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    Lyrik, Jazz und Prosa

    Ein zorniges "Gedicht für die Gedichte nicht lesen" hat Hans Magnus Enzensberger 1960 geschrieben, doch man sollte es lesen und man kann es auch: Der neue Conrady - Das große deutsche Gedichtbuch: (Artemis & Winkler;  ISBN 3-538-06894-1; 1307 Seiten, 49,90 Euro), eine einzigartige und beeindruckende Anthologie deutscher Gedichte, hat es auf Seite 898 parat. Über 2000 Gedichte aus über 1000 Jahren, über 1300 Seiten, über 3 ½ Pfund schwer – man sieht insgesamt keine leichte Lektüre, aber ein Entdeck- und Schmökerband ohnegleichen. Karl Otto Conrady, ein emeritierter Professor für neuere deutsche Literatur hat seine Sammlung bekannter und unbekannter Namen und Gedichte nun schon zum dritten Mal erarbeitet. Von Hans Sachs bis Jandl, von Hölderlin bis Volker Braun, es faszinieren die Fülle, die Vielfalt, die Stile und die Themen; diese wunderbare Schwarte ist ebenso bildend wie erbauend. Wort- und Sacherklärungen, sowie sorgfältige Verzeichnisse erhöhen den Gebrauchswert  des Werkes zudem, man kann es gar nicht laut genug empfehlen.

    Daß Gedichte auch heute noch geliebt und gelesen werden, bewies eine große Umfrage vom WDR und Patmos Verlag über Die Lieblingsgedichte der Deutschen (Artemis & Winkler, ISBN 3-538-06924-7; 176 Seiten, 2 CDs, 29,95 Euro). Es entstand eine erstaunlich traditionelle Anthologie mit 100 Gedichten, die guten alten Klassiker beherrschten das Feld; doch auch die Made von Heinz Erhardt schlich sich ein, dagegen hatte Enzensberger hier keine Chance. Es ist also ein freudiges Wiederlesen guter alter Bekannter – und ein Wiederhören. Dem Buch sind zwei CDs beigefügt, auf denen hervorragende Schauspieler (Mühe, Sander, Mann, Tukur, Beikircher, Mellies, Fr. Antoni und Fr. Thalbach) die Werke eindrucksvoll vortragen (daß Schillers Glocke im Vortrag von Dieter Mann, der Länge wegen, mittendrin ausgeblendet wird, schmerzt geradezu beim Anhören, soll hier aber die einzige Kritik bleiben). Dunkel war's, der Mond schien helle, als der Knabe im Moor um Mitternacht dem Erlkönig, in Erinnerung an die Marie A, Wandrers Nachtlied an die Nachgeborenen vortrug.

    Christian Brückner, ein (zu?) viel gehörter Schauspieler, Sprecher und Synchronsprecher (Redford, de Niro) mit einer bemerkenswerten, ruhigen und sonoren Stimme hat das Label Parlando gegründet und bringt zusammen mit der Jazzmusik seines Sohnes Kai Lyrik, Prosa und politische Texte zu Gehör (nebenbei, die Infos können bei fast allen Produktionen ausführlicher sein).

    Die Gedichte von Ossip Mandelstam (Parlando ISBN 3-935125-13-5; 25 Tracks, 51:24 min, Infos), einem russischer Dichter, der 1938 den stalinischen Verfolgungen zum Opfer fiel, hat 1959 Paul Celan in einer ersten Übersetzung in Deutschland bekannt gemacht. Diese Auswahl aus drei Gedichtbänden mit Werken von 1908 bis 1924 sind keine leichte Kost, sie erfordern Konzentration. Brückner trägt sie sehr präzis vor, so daß die Fragen des Individuums an das Leben nachhallen können.

    Nahe bringt Christian Brückner einem die Gedichte von Hölderlin (Parlando ISBN 3-935125-03-8; 37 Tracks, 68:38 min, Infos ), diesem geheimnisvollen, schwierigen, sehr deutschen Dichter, der 1843 nach jahrzehntelangem Dahinsiechen in Pflegschaft/Gefangenschaft verstarb. Ein großer Dichter, ein großer Name, dennoch kaum noch gelesen, wird wieder ein Stück vor dem Vergessen bewahrt.

