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  • Themen-Fokus :: Clown | Mime

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    Eine Visite des Clown-Doktors „Prof. Dr. Osterhase"

    Dienstagmorgen, 10.00 Uhr, ich gehe in den 3. Stock der Kinderklinik. Im Treppenhaus stimme ich mich langsam auf die Figur des Clowns ein. Meine Gedanken: welche Kinder werde ich heute treffen? mit welchen Krankheiten werde ich konfrontiert? wie geht es den kleinen Patienten die ich letzte Woche hier getroffen habe? Dann kurze Besprechung bei den Erzieherinnen, Laufzettel abholen und auf zum Umziehen. Bei jedem Kleidungsstück das ich mir anziehe, spüre ich, wie der Clown in mir wach wird. Strümpfe, T-Shirt, Hose, alles bunt und auffällig. Schminken. Bei jedem Pinselstrich wächst die Lust am Clownspiel. Dann weiter anziehen. Übergroße Clownschuhe, Mantel, Hut. Clownnase aufsetzten – fertig!

    Ein letzter Blick in den Spiegel- hier sehe ich dann so einen frecher Clown der mir zuzwinkert und ich sage mir, du bist Derjenige der die Kindern vom Klinikalltag ablenken und für eine kurze Zeit ihr Krankenzimmer in einen kleinen Zirkus verzaubern kann. Ich zupfe mir den Mantel zurecht und überprüfe noch einmal den Inhalt meiner Taschen (insgesamt 10). Maßband zum Fiebermessen, Zahnbürste zum Haare kämmen, einen Seifenblasenbären, etwas Lachsaft, einen Clown-Rezeptblock, das schnellste Kartenspiel der Welt (Speed) für die älteren Kids und noch vieles, vieles mehr. Die Clownfigur die ich spiele „Prof. Dr. Osterhase" ist akribisch aufgebaut. Alles ist durchdacht. Ich locke die Kinder zum mitmachen und provoziere auch durch mein Outfit oder meine Requisite. Da baumelt z.B. ein Schnuller an meinem „Arztmantel" der mit vielen bekannten Comic- und Filmfiguren bemalt ist wie z.B. die Maus, Tabaluga, Lurchi oder die Ente Alfred Jodocus Kwak. Das alles ist bewusst so gewählt, damit ich immer einen „Opener" habe. Die Kinder amüsieren sich über meine Requisiten und sagen: „schau mal, hat der große Schuhe!" oder „kuck mal ein Schnuller!" oder „was hast du denn im Koffer?" oder „Warum heißt du Osterhase, du hast doch gar keine lange Ohren?". Somit stehe ich schon im Dialog mit den Kindern und Eltern und kann mich langsam ins Zimmer tasten. Ich frage ob ich weiter eintreten darf, denn ich gehe nie ohne zu fragen ins Zimmer. Es gibt auch Kinder die keinen Clown wollen, müde sind oder gerade operiert wurden. Da war der Fall der kleinen achtjährigen Niki, die hatte Angst vor Clowns hatte. Ihre Mutter wurde bei einem gemeinsamen Zirkusbesuch in die Manege geholt und sollte weggezaubert werden. Die damals vierjährige Niki -sie saß alleine auf der Zuschauerbank- bekam absolute Panik. Auf solche oder ähnliche Erlebnisse der Kinder muss man regieren können und sie auch akzeptieren. Es geht hier nicht um Humor für jeden Preis. Doch die überwiegende Mehrheit der Kinder und Eltern reagieren sehr positiv auf das Auftreten des komischen „Doktors". Häufig ist es auch so, dass Eltern den Clown-Doktor als eine neutrale Person für sich entdecken. Sie kommen auf mich zu und sprechen mich an. Wie zum Beispiel eine Frau, sie hatte ein acht Monate altes Kind in der Klinik. „Warum kommen sie nicht in unser Zimmer?" Ich sagte: „Ich komme erst zu Kinder ab 3 Jahren". „Das ist aber schade, ich bin zwar ein ganz ein großes Kind, könnte aber auch einen Clown-Doktor brauchen". Die nächsten sechs Wochen saß ich 2 mal die Woche 20 Minuten bei dieser Mutter und sie konnte ihren aufgestauten Frust in meinen großen Clownkoffer abladen. Manche Eltern nehmen den Krankenhausaufenthalt ihres Kindes schlimmer auf als das Kind selbst. Der Clown muss hier versuchen, die Situation auszugleichen.

