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    Dietmar Winkler: Zirkus in der DDR

    Schon vor seinem Erscheinen erregte das neueste Buch von Dietmar Winkler (Mitarbeit seine Frau Gisela) Aufsehen unter Zirkusfreunden aus Ost und West – dank etlicher Lesungen aus dem Manuskript. Der Titel schlicht „Zirkus in der DDR“, der Untertitel programmatisch „Im Spagat zwischen Nische und Weltgeltung“. Mit 639 Seiten ein Wälzer. Unschwer vorauszusagen, dass es zum Standardwerk der „eigenständigen Zirkuskultur der DDR“ werden dürfte. Weltweit anerkannt, wird diese hierzulande von den Medien oft wegpolemisiert – wie alles Positive im eingemauerten Land, die Lebensleistung zweier Generationen inbegriffen. Dabei ist allein das eine Erinnerung wert: Es gab in Deutschland eine Zeit, da der Zirkus als Form der darstellenden Künste angesehen wurde.

    Winkler unterzieht sich der selbst gestellten Mammutaufgabe, die wahre Geschichte des Zirkus im deutschen Osten aufzuarbeiten, akribisch recherchiert und auf Objektivität bedacht. Er ist dafür prädestiniert wie kein Zweiter: Ausgewiesener Zirkusexperte, nicht zuletzt durch zahlreiche Bücher und Publikationen, leidenschaftlicher Sammler des Zirkus der Welt, langjähriger Mitarbeiter des Staatszirkus der DDR, der nach der „Wende“ viele Dokumente vor der Vernichtung bewahrte.

    Vom Arbeitsalltag über Triumphe und Irrtümer bis zur Weltgeltung der Zirkuskünstler, die an kein Parteibuch gebunden war; von der wechselnden „politischen Linie“ bis zu stalinistischen Versuchen, den Privatsektor mittels Steuertricks zu kassieren; von Schulbildung und sozialen Errungenschaften über Leistungsparameter für die Zulassung zum Beruf bis zur unglaublichen Kreativität von Artisten, Tierlehrern und Clowns und deren gesellschaftlichen Anerkennung, die sich sogar in höchsten staatlichen Auszeichnungen wie Kunst- und Nationalpreis niederschlug.

    Ein Abschnitt informiert auch über die Schaustellerbetriebe des Staatszirkus der DDR.

    Erstmals wird auf mehr als 130 Seiten auch die bislang weitgehend unbekannte, nirgendwo komplex erfasste Privatzirkusszene, dargestellt. Unterschiedlich in Größe und Niveau, trugen die Privaten zur Popularität des Zirkus im Lande bei. Vielfältige künstlerische Bemühungen und Innovation werden gewürdigt, geschäftliche Machenschaften nicht verschwiegen. Dabei wird dem Leser auch klar, dass nicht primär die staatstragende Partei schuld daran war, dass ihre Zahl mit den Jahren abnahm. Eine einmalige Übersicht der „artistischen Reiseunternehmen seit 1945 auf dem Gebiet der SBZ/DDR“ rundet diesen Teil ab. Alles das belegt er mit 1 522 detaillierten Quellenvermerken, worunter sich Gerichtsprotokolle ebenso befinden wie interne Anweisungen der SED, schillernde Selbstdarstellungen, vom Kalten Krieg geprägte Zitate aus Presse und Funk beider Seiten, unveröffentlichte Statistiken und Manuskripte. 180 kleinformatige Schwarzweißfotos ergänzen den soliden Text dieses Lese-Buches.

    (Dietmar Winkler: Zirkus in der DDR. Im Spagat zwischen Nische und Weltgeltung,

    Edition Schwarzdruck, Berlin 2009, 180 Abb., ISBN 978-3-935194-3). Bestellanfragen unter

    winkler@circusarchiv.de.

    Ernst Günther

     

     

    2010-06-15 | Nr. 67 |





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