    Henry David Thoreau (1817-1862), ein Schriftsteller und Philosoph aus Concord/Massachusetts hat während einer Nacht, die er wegen seiner Weigerung Steuern zu zahlen im Gefängnis verbrachte, ein berühmtes Essay verfaßt, das einigen Einfluß auf die (amerikanische) Geistesgeschichte hatte: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat (Parlando ISBN 3-935125-08-9; 7 Tracks, 71:31 min, Infos). Es ist ein engagiertes Pamphlet für einen strikten, aber verantwortungsvollen und ethischen Individualismus, der ebenso überzeugend anziehend wie befremdlich wirkt. Der Schwerpunkt, den Christian Brückner seinem Verlag Parlando vorgibt, wird gerade bei diesem Werk deutlich: das Individuum und seine Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft.

    Die Geschichte eines Mannes, der immer Gehorsam in seinem Staat übte und forderte, liest Manfred Krug, der inzwischen Unliebling der Deutschen Telekom: Leben bis Männer (Roof Music / Eichborn ISBN 3-933686-91-1; 2 CDs, 45:56 min + 36:38 min, Infos) von Thomas Brussig. Nun sollte man wg. Manne Krug vielleicht besser keine Aktien kaufen, aber mit CDs kann man sich bei ihm kaum vertun. Da redet sich ein Jugendfußballtrainer bei Magdeburg so richtig warm, und es entsteht ein spannendes und komisches Soziogramm eines verschwundenen Staates. Im Gestrüpp vom Sparwasser-Mythos und den DDR Grenztruppen verheddert sich der gute Mann und einer seiner Sprößlinge. Eine interessante Geschichte und ein Heimspiel für Manfred Krug.

    Aus den Aufzeichnungen seiner häufigen Telefongespräche mit Ernst Jandl (WortArt 71253 / Lübbe ISBN 3-7857-1253-7; 5 Tracks, 54:54 min) hat Klaus Siblewski eine einfühlsame und einzigartige Rundfunksendung gemacht. Die letzten Jahre vor seinem Tod baute Ernst Jandl körperlich und geistig ab, erholte sich wieder, erkrankte, haderte, machte Pläne und erlag doch am Ende seinen Leiden. Diese Phasen spiegeln sich wider in seinen Telefonaten und man ahnt einiges vom dem, was in diesem großen Dichter vorging.

    Wer war Valeska Gertrud Samosch? Wer erinnert sich noch an diese  kleine große Tänzerin, Kabarettistin und Schauspielerin, die sich Valeska Gert nannte? Die Hörcollage von Peter Eckkart Reichel : Solo für ein Mannequin von Grieneisen (duo-phon 07013; 15 Tracks, 75:29 min, ausführliche Infos), mit Monika Hansen und Gerd Wameling als Sprecher, bringt das Leben dieser eigenwilligen Künstlerin wieder einer Öffentlichkeit nahe. Die Stationen Berlin, Exil in New York, nach der Nazizeit wieder Berlin und schließlich Kampen, mit all ihren Klubs und Programmen, werden nachgezeichnet und mit Originalaufnahmen angereichert, so daß ein umfassendes Porträt entsteht.

    Im Hessischen Rundfunk laufen seit einiger Zeit Features mit Kabarettgeschichte(n), die Katrin Köbernick gestaltet, und die als CDs erscheinen. Jetzt gibt es die Sendungen über Heinz Erhardt (hr audio ISBN 3-89844-227-6; 13 Tracks, 63:51 min, Infos) und Hanns Dieter Hüsch (hr audio ISBN 3-89844-226-8; 12 Tracks, 77:28 min, Infos) im Handel. Heinz Erhardt wurde in 1909 Riga geboren, sang Lieder und spielte Klavier, machte Kabarett und Truppenbetreuung und wurde auf der Bühne und im Film als Komiker gefeiert. Sein freundlicher, verschmitzt-harmloser Humor begeisterte das Publikum und er ist bis heute unvergessen. Welche Erfolge und Erfolgsängste dieser lustige Kleinbürger hatte, der so kläglich starb, erzählt die CD.

    Hanns Dieter Hüsch gehört zu den dienstältesten deutschen Kabarettisten, der sein Profil im Laufe seiner Karriere mehrfach geändert hat. Behindert geboren, verlebte er dennoch eine glückliche Kindheit am Niederrhein, der/die ihn stark prägte. Er ist immer ein menschenfreundlicher Kritiker gewesen, dessen Ausflüge ins politische Kabarett nicht zu seinen stärksten Auftritten wurden. Ein Schlawiner konnte er auch sein, da erzählt die CD weniger, aber ein netter, so darf man annehmen, war er auch da. Zwei informative Scheiben, die man empfehlen kann.


