Und aus Berlin Sebastian Krämer (Bild), der ursprünglich aus dem Ostlippischen kommt. Der Titel heißt „Lieder wider besseres Wissen“. Krämer ist ein Ausnahmekünstler, bei dem man sehr genau hinhören muss, was zu seinem Untertitel „Ein Sack voll Moll“ gut passt. Jahrelang hat er sich bei dem kürzlich verstorbenen Christof Stählin in dessen Werkstatt „Sago“ fortgebildet. Sein Einstieg mit seinem „Zigeunerlied“ erinnert an die frühen poetischen Lieder von Degenhardt. Ob Klavier, Text oder Gesang, auf jedem Gebiet hat Krämer eine hohe Professionalität erreicht.
Die Ansagen sind humorvoll seine Ansagen oft satirisch, mit denen er seine Lieder verbindet. Sein aktuelles Programm ist sehr privat, ein kabarettistischer Hit wie „Deutschlehrer“ wäre hier fehl am Platz. Titel wie „Ich hab kein Liebeslied für Dich“, „Die Welt braucht keine Jongleure“, „Stadt der Träume“ oder „Herzbrecherinnen“ weisen inhaltlich die Richtung. Die Stimme ist manchmal etwas hoch, laute emotionale Passagen wechseln gekonnt mit einem ruhigen Liedererzählton ab. Immer wieder haben die Zuschauer Freude an seinen Binnenreimen wie „Ordinäre Drachen alle machen“ oder an Wortspielen: „Den Schwanenhals niemals voll kriegen“. Auch persönliche Bezüge und Erinnerungen an seine Kindheit werden eingeflochten, wie zum Beispiel in „Tschuldingung, ich muss jetzt zum Flötenunterricht“. Bewusst entfernt er sich vom allzu Satirischen, wenn er über seine Arbeit von „einem Gegenprogramm zu Einsicht und Vernunft“ spricht. Auch Themen wie „Tod“, die nicht so ganz einfach zu bearbeiten sind, hat er in diesem Programm einfließen lassen. Das kontrastiert wieder mit ausgefallenen Liedern wie „Schneemann aus Wolle“. Einige Zugaben zum Abschluss, so schnell lässt ihn das begeisterte Publikum nicht von der Bühne.
Eine Art Lokalmatador ist Thomas Schreckenberger, der allerdings deutschlandweit erfolgreich ist und mit Kleinkunstpreisen überhäuft wurde. Die Themenvielfalt des ehemaligen Realschullehrers ist enorm, neben den aktuellen Themen wie Flüchtlinge, Rechtsruck kommen aber auch persönliche, selbstironische Passagen gut an. Er erzählt von einsamen Abenden in Hotels, überlegt, was seine Familie so macht, wenn er länger auf Tour ist. Im Vordergrund stehen politische Parodien, immer wieder erscheint Frau Merkel mit Raute, bis sich die Kanzlerin gegen Ende des Programms in Kinsky verwandelt.
Dann geht es bei Schreckenberger im Eiltempo durch die gesamte Politlandschaft: Warum wurden wir nicht mit dem Elsass wiedervereinigt, warum ausgerechnet mit der DDR? Warum freuen wir uns auf TTIP und die amerikanischen Chlorhähnchen? Aus der Vergangenheit tauchen Stalingrad und Strauß auf, über Kitas und Amazon geht es zu Frau Clinton und Rente. Dann zu Frau Petry und die AFD, zu Heidi Klum oder Werbung und danach landet er schließlich beim Dschungelcamp. Das alles ist sehr professionell gemacht, sehr gute Texte korrespondieren mit seiner professionellen Darstellung. In der Mitte der Woche ist das Theater sehr gut gefüllt und die Zuschauer können sich schon auf die Premiere des neuen Programms freuen, die bald im Renitenz zu sehen sein wird.
Im Theaterhaus in Stuttgart waren auch kabarettistische Urgesteine zu sehen: Gerhard Polt und die Well-Brüder aus`m Biermoos, Sigi Zimmerschied mit „Tendenz steigend“, Rüdiger Hoffmann oder Gerd Dudenhöfer alias Heinz Becker.
Dazu jüngere Kollegen, die man oft im Fernsehen sieht, wie Alfons, Florian Schröder, Michael Hatzius und seine Echse (Bild) , Ingo Appelt oder Lars Reichow. Gruppen, die aus dem Raum Stuttgart kommen, wie „Backblech“ oder „Eure Mütter“ waren gleich mit mehreren Produktionen zu sehen. Und natürlich gab es im Dezember auch viele Kleinkunstproduktionen, die sich mit dem Thema Weihnachten auseinandersetzen, wie z.B. Boogaloo und Jo Jung, die in Esslingen bei den Galgenstricken spielten, aber auch in Stuttgart im Laboratorium oder in der Rosenau.
Theaterhaus:
28.01.16 Alfons
29.01.16 Martina Schwarzmann
30.01,16 Helge und das Udo
10.02.16 Sigi Gall
11.02.16 Maxi Schafroth
14.02.16 Christoph Sonntag
19.02.16 Johann König
21.02.16 Eva Eiselt
Renitenztheater:
26.01.16 Reiner Kröhnert
28.01.16 Markus Maria Profitlich
29.01.16 Jörg Knör
04.02.16 Claus von Wagner
10.-13.02.16 Matthias Richling
18.02.16 Axel Pätz
28.02.16 Werner Koczwara
02.03.16 Robert Gries
09.03.16 Thilo Seibel
10.03.16 Bernd Regenauer
16.03.16 Düsseldorfer Kom(m)ödchen
17.03.16 Christoph Sieber
Galgenstricke:
19.02.16 Link Michel
27.02.16 Buschtrommel
04.03.16 Honey Pie
18.03.16 Maria Vollmer
Redaktion: Bruno Schollenbruch
2016-01-04 | Nr. 89 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch