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    Kleinkunst vor dem 11.9 - nach dem 11.9.

    "Das Ende der Spaßgesellschaft", "Zeitenwende" und "nichts wird mehr so sein wie zuvor" lauteten einige Prognosen nach den Anschlägen auf das WTC in NY. Warten wir ab, ob dies sich bewahrheitet und tauchen wir noch einmal ein in (gute?) alte Zeiten. Ich hatte leider Zeit (Kein & Aber Records/EFA 22787-2/Eichborn ISBN 3-0369-1101-4; 55 Tracks, 64:48 min, Infos) klagt Harry Rowohlt auf seiner kongenialen Ringelnatz-CD. Eher Unbekannteres vom schrägen Dichter hat er sich ausgesucht und sein Vortrag ist bärig gut. Joachim Ringelnatz spricht Seemannsballaden und Turngedichte (Duophon 05213; 35 Tracks, 67:14 min, Infos), hier spricht der Meister in historischen Aufnahmen von 1923 darselbst und Annemarie Hase ist im 2. Teil der CD mit Eterna-Aufnahmen um 1960 zu hören. Er war nun nicht gerade ein brillanter Vortragskünstler (in Gegensatz zu Fr. Hase), doch es sind die einzigen Originalaufnahmen, die es gibt. Zwei gute Gelegenheiten, sich mal wieder der Ringelnatz'schen Lyrik anzunähern.

    Welch munteres Kulturleben in Deutschland und Österreich vor der Machtübernahme der Nazis jüdischen Künstlern zu verdanken war, belegen die beiden folgenden Alben. Sie präsentieren Populäre jüdische Künstler in Berlin Hamburg München 1903 – 1933 (Trikont US7 – 292/Indigo; 2 CDs, 22 Tracks, 69;42 min und 25 Tracks, 69:37min, ausführliche Infos) und in Wien 1903 – 1936 (Trikont US – 291/Indigo; 25 Tracks,  75:51 min, ausführliche Infos). Max Hansen, Paul O'Montis, Willi Rosen, F. Hollaender, Kurt Geron, Curt Bois, Blandine Ebinger, Margo Lion, Fritzi Massary, Max Pallenberg und Richard Tauber, bzw. Fritz Grünbaum, Max Brod, Karl Kraus, Franz Engel und Armin Berg sind u.a. vertreten. Eine wunderbare Edition, die ebenso unterhaltsam wie informativ ist.

    Frau solle nicht immer nach dem Tangogeiger sehen, fordert ganz Reizend (Duophon 05263; 20 Tracks, 58:21 min, Infos) Curt Bois auf seinen frühen Plattenaufnahmen von 1908 – 1932. O La La (Klein aber Kunst/Bear Family 24 Tracks; 78:11 min, ausführliche Infos) war das eine Frau: Fritzi Massary. Die Berliner Diva, hier mit sehr frühen Revue- und Operettenaufnahmen von 1905 – 1920: Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht. Verehrt und angespien (Litera/BMG Wort 74321847902/ISBN 3-89830-237-7; 18 Tracks, 56:14 min, infos) wurde in seinem Leben der Star der proletarischen Szene in den Zwanzigern: Ernst Busch. Er war ein großartiger Sänger, Schauspieler und Interpret. Auf dieser CD trägt er vor allem die Villon-Gedichte von Paul Zech vor, in einer ausdrucksstarken, doch sparsamen Diktion. 

    Lene Voigt lebte von 1891 – 1962 und wurde Die sächsische Lorelei (Eulenspiegel ISBN 3-359-01031-0; 14 Tracks, 45:37 min) genannt, weil sie klassische Gedichte und Balladen in eine volkstümliche, sächsische Form übertragen hat. Petra Hinze trägt diese intelligenten Parodien vor, vom Zauwerlährling bis zum Erlgeenich, von der Bärchschaft bis zum Geenich in Dule.

    Mei Gutster, was sagste denn nu? (Barbarossa 01364-2; 15 Tracks, 46:54 min, Infos) fragten einst sächsische Komiker auf Schellackplatten, und man muß leider antworten: nich so dolle! Das ist diese Art Komiker, die in Abendunterhaltungen ihr freudig erregtes Publikum fanden, die Halbwertszeit ihrer Scherze war aber kurz. Als Dokument und für Volkskundler interessant, ansonsten weniger.

