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    Für wen wir singen


    Liedermacher in Deutschland (Bear Family BCD 16905/6/7/8 / ISBN 978-3-89916-291-2 / ISBN 978-3-89916-306/ ISBN 978-3-89916-310-0 / ISBN 978-3-89916-337-7; 4 CD-Boxen, 12 CDs, ausführliche Infos) ist der Titel (nicht ganz korrekt, da die Sammlung richtigerweise auch Liedermacher aus der Schweiz und aus Österreich beinhaltet, ergo wäre deutschsprachige Liedermacher besser) einer höchst umfangreichen Dokumentation und Sammlung, die Bear Family produziert hat. Herausgegeben, thematisch geordnet und zusammengestellt hat sie überwiegend der Journalist Michael Kleff (Liederbestenliste, Folker!), der ebenfalls schon für die ebenfalls bei Bear Family erschienene Sammlung über die Festivals auf der Burg Waldeck verantwortlich zeichnete (siehe Trottoir Heft 2/2008). Die CD-Sammlung besteht aus vier Einzel-Boxen. Von „Bänkelsongs und Gebrauchspoesie“ bis zur aktuellen Deutsch-Folk-Szene und Volkssänger sind im ersten Teil Künstler wie Fidel Michel, Ougenweide, Zupfgeigenhansel, Liederjan, Wader, Achim Reichel u. a. vertreten. Die zweite Box befasst sich schwerpunktmäßig mit den politischen Liedern, die im Zuge der 68er-Bewegung entstanden. Protestlieder von Hüsch, Degenhardt, die 3 Tornados,

    Ton Steine Scherben, Konstantin Wecker, Grips Theater und Klaus Hoffmann. Auch „neue Töne aus der DDR“ sind zu hören, denn auch im kleineren Deutschland hatte sich ein Bedürfnis nach neuen Liedern, die das Leben wahrhaftiger darstellten, herausgebildet u.a. mit Künstlern wie Manfred Krug oder Gisela May. Die dritte Box wendet sich Dialekten und Regionen zu mit  plattdeutschen, niederrheinischen, rheinländischen, hessischen, moselfränkischen, schwäbischen und bayrischen Tönen in unterschiedlicher Art. Vertreter dieses Genres waren und sind zum Teil immer noch Knut Kiesewetter, Fiede Kay, Günter Gall, Black Fööss, Rolly Brings, Manfred Pohlmann, Linnentworch, Goissahannes, Biermösl Blosn u. a.. Die vierte Box fegt dann sozusagen die Reste zusammen, die sich in die bisherigen Kategorien nicht so ganz einordnen ließen. Zunehmend finden auch sehr private Themen Eingang in die Lieder, das persönliche Glück wird stärker betont. „Genug ist nicht genug“ heißt das bei Konstantin Wecker, der Persönliches und Politisches in seinen kraftvollen Liedern neu verknüpft. Songs mit den selbstbewussten Frauen Ina Deter, Joana und Ulla Meinecke sind hier ebenso verterten wie bayerische Töne mit Fredl Fesl, Willy Michl oder Ringsgwandl. „Liedermacher sind keine Sache der Vergangenheit“ heißt es im Booklet zu Recht, und doch beschränkt sich die Sammlung auf einen Zeitraum von ca. 30 Jahren bis Ende der Achtziger. Auch zu Recht. Denn als ein prägendes kulturelles Genre waren sie sicher ein sehr zeit- und generationsgebundenes Phänomen. Was an der Sammlung ebenfalls auffällt ist, dass der kulturelle Einfluss sozialistisch und kommunistisch orientierter Künstler in der Liedermacherszene größer war als in anderen kulturellen Bereichen oder gar als der gesellschaftliche Einfluss z. B. der DKP insgesamt. Die der rechten Szene zuzuordnenden Liedermacher sind in der Sammlung ebenfalls zu Recht nicht vertreten, sie sind neben ihrer nicht akzeptablen, menschenverachtenden politischen Einstellung zudem noch grauenvoll simpel und schlecht. Eine riesengroße Lücke in der ansonsten überaus verdienstvollen Sammlung, die aber vom Herausgeber nicht zu verantworten ist (er wollte anscheinend einfach nicht dabei sein!), hinterlässt das Fehlen Wolf Biermanns. Er ist sowohl formal künstlerisch, als auch politisch der große Schatten an der Wand. Nun schade, aber sei’s drum, es war gut und sinnvoll, diese ausgezeichnete Zusammenstellung (über Einzelheiten einer solchen, subjektiven Auswahl lässt sich indes stets trefflich streiten) trotzdem zu realisieren, und Herausgeber und dem Label sei gedankt für ein solches Mammutprojekt.

    2008-09-15 | Nr. 60 |





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