Wesentliche strukturelle Szene-Neuigkeiten lassen derzeit an der Elbe auf sich warten – dafür machen eher Premieren von sich reden. So unternehmen wir diesmal eine tour d’horizont durch die einschlägigen Etablissements.
„Warum haben Fische Schuppen? – Damit sie ihre Fahrräder unterstellen können.“ Kalauer wie diese sorgten zwar für Wogen der Begeisterung auf dem ausgebuchten „Schiff“, waren aber keinesfalls stilprägend für den Liederabend von Anna Schäfer und Michael Frowin unter dem Titel „Wenn ich die See seh’ ... brauch ich kein Meer mehr“. Vielmehr luden die beiden singenden Schauspieler ein zu einer stimmungsvollen und schmissigen musikalischen Reise mit Matrosen, Kapitänen und sehnsüchtigen Mädchen (am Piano: Jochen Kilian). Gassenhauer wie „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ erklangen ebenso wie Klassisches von Brel und Weill.
Dank Stimme, Gefühl und reichlich Sinn für Ironie bildeten Schäfer und Frowin ein perfektes Duo mit Ausstrahlung. Schäfer besitzt denn auch die passende Vorerfahrung: Mit Mutter Angelika Thomas hatte sie 2005 die CD „Seemanns Braut ist die See“ vorgelegt. Und Kabarettist Frowin, seit einem Jahr künstlerischer Co-Leiter des traditionsreichen Kleinkunstkahns, löst so schon mal einen Teil seines zu Amtsantritt gegebenen Versprechens ein: „Das ‚Schiff‘ soll hamburgischer werden.“
Der Mann ist Familienvater, trägt einen dunklen Anzug mit Weste und spielt auf Klavier, Akkordeon und Eierschneider Musik, die bei Jung und Alt melodisch eingeht: Das Solokabarett-Debüt des Hamburger Kindertheatermachers und Chorleiters Axel Pätz im voll besetzten goldbekHaus brachte andere Perspektiven ins Spiel als die seiner Kollegen aus der Generation Post-Golf. Es war „Die ganze Wahrheit“, beziehungsweise ein Teil davon, aus der Sicht des Jahrgangs ’56, der – geprüft durch Nestbau mittels Ikea und Kindererziehung in Zeiten der Kita – die Welt längst abgeklärter betrachtet.
So gelang es Pätz bald, beim großenteils gleichaltrigen Publikum viel Resonanz zu finden, mit überwiegend launig präsentierten Themen wie Shopping-Samstagen im schwedischen Möbelhaus, Öko-Terror („Die wahre Gefahr heißt nicht bin Laden, sondern Bio-Laden“) und zeitgemäßem Kontakt zu seinen Kids (nur noch per SMS). Rabenschwarz kamen einzig die „Babies On The Rocks“ rüber. Auch musikalisch brachte der bühnenerfahrene Entertainer seine Besucher auf Trab: Fröhlich ließen sich die meisten auf Frage-Antwort-Spiele ein oder sangen im Kanon ein Volkslied. So konnte Pätz, dem man die ungewohnte Rolle noch anmerkte, für den Anfang punkten. Doch wirkte sein Abend (Co-Autor: Ralf Schulze, Regie: Martin Blau) zum Teil auch beliebig. Mehr Konzentration aufs Thema in Form und Inhalten würde dem Programm guttun.
Er gibt das schwäbische Muttersöhnchen, das es in sich hat: Nun beglückte Exilant Michael Krebs (lange Zeit auch Gastgeber im „Spätzles Club“ in der Motte) seine zahlreichen Fans im Schmidt-Theater mit einer veritablen „Erotik Explo:schn Road Show“. Nachdem der auch durchs Fernsehen bekannte 34-jährige Musik-Comedian in seinem ersten Programm (2004) „Vom Wunderkind zum Spätentwickler“ mutiert war, griff er im zweiten kräftig und ganz fabelhaft in Flügel-Tasten und Gitarren-Saiten, um Songs wie „Natalie, ich hab’ so Lust, Dich auszuziehen“ und Intensives im Sinne seiner Idole Grönemeyer und Metallica zu intonieren. Pop- und Soul-Sänger Dirk Hoppe und die wunderbare Regy Clasen bereicherten die Session.
Musikalisch und vom Charme-Faktor des heftig schwäbelnden Hauptakteurs („desch brudaal!“) her darf die stark beklatschte Premiere denn auch als gelungen bezeichnet werden – doch an seinen (Zwischen-) Texten sollte Krebs noch feilen. Allzu sehr verlässt sich der mehrfach ausgezeichnete Entertainer auf das Spiel mit Klischees zwischen Mundart und Mutterkomplex sowie die auf Kleinkunstbühnen ewig und überall dargebotenen Schläge unter die Gürtellinie. Trottoir ist überzeugt: Des Bürschle hat das Zeug zu mehr Geist.
Wenn Truden träumen – wird daraus eine ganz fetzige Show: Beim Gastspiel der bereits 1991 gegründeten, preisgekrönten Frauen-Comedy-Percussion-Band Trude träumt von Afrika im rappelvollen Harburger Kulturzentrum Rieckhof jubelten rund 300 Fans jeglichen Alters, die ihre Lieblinge spürbar nicht zum ersten Mal erlebten. Auf Trommeln und Rasseln, mit Triangel und Quietsch-Igel sorgten die fünf temperamentvollen Hamburgerinnen in schrillen 60er-Jahre-Kostümen für zündende Rhythmen und Gesänge in ausgefeilten Arrangements.
Alte Schlager wie „Träume kann man nicht verbieten“, aber auch Sketche, Sticheleien und Stepptanz mussten herhalten, als Anke Hundius, Gunhild Wulf, Eva Roßberg, Annette Kayser, Anne Koenen und Winni Knaack in abgefahrener Nonsens-Manier die Objekte ihrer Wunschvisionen outeten: Die reichen vom Fischbrötchen in Bremerhaven bis zum Grand-Prix-Gewinn. Sätze wie „Wenn ich damals nicht gequietscht hätte, könnte ich heute nicht Ka-bumm machen“ stehen dabei repräsentativ für die Tonart des Abends.
Redaktion: Ulrike Cordes
AdNr:1014, AdNr:1071
2008-06-15 | Nr. 59 | Weitere Artikel von: Ulrike Cordes