    Da ist die Leipziger Folk Session Vol. 3 (Löwenzahn/BuschFunk; 14 Tracks, 62:53 min, Infos) spannender. Singebewegte Künstler treffen sich und singen Volkslieder und Chansons auf eine moderne und frische Art. Horch, was kommt von draußen rein: der König von Thule singt an der krummen Lanke das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Lebens. Es geht alles vorüber! Diese CD, an der u.a. Susanne Grützke, Jürgen B. Wolff und Jens-Paul Wollenberg  mitgewirkten, hätte noch länger währen können.

    Thomas Friz (Ex-Zupfgeigenhansel) ist ebenfalls ein alter Folker, der nach der Genesung von einem Skinhead-Überfall endlich (Conträr 0545-2/ ISBN 3-932219-38-4; 15 Tracks, 54:09, Infos) wieder eine neue CD eingespielt hat. Seine Stimme ist reifer und dunkler geworden und die (Volks)Lieder von Fallersleben, Kramer, Tucholsky, v.Törne u.a. (Musik z.T. von ihm) haben eine gewisse Melancholie. Eine besinnliche CD, die in die (Jahres)zeit paßt.

    Volkslieder eigener Art waren die Lieder der Mamsell (Barbarossa 013334-2; 20 Tracks, 52:56 min, Infos), die sogenannten Küchenlieder. Ergreifende Geschichten von bösen Buben und gefallenen Mädchen, die einst so herrlich schaudernd machten und belehrten. Heute sind sie gut für ein ironisches Schmunzeln und zum schmelzenden Mitsingen.

    Manchmal ist es halt einfach Wunderbar dabei zu sein (Roof/Indigo RD 2133123/ Eichborn ISBN 3-933686-78-4; 15 Tracks, 46:05 min, Infos), z. B. wenn der Schauspieler Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys ihre süßlichen und einschmeichelnden Rumbas und Foxtrotts singen. Die Lieder vom Skandal im Harem und dem Mädchen mit dem Matrosen sind nachmittags bei einem Tässchen Kaffee mit Kuchen und Likörchen wirklich ein süßer Genuß.

    Ganz schön feist heißen dagegen nicht nur so, sie sind auch in echt (Roof/Indigo RD 2133131/ Eichborn ISBN 3-933686-72-5; 17 Tracks, 66:52 min) so, zumindest in ihren Liedern. Die sind ein ganz ausgebufftes Trio, schöne Musik und schön gemeine Texte, immer direkt auf die Banalitäten des Alltags. Vor allem wie die Männlein bei den Weiblein rumbaggern und das am Ende doch alles schiefgeht wird in unterschiedlichsten musikalischen Stilen vorgeführt.

    Im Club Cherie (Con Anima CA 26530/ Eichborn ISBN 3-931265-30-7; 14 Tracks, 51:37 min) will Achim Konejung mit seinen (eigenen) Songs für Liebeskranke mal so richtig den Macker heraushängen lassen. Doch es ist zu viel Masche dabei, zuviel Flachsinn darin, um es gut werden zu lassen, von mir aus auch richtig fies sein zu  lassen.

    Hannes Wader macht richtig schöne Lieder, manchmal auch zu schöne Lieder, und er hat trotz seiner über dreißig Jahre Liedermacherei, immer noch Wünsche (Pläne 88863; 12 Tracks, 54:48 min, Texte). Bei ihm kommt der 11.9. direkt vor, in einem Lied über den bekannten Viktor Jara, der nach dem Militärputsch am 11. September 1973 in Chile bestialisch ermordet wurde. Wader ringt in seinen Liedern immer noch um gesellschaftlichen Fortschritt. Besonders hörenswert ist auf der CD auch sein Jahreszeiten-Zyklus, eine Liedtradition, die er schon lange pflegt.

    Lydie Auvray, die französische Akkordeonspielerin, wurde in Deutschland vor allem durch eine Tournee als Begleitmusikerin von Hannes Wader bekannt. Seit langem macht sie eigenen Programme und ihre neuste Produktion heißt Triangle (Pläne 88865; 17 Tracks, 49:17 min, Texte). Nicht nur, daß die Frau komponiert und ihr Akkordeon wunderbar beherrscht, sie hat auch eine eindrucksvolle Stimme. So ist eine abwechslungsreiche, empfehlenswerte CD entstanden, die vielfältige musikalische Einflüsse widergibt.

     

    Vorkriegskabarett...