    Musik, Lieder und Chanson

    Zwischen dem woher und dem wohin (Bear Family 16052; 33 Tracks, 73:58 min, ausführliche Infos) finden sich einige Perlen der Musikgeschichte, denn Friedrich Hollaender spielt Hollaender. Privataufnahmen des Künstlers geben Auskunft über  die Entstehung dreier Nachkriegswerke des Künstlers, die alle nicht den ersehnten Erfolg brachten (Das Blaue vom Himmel – Adam und Eva – Scherzo). Hier kann man reinhören in die Melodien – und vielleicht wird diese CD dazu beitragen, irgendwo eine Neuinszenierung zu wagen.

    Hollaender gehört auch zu den Komponisten, die sich Udo Lindenberg für sein Projekt Atlantic Affairs (BMG 74321937582; 16 Tracks, 57:56 min, Infos) ausgesucht hat. Er hat sich vorgenommen, die ins Exil getriebenen Musiker (u.a. Eisler, Weill, Heymann, Abraham, Gilbert) wieder stärker im öffentlichen Bewußtsein zu verankern. Hilfestellung leisten dabei u.a. Die Prinzen, Tim Fischer, Nathalie Dorra. Die Songs von gestern im Sound von heute, so lautet das Motto. Ein lobeswertes Unterfangen.

    Es gibt noch Märchen auf dieser Welt (duo-phon 05323; 23 Tracks, 69:08 min, ausführliche Infos) glaubte Marta Eggerth, ein früherer Superstar in Operette und Film, die im April 90 Jahre alt wurde. Alle Schallplattenaufnahmen dieser Sopranistin von 1931-1933, vor allem Lieder von Paul Abraham, Robert Gilbert, Lehar und R.Stolz wurden auf dieser CD versammelt

    Michael Jary fragt zu recht: Warum ist die Banane gelb? (duo-phon 05313; 24 Tracks, 24 Tracks, 70:02 min, ausführliche Infos). Er hat während der Nazizeit, trotz deren Verfemung, vor allem mit Swingmusik brilliert und für einige Filme die Musik geschrieben. Da singen R. Schuricke, E. Künneke und Z. Leander, vor allem aber swingt es locker vor sich hin.

    Un dokh sing' ikh! (Pläne 88871; 16 Tracks, 65:46 min, Texte, ausführliche Infos in englisch) war das Lebensmotto eines der profiliertesten Tenöre und Kantoren in der Sowjetunion:  Misha Alexandrovich. Es ist bereits die dritte CD des heute 88jährigen, die bei Pläne herausgekommen ist, diesmal liegt der Schwerpunkt bei jüdischen Volksliedern, denen seine wunderbare Belcantostimme eine große Präsenz verleiht.

    Liebeslieder (Pläne 88866; 10 Tracks, 39:43, Texte) haben Zupfgeigenhansel 1984 gesungen, die LP war nur kurz auf dem Markt, dann wurde sie von EMI zurückgezogen. Es sind also rare Aufnahmen, deren Neuauflage Fans erfreuen dürfte. Volkslieder, eigene Lieder, Bearbeitungen sind auf dieser schlicht schönen Scheibe zu vernehmen.

    Achim Reichel hat ja schon lange einen Fabel für deutsche Balladen und nach vielen Jahren hat er mal wieder welche vertont: Wilder Wassermann (WEA 092743339-2; 12 Tracks, 47:27 min, Texte). Da hat der alte norddeutsche Rocker sich vor allem die etwas mystischen Balladen vorgenommen, die düsteren und geheimnisvollen, die mit Wasser zu tun haben, sie werden mit gradlinigem, erdigem Rock aufgepeppt. So kann man es machen, aber übermäßig originell sind die Arrangements nicht. Der Nöck, der Erlkönig, die Loreley und Belsazar treiben in Vineta in der Walpurgisnacht die Geister vom See.

    Die Biermösl Blosn spielen Räuber & Gendarm (Mood/Zweitausendeins; 16 Tracks, 47:02 min, Texte) und ihr alter Spezi Gerhard Polt macht natürlich mit bei den erschröcklichen Bayerischen Räuber- und Wildschützliedern. Ganz schön wuid ging's zua. Es wurde gefochten um Rechte, Freiheit, gegen Hunger und Not, es gab Helden, Gauner und Legenden. Wie man es von der Familie Well erwartet, geht es zünftig zur Sache, die Scheibe ist drum eine runde Sache. 