     

    Bei der Arbeit des Clown-Doktors geht es nicht nur darum, kleine Patienten und deren Eltern zu unterhalten, sondern vielmehr auch darum, durch Humor, Freude und Heiterkeit einen positiven Einfluss auf Körper und Geist zu nehmen. Der Clown soll helfen, die oft belastende Atmosphäre für Kinder zu entspannen, indem er die unvertraute Umgebung einfach etwas lustiger und bunter gestaltet. Einfach einen Farbklecks der Freude im Krankenzimmer zurücklassen. In Sorge und Mitgefühl kann man als Elternteil seinem Kind oft nicht die Gelassenheit und Fröhlichkeit geben, die es vielleicht braucht. Im Durchschnitt verbringe ich 20 – 30 Minuten in jedem Zimmer. Während dieser Zeit sollen die Kinder abgelenkt werden und den Krankenhausalltag vergessen.

     

    Die Arbeit als Clown-Doktors ist etwas sehr persönliches. Der Clown ist eine besondere Figur. Sie hat sehr viel mit einem selbst zu tun. Man ist sehr nah bei sich und gibt alles von sich. Beim Clownspiel wird das Innere nach außen gekehrt. Es ist auch nicht immer einfach, ständig tollpatschig und lustig zu sein, wenn es einem selbst gerade mal nicht so gut geht. Der Clown steht in der Öffentlichkeit. Von ihm wird Fröhlichkeit, Humor und Quatsch verlangt und das ist auch okay so. Schwierig wird es je nach dem inwieweit man die Schicksale der Kinder an sich heran lässt.

     

    Wenn ein Kind im Alter von zehn Jahren nur noch eine schlecht funktionierende Niere hat und auf eine Spenderorgan wartet, sitzt man schon mit den Gedanken zu hause, dass sich sein Zustand hoffentlich gebessert hat oder dass vielleicht sogar schon einen Spender gefunden wurde. Wenn man dann erfährt, dass er verlegt wurde weil sich sein Zustand verschlechterte, fühlt man sehr mit und ist nicht nur der Clown, da ist man ein Stück weit ein Vertrauter, da fällt die Clownnase nicht mehr so ins Gewicht. Diese Erlebnisse zu verarbeiten ist nicht ganz einfach. Ich spreche zur Verarbeitung mit meiner Familie, Freunden oder Kollegen. Und wenn ich mal sehr, sehr traurig bin, setze ich mich auf mein Fahrrad und fahre die Hügel des Schwarzwalds hoch –so lange bis ich nur noch keuche kann und völlig leer bin. Ende des ersten Teils. (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Kiga-Fachverlages, Elversberger Str. 40 a, 66386 St. Ingbert, Tel.: 06894-3101-581, Fax: 06894-3101-403 für die Übernahme des obigen Artikels aus der pädagogischen Fachzeitschrift „Entdeckungskiste" Ausg. Sept./Okt. 2001 „Zirkus".)

    Im Teil 2 TROTTOIR Ausgabe Mai 2002 erzählt Klaus Peter Wick über die Vorgehensweisen: „Welche Art des Humors kommt bei kranken Kindern positiv an?" - „Mein schönstes Erlebnis als Clown-Doktor" - Verhältnis zwischen Clown-Dokor und behandelndem Arzt - Finanzierung eines Clown-Doktor-Projektes - Ausblick in die Zukunft.

    Redaktion: Klaus-Peter Wick



    2002-03-15 | Nr. 34 | Weitere Artikel von: Klaus-Peter Wick





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