte, „Queraussteigerin“. Wie schon erwähnt feierte Viktor Gernot, ebenfalls seit kurzem verheiratet, sein Debüt als Solist. Der gelernte Schauspieler und Musicaldarsteller (400 Mal Kaiser Franz Joseph in „Elisabeth“!) konnte als Stimmenimitator und Parodist punkten. „Helfried heiratet!“, so lautet der Titel des neuen Programms, das Christian Hölbling nach seinem Erfolgsprogramm „Helfried kommt!“ ab Februar 2004 spielen wird.

    Gerold Rudle (im Duo mit Herbert Steinböck in „Frank’n’Stein“ auch weiterhin zu sehen) präsentierte auch sein erstes Soloprogramm „Alles wird gut“. Eine Reise in den Süden mit einem Schiff namens „European Vision“. Turbulent geht es zu, nicht nur wegen der Wellen. Rudle, ein Komödiant par excellence, stellt einen Fallschirm-Tandemsprung auf die Bühne, wäre gern der Held, der die Menschheit rettet und stellt sich Sinnkrise-Fragen wie „Woher kommen wir?“, „Wohin gehen wir?“ und „Haben die dort auch offen?“

    Redaktion: Iris Fink

     

    2003-12-15 | Nr. 41 | Weitere Artikel von: Iris Fink





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