    Tim Fischer befindet sich im Walzerdelirium (Warner SM; 2 CDs, live, 12 Tracks, 40:18 min + 15 Tracks, 57:58 min). Wer hier Musik mit Sahnehäubchen erwartet, geht fehl: keine falsche Romantik, sondern handfeste Chansons im ¾-Takt von Kreisler, Hollaender, Pigor/Eichhorn, Brel, Waits Mercury u.v.m. werden geboten. Tim Fischer beherrscht die leisen  Töne ebenso, wie die herzhaften Passagen, er weiß den Liedern seinen ganz eigenen Ausdruck zu geben. Walzer einmal anders.

    Bei Manfred Maurenbrecher  gibt's ein Gegengift (Lamu Records  ISBN 3-935099-05-3; 15 Tracks, 66:55 min, Texte) gegen den mißlichen Alltag. Er erzählt Geschichten direkt aus dem Leben, haarscharf beobachtet, kraftvoll gesungen und mit einprägsamen Melodien am Klavier begleitet. Er ist einer der besten Texter/Liedermacher den das Land hat, daß er immer noch ein Geheimtip ist, bleibt auch nach dieser CD wieder unverständlich: Gib nicht gleich auf!

    Lieder zwischen heut' und morgen (Lamu Records ISBN 3-935099-04-5; 13 Tracks, 51:10 min, Texte) singt die Schauspielerin und Kabarettistin Simone Solga auf ihrem Debütalbum. Und nett macht sie das! Hübsche, leichte Lieder, mit einer Prise Schlager darin, die die Atmosphäre ihrer ostdeutschen Herkunft, ihrer Münchener Wahlheimat und der italienischen Wochenendausflüge einfängt. Ob die Lieder wohl an einem schönen Sommermorgen auf dem Balkon aufgenommen wurden? Ihre freundliche Stimme klingt so jedenfalls so fröhlich, daß man mitsummen möchte.

    Doch zu ernsteren Dingen, twotones sind auf der Spur: XY ungelöst...Neues vom Geschlechterk(r)ampf (big concerts Tel.: 06321-670411; 13 Tracks, 68:00 min, live, Texte + multimedia Track). Von Sängerin Petra Sauer und dem Komponisten Rainer Klundt am Klavier gibt's Nachdenkliches, Frivoles, Klischeehaftes und Boshaftes zum Thema, hauptsächlich aus der Feder Birgit von Gs.. Das Publikum hat seine helle Freude und als es zum Abschluß noch ein Lied im Dialekt gibt, flippen die Pfälzer in ihnen aus.

    Hier singt das Volk (Pigalle Records / Eulenspiegel ISBN 3-359-01056-6; 14 Tracks, 47:59 min, Texte), und zwar zynisch und fies, satirisch und musikalisch vielseitig. Die alten Böcke, drei (östliche?) Unterhaltungsmusiker, die hier inknognito bleiben, leihen dem Volk ihr Ohr und ihre Stimme. Eine bitterböse Abrechnung mit neoliberaler Rücksichtslosigkeit und medialen Scheinwelten. Die drei Herren nehmen kein Blatt vor den Mund, von dieser konsequenten Schärfe und Professionalität sind politische Songs heute selten. Donnerwetter!

    Einen Rückblick (Conträr 1357-2; 14 Tracks, 48:13 min, Texte) in die siebziger Jahre gibt's mit Ulrich Roski. Intelligente Lieder, humorvoll, kritisch, handwerklich sauber gemacht und gut gesungen, waren sein Markenzeichen. Tja, wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr?, aber wollen wir nicht melancholisch sein, es gibt sie ja wieder, die schönen alten Lieder: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn Josef Palm, das Pistenschwein und Plastic-Joe, der kleine Mann von der Straße mit dem athletischen Körperbau, schöner wohnen wollen.

    Na denn (duo-phon 06043; 15 Tracks, live, 68:41 min, Infos)  blödelten auch Schobert & Black, ebenfalls in den Siebzigern, so vor sich hin, als Unsinn noch etwas Subversives hatte und nicht Normalnull war. Stets mit langen, komischen Dialogen als Ansagen, gerne auch mal in ostpreußisch,  waren ihre Lieder voller Witz und Ironie. Man freut sich immer noch daran!