    Schau'mer mal wie das Kabarett auf die neue Weltlage reagiert, einstweilen also Vorkriegsware. Da Heilserwartungen bei Fundamentalisten hoch im Kurs stehen, kann man Wiglaf Droste nur zustimmen: Das Paradies ist keine evangelische Autobahnkirche (Mundraub/Frühstyxradio MR 6007-2; 2 CDs, 18 Tracks, 74:02 min und 17 Tracks, 71:40 min). Ein zynischer, böser Beobachter, mit scharfem Blick und scharfer Zunge ist dieser eitle, arrogante Herr, der mit gutem Gespür gegen Phrasen, falsche Attitüden, Denkfaulheit und Oberflächlichkeit seine spitze Feder zückt oder auch einfach nur unterhaltsam nörgelt. Da bekommt mal der Dalai Lama zusammen mit Peter Maffay sein Fett ab und einer plappernden Ex-Freundin dagegen macht er den Buddha. Sollte sich der eine oder andere Zuhörer über irgendeinen Text ärgern, so ist dies durchaus beabsichtigt.

    Die Frage Wie man am schnellsten in den Himmel kommt (Roof/Indigo RD 2133125/ Eichborn ISBN 3-933686-80-6; 3 CDs, 7 Tracks, 67:03 min und 9 Tracks, 72:24 min und 7 Tracks, 74:13 min) beschäftigt auch Thomas Pigor: Als Heiliger, lautet die naheliegende Antwort. Da viele moderne Berufe keine Schutzpatrone mehr haben, stellt Pigor 10 neue Heilige vor. Genauer gesagt er läßt vorstellen von berühmten Kollegen, wie z.B. Josef Hader, Cora Frost, Katharina Thalbach und Götz Alzmann. So bekommen Bademeister, KFZ-Mechaniker, Computerhändler u.a. endlich die helfende Lobby, ohne die der liebe Gott alles alleine machen müßte. Ganz köstliche, hinterfotzige Satiren, die mit sakraler Musik von Burkhard Wehner begleitet werden.   

    So wahr ich Gott helfe (conanima CA 26531/ Eichborn ISBN 3-931265-31-5, 28 Tracks, 75:27 min, Infos) offenbart uns Thomas Reis seine erschöpfenden Ansichten über das, was der liebe Gott mit seinen Geschöpfen der Erde hinterlassen hat und das was wir Menschen so mit unseren Schöpfungen, von Klonen bis Robotor, anstellen. Er treibt mit Wortspielen, Gedankensprüngen und dem Entsetzen Scherz.

    Die Asphaltpoeten (Kein & Aber Records/EFA 22798-2/ Eichborn ISBN 3-0369-1113-8, 15 Tracks, 78:39 min, live, Infos) sind Menschen (meist Männer), die ihre bizarren Alltagsgeschichten (meist aus dem Großstadtdschungel) in kleinen Klubs (meist in Berlin) vortragen (meist regelmäßig, an festen Tagen). Irgendwo zwischen Literatur und Kabarett angesiedelt, hat sich inzwischen eine Szene von Vortragenden und Zuhörern entwickelt, die West und Ost zusammenführt. Eine ganz eigene, innovative Kleinkunstform, die hier zu entdecken ist.

    Bestsellerfressen (WortArt 71177/ Lübbe ISBN 3-7857-1177-8; 14 Tracks, 76:42 min, live) spielen lesend Wolfgang Nitschke, singend Norbert Alich und Klavier spielend Stephan Ohm. Es werden Bücher von Helmut Schmidt, Norbert Blüm und Franz Alt ebenso herzerfrischend verrissen wie vom Dalai Lama und Isabell Allende. Das ist ein Bildungsprogramm für Fortgeschrittene, in dem der Gedankenkitsch obiger Autoren bloßgelegt wird. Damit man sich nicht überfrißt, gibt's zur besseren Verdauung Intermezzos guter Musik und intelligenter Lieder.

     

    ...quer durch's Land

    Kulinarisch geht's weiter zur Henkersmahlzeit (Leico-music Tel.: 06887-2376; 32 Tracks, 73:52 min, live) ins Saarland, zu Detlev Schönauer in Jacques' Bistro. Er ist vor allem ein musizierender Parodist, der als französischer Bistrowirt in Saarbrücken regional bezogen agiert (immer rauf auf die Pfälzer und rein in den eigenen Filz). So räsoniert er über die Unterschiede zwischen Mann und Frau, stellt musikalische Anrufbeantworter vor und in einer Schwätzerrunde in mehreren Dialekten, wird, wie bei Wirten üblich, auch mal der Stammtisch bedient.

    J. v.Manger, G. Kreisler, K. Wecker u.a. wurden von Detlev Schönauer in  Das "liederliche" Gästebuch (Leico-music; 19 Tracks, 69:09 min, live) in Jacques' Bistro eingetragen.

    Übrigens: die Bundesanstalt für Arbeit bedankt sich ganz herzlich bei Marcel Reich-Ranicki dafür, daß er Heerscharen von parodierenden Kleinkünstlern die Arbeitsplätze sichert.

    Ich denke also sing' ich (unterwegs) (Kulturbureau Tel.: 06181-982121; 15 Tracks, 70:20 min, live) behauptet Bodo Wartke, der von Bad Schwartau (irgendsoein Marmeladennest bei Lübeck) nach Berlin gezogen ist. Der junge Mann reimt, schüttelt und singt diese Lieder am Klavier auch noch selbst. Er hat eine nette, frische Art, hat Humor, so daß man ihm gerne zuhört.

    Was soll man zu Jürgen von Manger noch sagen, außer vielleicht: Dat is vielleicht ein Dingen (Roof/Indigo RD 2133127/ Eichborn ISBN 3-933686-81-4; 5 Tracks, 52:50 min). Der Unteroffiziersunterricht, die Hochzeitsrede und der sympathische Schwiegermuttermörder sind u.a. auf der CD zu hören, mit der wir uns in Zukunft ein schöneres Leben machen wollen.

    Wenn Günther allein zu Haus (Eulenspiegel/AMI Tel.: 0351-8036765; 10Tracks, 43:26 min, live) ist, dann läuft Uwe Steimle aus Dresden zu Hochform auf. Dieser klagende, arbeitslose ehemalige Parteisekretär schlägt sich so rum mit den neuen Zeiten und denkt an die alten. Jetzt hat ausgerechnet er einen Job als Kirchenführer angeboten bekommen. Die Gehirnwindungen aktivieren direkt die Lachmuskeln, so daß diese Seitenhiebe in alle Richtungen austeilen, vor allem nach Westen und nach Osten.

    Autark (Zampano/BMG 7432188403-2; 18 Tracks, 61:41 min, live, Infos) möchte Django Asülgerne werden, doch die Mutter erlaubt's eigentlich nicht. Das Leben ist schon vertrackt als niederbayrischer Türke mit Banklehre, oder soll man sagen als türkischer Niederbayer? Er plaudert aus seinem Leben und schafft es, sich über die Dummheiten beider Nationen lustig zu machen.

    Gehe hin und meerrettich (BMG ariola 74321874482; 24 Tracks, 60:57 min) empfiehlt  Willy Astor. Der Bayer ist ein Meister des flachen Humors, voller schräger Ideen mit Tempo, wortverspielt, singend und kalauernd. Er veräppelt einfach gekonnt modernes Blablabla, sei es in der Werbung, den Medien oder in speziellen Szenen.

    Der Münchener Andreas Giebel ist Vom Heben gezeichnet – ein Sherpa packt aus (WortArt 71190/ Lübbe ISBN 3-7857-1190-5; 11 Tracks, 74:44 min, live, Infos) und grantelt rum. Sein Stammtisch bei Lucy, die immer wieder ihr Lokal verlegen muß, ist sein Problem. Er sollte da eigentlich nicht mehr hin gehen, aber er kann nicht davon lassen. Die Spezls und die Wirtin fehlen ihm sehr, auch wenn die Kneipe inzwischen bis nach Brixen/Südtirol verlegt ist. Zwischen den Wirtshausgängen liegt das wirkliche Leben, an dem Mann auch schwer zu tragen hat. (Übrigens Sherpa sind eine Volksgruppe im Himalaja, die Gepäckträger für die Bergsteiger stellen).

    Aus Südtirol ins Rheinland gekommen und seit Jahren als rheinischer Spezialist anerkannt ist Konrad Beikircher. Eine Neuauflage seiner einführenden rheinischen Trilogie in vielen Teilen ist jetzt gestartet: Himmel un Ääd (Roof/Indigo RD 2133132; 2 CDs, 5 Tracks, 71:16 min und 3 Tracks, 65:09 min, live) und "Wie isset? ...Jot!" (Roof/Indigo RD 2133133; 8Tracks, 68:19 min und 9 Tracks, 61:21 min, live)

    Mölle-Männer...runter kommen sie alle (WortArt 71174/ Lübbe 3-7857-1174-3; 18 Tracks, 62:30 min, live, Infos) verspricht uns Peter Vollmer, der auch in Köln lebt. Sein zeitgeistkritisches Programm spannt Bögen von der Bahn AG zur Bundeswehr, von Stoiber bis zu den Grünen und von der Kinderstube zur Hard- und Software der Ehe.

    Zum Schluß noch etwas Abgefahrenes: Verchromte Eier 2 (FSR 5050-2; 21 Tracks, 73:56 min) von und mit Dietmar Wischmeyer. Die Truppe vom Frühstyxradio ist ja nicht zimperlich und so wird der echte Biker und das Bikerleben- und sterben verarscht, sowie einige Kultmaschinen durch den Kakao gezogen. Da rappelt die Harley voll Zorn und in der Goldwing bleibt aus Protest die Bordküche kalt.


    Erleuchtungen – im Kirchenkabarett

    Es gibt Nischen im Kabarett, die nur wenig beachtet werden, was mitunter schade ist, da sie einer genaueren Betrachtung wert sind. Schüler- und Studentenkabaretts gehören dazu oder Gruppen, die in der Bundeswehr, in Betrieben (in der DDR gab's dergleichen) und Institutionen wirken, wie z.B. in den Kirchen. Überall wo ein deutlicher Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Theorie und Praxis tobt, besteht Satirebedarf. Gerade in den Kirchen ist dieser vergleichsweise groß, was sich an Kirchentagen, eigenen Kirchen-Kabarett-Festivals und im Internet ablesen läßt. Doch nicht nur das Konfliktpotential, sondern auch ein hochqualifiziertes und ebenso motiviertes wie frustriertes  Personal haben in den Kirchen, vor allem den evangelischen, zu einer beachtenswerten, überwiegend regional orientierten, Kabarettszene geführt. Die Programme drehen sich natürlich hauptsächlich um innerkirchliche Fragen, doch Außenstehende werden vieles auch aus anderen Lebenszusammenhängen her kennen. Es menschelt halt in solch großen, bürokratischen und hierarchischen Organisationen an allen Ecken und Kanten. Inzwischen gibt es auch einiges zu Hören und zum Lesen für daheim, falls man nicht zufällig ein Kirchenkabarett um die Ecke hat.

    Der real existierende Protestantismus (BoD ISBN 3-8311-0934-6; R. Rautenberg Tel.: 02304-2702) wird von der Schwester & Brüder GmbH (Sabine Henke und Reiner Rautenberg / www.kommpott.de/gmbh/ ) aus Dortmund seit 10 Jahren seziert. 168 Seiten mit Liedern, Texten und Bildern geben einen guten Eindruck vom hohen Niveau der evangelischen Geschwister. Wieviel Salz auf ihrer Haut (13 Tracks, 66:18 min) die Wunden reizt, wenn sie so Unter Brüdern (14 Tracks, 56:42 min ) sind, zeigen die beiden CDs (Bezug: R.Rautenberg s.o.). Die Aufnahmequalität ist nicht so professionell, die Qualität der Programme  (es gibt Überschneidungen) aber wohl.

    Ein Erstes Allgemeines Babenhäuser Pfarrer Kabarett existiert auch schon und dieses hessische Duo (C.-J. Herrmann und H.-J. Greifenstein) babbelt eine Zwergpredigt (H.-J. Greifenstein Tel.: 06073-2226;  12 Tracks, 55:14 min ), die es humoristisch in sich hat. Die beiden haben anscheinend Badesalz auf ihrer Haut.

    Mit dem Klüngelbeutel wird seit 1990 in Köln auf die evangelischen Gläubigen losgegangen. Krümel vom Tisch des Herrn (CMZ-Verlag; ISBN 3-87062-509-0) zum Nachlesen und 2 MCs mit Highlights und Kölsche Highlights (Wolfram Behmenburg Tel.; 02234-692730) zeugen vom Einfallsreichtum und der Schaffenskraft des Ensemble rund um die Familie Behmenburg.

     

    2001-12-15 | Nr. 33 |





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