In der Stuttgarter Rosenau – das angesagte Kleinkunsthaus – spielte Uta Köbernick ihr Programm „Grund für Liebe – politisch, zärtlich, schön“. Selbstgeschriebene Lieder und Texte sind ihre Spezialität. Aber darüber hinaus ist allein ihre Präsenz auf der Bühne mehr als sehenswert. Uta benutzt ihr verstärkte Klassikgitarre ironisch wie eine Rockdiva, imitiert ein Fade Out, reißt die Arme in die Luft, nähert sich dem Entengang von Chuck Berry an. Fehlt nur noch, dass sie die Gitarre mit den Zähnen oder auf dem Rücken spielt wie Jimi Hendrix oder dessen Vorbild Buddy Guy. Man muss schon etwas aufpassen, um alle Wortspiele mitzubekommen.
Und dann ist sie auch eine politische Künstlerin, die in den ersten Jahren der Demos gegen Stuttgart 21 immer wieder vor Zehntausenden und später vor Tausenden Solidaritäts-konzerte gegeben hat. Am 15.01.2018 gibt es die übrigens die 400. Montags-demo seit 2009, kämpferische Reingeschmeckte und Schwaben geben einfach nicht auf. Uta spielt auch öfter zwei Rollen auf einmal, Mutter und Kind oder Ähnliches. Das bringt sie stimmlich und mimisch hervorragend rüber. Schließlich hat sie in Zürich ein Schauspielstudium absolviert und vorher in Berlin ein halbes Gesangsstudium. Ob es sich inhaltlich um einen PC Absturz handelt, direkt aus dem fünften Stock auf den Bürgersteig oder eine Verarbeitung ihres Lebens als Deutsche in Zürich, immer wieder blitzt feine Ironie auf, wobei man einen Hauch von Christoph Stählin heraushört, den sie als Liedermacher-Lehrer und musikalischen Freund hoch geschätzt hat. Natürlich spielen bei dieser emanzipierten Künstlerin auch Themen wie Frauen und Haushalt, Taxifahrer in Zürich und viel Alltagswahnsinn neben ihren politischen Themen eine Rolle. Immer wieder bricht auch etwas Clowneskes durch, z.B. wenn sie Geige spielt und ein Schweizer Volkslied oder einen satirischen Song zum Besten gibt. Gegen Abschluss kommt sie noch mal in einer neueren Rolle auf die Bühne, Tanja Ostkreuz, wo sie wie vor einiger Zeit in der „ANSTALT“ auch mal ihren perfekten Berliner Ossi-Dialekt auf die Bühne bringen kann.
Im gleichen Theater trat der bekannte TV-Schauspieler Jo Jung mit der Musikgruppe Boogaloo auf. Zum „Nach-Weihnachts-Programm“ verändert, präsentierte Jo „Christmas Crime Storys“. Es ist was los unterm Tannenbaum. Seit Jahren spielen sie ihr Weihnachts-programm mit immer neuen Geschichten in den Kleinkunstläden von Stuttgart und Umgebung. Zwischen den Texten Songs der hochprofessionellen Musik-Gruppe. Ruth Sabadino ist stark am Saxophon. Wenn es allerdings um Gesang und Moderation geht, sind Unsicherheiten nicht zu übersehen. Vielleicht liegt es daran, dass die Gruppe ein neues Programm auf die Beine gestellt hat, das noch weiter eingespielt werden muss. Das Publikum hatte im rappelvollen Saal auf jeden Fall viel Spaß.
JÖRG BEIRER gab im Künstlertreff in Pfullingen einen Präsentationsauftritt. Immer wieder bricht er nach halben Sätzen ab. Da muss man oder Frau mitdenken. Und das ist heute im Sinne der „Massen-TV-Comedy“ nicht mehr so gefragt. Erinnerungen an Werner Fink oder Häberle und Pfleiderer werden wach. Inhaltlich ist es persönliches Kabarett mit einem Hauch von politischer Satire. Das alles auf Schwäbisch, wobei auch Reingeschmeckte gut mitkom-men können. Auch Nachwuchskabarettisten versuchen sich an diesem Stil, erreichen aber nicht diese Klasse. Denn dazu braucht es eine gewach-sene, satirisch erfahrene Persönlichkeit. Und die hat dieser Entertainer aus der Nähe von Tübingen. Einen Teil seines neuen Programms gab Beirer auf dem Künstlertreff zum Besten. Vor ihm die versammelte Künstlergemeinde, die aus dem Umkreis von Tübingen die Kleinkunstläden und Theater mit Liedern, Satiren, Märchen fordert und fördert. Stellvertretend für alle Künstler seien der Entertainer Gerald Ettwein (Ex-Lindenhof) und die Märchenerzählerin Birgit Nothaft genannt.
Uli Keuler gastierte mal wieder zwei Tage bei den Galgenstricken in Esslingen. Seit den Siebzigern Jahren macht Uli mit seinen sorgfältig ausgewählten Satiren die Baden-Württem-bergischen Kleinkunst-bühnen unsicher. Was Emil für die Schweiz ist, das ist Uli für Süd-deutschland. Aufgrund seiner sati-rischen Dialektnummern ging er nicht so gerne über die schwäbischen Grenzen hinaus. Er baut seine Programme langsam um, nur höchste Qualität, mehr-fach erprobt, bleibt in seinen Programmen. Deshalb war ich verwundert, dass ich praktisch keine Nummer von ihm kannte. Wie immer ein sehr vergnüglicher Abend, ein besonderes Erlebnis für Kleinkunstinteressierte, die zum Teil aus hundert Kilometer Entfern-ung nach Esslingen aufbrachen um ihn mal wieder zu sehen.
Auch die Buschtrommel spielte in diesem „Keller“. Als erstes hab ich die Gruppe 1997 als trinkfestes Trio in Reinheim erlebt, wo sie den Reinheimer Löwen für Gruppen gewannen. Dann wurden sie nach einer Übergangszeit zu einem Duo, und beinahe wäre vor zwei Jahren im Stil von „10 k(l)eine Negerlein“ (politisch unkorrektes Lied) nach dem Abschied von Ludger Wilhelm nur noch Andreas Breiing übrig geblieben. Schlauerweise hatte er sich aber die Opernsängerin und Kabarettistin Britta von Anklang dazugeholt, deren ersten Auftritt ich beim Kabarettfestival 2015 oder 2016 beobachten konnte. Das war der erste Auftritt des neuen gemischten Duos. Damals gab es natürlich noch kleine Schwächen, die jetzt bei ihrem Auftritt nach zwei Jahren intensiver Tourtätigkeit völlig verschwunden sind.
Die beiden spielen sich die Bälle zu, agieren natürlich auch mal solistisch, wobei Britta mit ihrer starken Stimme glänzt. Das Programm beginnt im Dunkeln, Buschtrommeln dröhnen, Andreas mit Sonnenbrille legt einen Rap auf die Galgenstrick-Bretter. Und wie vor Jahren das Duo vom Frankfurter Front-Theater, machen sich die beiden auf der Bühne dermaßen an, dass das Publikum sich in Lachsalven krümmt! „DUMPF IST TRUMP-F“ so der Titel und das politi-sche Motto dieses Abends. Es folgt ein Rundschlag über die Deutsche Trottel-Bahn, über E-Autos und BMW, über Costa Cordalis und die Heilsarmee. Und schon sind die beiden bei der Intelligenzbestie, dem US-Präsidenten, der in der Weltrang-Intelligenzliste noch 44 Stellen hinter Mario Barth steht. Immerhin hat Trump es laut Buschtrommel geschafft, dass jetzt massenhaft Amerikaner in Schlauchbooten nach Kuba fliehen oder das „Reich“ in Richtung Kanada oder Mexiko verlassen. Aldi und Schalke 04 dürfen bei einem NRW-Duo natürlich nicht fehlen, ebenso China und die lukrative Organentnahme bei Todeskandi-daten. Natürlich kommt auch der Sauf-Gag von Andreas, vier Bier in 5 Minuten, und danach ein Solo seiner Partnerin, damit er aufs WC stürmen kann. Gegen Ende noch was über den Satanskult namens „Tupperparty“, ein Schuss auf Apple und andere Steuersünder, bis das Programm dann mit einem bärenstarken „Time To Say Goodbye“ endet. Die Buschtrommel hat die Kurve gekriegt, aber wie!
Im Jazzclub Bix in Stuttgart machte Schneidewind eine Lesung aus seinem neuen Buch. Der Club hat eine angenehme Atmosphäre, Kerzenlicht, vierer Tische, Sessel aus Leder, taffes, junges Personal. In diesem Jazzclub haben an den Abenden nach den Open Air Konzerten des Jazz Open Weltstars gespielt. Schneidewind macht einen sehr sympa-thischen Eindruck. Er hat in der DDR an der Humbold-Universität von 1971-75 Englisch und Deutsch studiert, war 15 Jahre Lehrer, machte in der DDR auch Sendungen auf DT 41, kam dann 1990 zur ersten Hitparade zum SWR und ist dort später fest angestellt worden. Nun stellte er sein zweites Buch über Rock`n`Roll, über die Musik und die Helden der Popszene vor, von denen er viele interviewt hat. Viele kleine Begebenheiten, z.B. über Marianne Faithfull, Joe Cocker etc. lassen die Zuhörer aufmerksam mitgehen und immer wieder über seine kleinen Anekdoten lachen! Zum Schluss ein langer Applaus und das obligatorische Signieren von Büchern.
In Lindau am Bodensee im „Zeughaus“ stellte Jockel Tschiersch sein neues Programm vor. Jockel ist ein „Bühnentier“, das schon in jungen Jahren zusammen mit Ottfried Fischer im Duo den Deutschen Kleinkunstpreis in Mainz und den Salzburger Stier gewonnen hat. Außerdem spielt er viele Fernsehrollen als Kriminalkommissar und mehr, er schreibt Bücher und jetzt kommt sein erstes eigenes Filmprojekt in die Kinos. Irre, dass er trotzdem noch Zeit hat, gute Kabarettprogramme auf die Bühne zu bringen. Es sind immer halbe Lese-programme. Im rappelvollen Saal in Lindau kann man eine Stecknadel fallen hören, wenn Jockel zu seinen großen satirischen Bögen ausholt. Er selbst fand seine Vorbereitungszeit für diese Premiere zu kurz, war aber selber total überrascht, wie gut das Programm zu den Zuschauern rüber kam!
Im Renitenztheater in Stuttgart trat Henning Venske auf. Als Redakteur beim Rundfunk vor Urzeiten geschasst, jahrelang Mitglied und Texter in der Münchener Lach- und Schießgesellschaft und dann munter weiter auf Solotour. Er sitzt vor einem großen Noten-ständer und blättert in seinen Manuskripten. Im achten Lebensjahrzehnt hat man es auch verdient, etwas komfortabler zu spielen. Und von seiner politischen Schärfe ist kein Jota verloren gegangen.
Redaktion: Bruno Schollenbruch
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Uta Köbernick Gestaltung:Josua Waghubinger / Foto: Mirco Rederlechner