    Die Bar jeder Vernunft... (duo-phon 06033; 2 CDs, 18 Tracks, 66:33 min + 18 Tracks, 64:22 min) in Berlin gibt es jetzt 10 Jahre, Grund genug diese Institution der Kleinkunst gebührend zu feiern. Hier wurden Karrieren gestartet, gewagte Projekte aufgelegt und (zumeist musikalische) Kleinkunst ganz groß herausgebracht. Wer zählt die Namen, die alle hier zusammen kamen? Die Dee, Meret Becker, die Geschwister Pfister, Hudson Shad, Max Raabe, Cora Frost, Ars Vitalis, Die drei alten Schachteln und viele mehr sind auf den CDs mit Ausschnitten vertreten.  Wer in der Hauptstadt ist – reingehen, das Album für's Heim besorgen. Wer mehr über die Bar jeder Vernunft (Eichborn Verlag ISBN 3-8218-0724-5; 175 Seiten, 24,90 Euro) wissen will, kann dies im sehr informativen Buch von Ute Büsing und David Baltzer  nachlesen. Das Spiegelzelt, ein holländisches Hochzeitszelt, steht auf dem Dach eines Parkhauses in der Berliner City. Gegründet wurde die Bar von Holger Klotzbach, einem der drei Tornados. Weiteres, auch über die Künstler und Inszenierungen ist ausführlich im Buch geschildert und bebildert.


    Wort, Wörter, Kabarett

    In der alten Hauptstadt Bonn startete vor 15 Jahren das Pantheon. Hier wird vor allem das Wortkabarett gepflegt. Die Schandmäuler 1 + 2 (Pirate Records 5082582 + 5082592 / Sony; Vol 1:Comedy 18 Tracks, 74:21 min; Vol 2: Kabarett 18 Tracks, 74:11 min), die hier versammelt sind, gehören ebenfalls zu den Edelsten ihres Faches: Beltz, Pispers, Hildebrandt, Polt, Hüsch, Kreisler, Hader und Mittermeier, Hoffmann, Badesalz, Knebel, H. Schneider, Missfits, Nuhr, Grosche u.a.. Die Unterscheidung und Zuordnung in Comedy und Kabarett ist nicht immer ganz schlüssig, aber was soll's, die Beiträge sind erstklassig. Ein who is who des deutschen Kabaretts.

    Weihnachten steht vor der Tür, Sie wissen nicht was Sie schenken sollen? Wie wär's denn mal mit Geld (WortArt 71176 / Lübbe 3-7857-1176-X; 2 CDs, 18 Tracks, 63:26 min + 15 Tracks, 63:38 min). Eine gute Idee vom Label alle möglichen Beiträge zu diesem Thema zusammenzustellen. Die unterschiedlichsten Künstler (R.Reiser, Nuhr, Priol, Pachl, Quast, Brüske, Pispers, Beltz u.v.m.), die unterschiedlichsten Stile, die unterschiedlichsten Einbindungen machen die Scheibe so interessant. Der direkte Vergleich zum selben Thema, sehr aufschlußreich.

    Gabi Decker ist ein ausgesprochenes vielseitiges Talent, sie könnte so manches Casting (WortArt 71255 / Lübbe ISBN 3-7857-1255-3; live, 14 Tracks, 71:39 min) locker bestehen. Sie kann singen, texten, spielen und parodieren, was sie in ihren Programmen stets aufs neue ausspielt. Diesmal ist es also ein Casting, das ihr die Gelegenheit bietet in immer neue Rollen zu schlüpfen. Mal hart und zackig, mal trottelig oder putzig, mal sexy oder deftig, sie trifft den Ton, manchmal auch im Dialekt. Ein Programm voller Komik und Tempo, mit bekannten Songs und einer aufgedrehten Künstlerin.

    Bei Helmut Schleich kommt alles zusammen, zumindest in seinem Magen, denn Das Auge ißt man mit (WortArt 71191 / Lübbe ISBN 3-7857-1191-3; live, 19 Tracks, 68:07 min, Videotrack). Das bayerische Schwergewicht zeigt in verschiedenen Rollen, was man im Leben so alles schlucken muß: z.B. wie  Feng-Shui-Ernährungsberater nerven können und Ost und West noch durch eine Mauer in den Töpfen getrennt sind. Auch wenn im Magen alles durcheinander geht, das Programm ist sehr bekömmlich.

    Das feinste vom Leben (Roof Music 2233156 / Eichborn ISBN 3-936186-03-0; live, 8 Tracks, 65:25 min) gibt's bei Kai Magnus Sting zu hören. Schlagfertig und flott plaudert er aus seinem nicht gar so leichtem Leben, stets auf der Hut vor seiner ständigen Begleiterin und anderen schwierigen Zeitgenossen, wie Hundebesitzern oder Verkäufern. Der Hosenkauf mit der Partnerin, schon fast ein Klassiker des Geschlechterkriegskabaretts, hier in einer weiteren Variante. Wiewohl man dergleichen schon öfter hörte, hört man es bei ihm ganz gern.

    Einen Boxkampf für die Sinne veranstaltet der außergewöhnliche, schräge Niederbayer Sigi Zimmerschied: Ihobs (Hirtenbrief Produktion ISBN 3-934044-46-8; 2 CDs, live; 11 Tracks, 67:59 min; 8 Tracks, 37:26 min). Hier ringt einer mit seinem Gotte und seiner Kirche; das ist schon eher ein Theaterstück, als eine Kabarettaufführung. Auf einer Bühne mit Boxring und Garderobe hadert ein Kleinkünstler/Schauspieler mit seinem Schicksal, dem Veranstaltungsort, dem Publikum und mit dem Zustand des Kabaretts im Land. Er setzt der (zunehmenden?) Flachheit des Genres seine ganz eigenen Maßstäbe entgegen. Zimmerschied ist eine Ausnahmeerscheinung, eigenwillig, sicher gewöhnungsbedürftig aber lohnend, eben an- und aufregend, wie gutes Kabarett sein sollte.

    Das sowohl in, als auch über die Kirche herzlich gelacht werden kann, beweist der Sampler mit Kirchenkabarett Comedy total (Evangelisches Verlagshaus Tel.: 0341-711410 / SPV; 15 Tracks, 51:51 min). Wie alle großen (bürokratischen) Organisationen, die sich sehr ernst nehmen, klafft auch in den Kirchen eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Bei solch einem gut ausgebildeten, hochqualifizierten Personal, dem Auftritte vor Publikum nicht fremd sind, das aber dennoch vor allem mit dem organisatorischen Innenleben beschäftigt ist, bietet sich kabarettistische Betätigung als Entlastung geradezu an. Vor allem im Ruhrgebiet und in Hessen machen vergleichsweise viele (evangelische) Kirchenmenschen Kabarett. Und die Herrschaften sind nicht schlecht. Sechs Personen/Gruppen parodieren, singen, albern und spielen auf dieser CD über Gott und die (Kirchen)Welt. Ein etwas ausführlicheres Booklet hätte der Produktion gut angestanden.

    Blasswienie (T. Schröder Tel.: 02302-71434 / M. Wohlfahrt Tel.: 02302-50502; 8 Tracks, 57: 54 min) ist das Programm von K3 – Klerikales Kabarett Kommando. Ihre Themen sind sehr kirchenintern, Mitglieder- und Motivationsschwund seien hier als Stichworte nur genannt. Ob wohl andere Großorganisationen (Verwaltungen, Bundeswehr, Unis, Gewerkschaften, Sozialverbände, Vereine, Großkonzerne) ähnliche Formen der demokratischen Auseinandersetzung hervorgebracht haben?

    Es ist doch immer wieder eine Freude, wenn man Entdeckungen außerhalb des Mainstreams macht! Spätestens seit PISA hochaktuell: Die Daktiker. Drei Herren und eine Dame, der Profession nach LehrerInnen aus Lippstadt (das liegt in Westfalen) spielen hochprofessionell Kabarett; ihr Thema: der Schulalltag. Wunderbar, Dr Bass ...und täglich grüßt das Adolphinum (Eigenverlag Tel.: 02941-78710; 10 Tracks, 73:14 min) heißt ihr abwechslungsreiches Programm, bei dem jeder was auf die Nuß bekommt: die Bürokratie, die Lehrer, Schüler und der Hausmeister. Lachend hat man über die Situation an unseren Schulen mehr gelernt als aus einem Aktenordner Zeitungsartikel zum Thema.

    Daß das Ensemble auch singen kann beweist ihre CD Tonno, Schulla, Hitzefrei (Dest Records Tel.: 05257-940550; 19 Tracks, 42:26 min, Texte). Das Adophinum singt recht passabel, der Schulalltag wird zum Klingen gebracht.

     

    Das TRIO KUNTERBUNT präsentiert auf seiner aktuellen CD den Mitschnitt eines sommerlichen Kinderkonzerts im Mainzer KUZ. Bei "Tausend Träume" stehen Spielleider und Mitmach-Aktionen für

    die 4 bis 10-jährigen Kids im (begeisterten) Mittelpunkt. Erhältlich bei www.mpr-promotion.de.

     

    2002-09-15 | Nr. 36 |





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