Längst ist klar, dass wir uns in einer Art Geiselhaft befinden. Ob das die Preise für Strom sind, die für die öffentlichen Verkehrsmittel, Benzin oder überhaupt: es greift uns einfach die Politik … Mit dem Ergebnis, dass die anderen entscheiden und wir mitmachen müssen. Umzingelt von Leuten sind wir, die ihre Hände in unsere Taschen stecken und nach Geld fingern. Mit anderen Worten: Man tritt uns zu nahe. Das spiegelt sich auf ebenso unterschiedliche wie deutliche Weise im Kabarett wider. Und die Programme heißen „Macht los“ oder „Die Macht ist nicht allein zum schlafen da“, aber auch die „Würde ist unter uns“ oder „Schuch matt“. Also, die Wehrlosen melden sich zu Wort!
„Macht los“ fordert Lothar Bölck sein Publikum auf. Oder will er nur einen Zustand beschreiben? Auf der Bühne erscheint er im Smoking, unterstützt von einem Drehstuhl, auf dem er sich wiederholt in andere Figuren dreht. Im Mittelpunkt steht der Hinterbänkler Holzhausen, ein Mann, der sich ganz nah an der Macht befindet und ständig von ihr gebeutelt wird. Ein Gepeinigter, von Frau und Partei gleichermaßen. Da kann man die gute Laune schon mal verlieren. Im Programm wird kein wohlfeiles politisches Thema ausgelassen, alle Seiten bekommen ihr Fett weg. Bölck zeigt, dass Kabarett eine Form des Sich-Wehrens ist. Doch seine Gereiztheit ist heiter, keine Gelegenheit lässt er aus, die Worte zu zerpflücken, um sie erneut zusammenzumontieren. Manchmal klemmt’s, manchmal kennt man’s schon und manchmal ist es wirklich gut. Weshalb für diese politische Conférence allerdings eine Handvoll Bühnenfiguren auf die Bühne gebracht werden muss, ist nicht ganz einzusehen. Dafür fehlt eine Geschichte, die alles verbindet. Gründlich geht Bölck aber vor. Bei ihm sind am Ende alle Täter, ausgenommen freilich das Publikum. Ein kurzweiliges Programm.
Anders geht die Arche mit dem Thema übermächtige Kräfte um. Ihr Programm heißt „Wir lachen uns den Weg frei“. Zusammengekommen sind dabei das Uraltguthaben der Arche, Ulf Annel, und Steffen Wilhelm aus der Erfurter freien Szene. Das war ein kluger Griff und zu loben ist, dass Ulf Annel seinen Bühnenpartner nicht nur eingebunden hat, sondern dessen Möglichkeiten richtig nutzt. Eine Zusammenarbeit, die Erwartungen schürt.
Beim Kabarett Breschke & Schuch in Dresden hat Thomas Schuch sein erstes Solo vorgestellt. Auch der versierte Komödiant spielt in der Verliererpose und überschreibt seinen Abend mit „Schuch matt“. Auch er führt ein halbes Dutzend Bühnenfiguren vor, die allesamt mit dem Zustand der Welt zu kämpfen haben. Es geht um Kirche und Gesellschaft und natürlich um Politik. Da greift er tief ins Menschenleben und liefert eine schräge, satirische Show mit vielen kleinen Gemeinheiten und verblüffenden Abwechslungen. Er spielt mit leichter Hand und kann im Handumdrehen urkomisch sein. Doch auch bei ihm sind die Figuren nicht zwingend im Programm verankert; auch hier fehlt eine Geschichte, die alle miteinander verbindet. Man erlebt halt, passend zur schrägen Show, ein bizarres Figurenkabarett. Die Wechsel ergeben sich assoziativ. Ein gutes Programm, wobei man das Gefühl nicht loswird, dass Schuch bei seinem ersten Solo die Schippe etwas zu voll genommen hat.
Im September war auch Premiere bei der Magdeburger Zwickmühle. Ihr neues Programm hat Hans-Günther Pölitz „Die Würde ist unter uns“ genannt. Wo genau, untersucht er mit seiner Kollegin Marion Bach. Pölitz behandelt gewöhnlich die sozialen Themen, und das provokant und pointenreich. Und er sucht in seinem Spiel kenntnisreich die politische Auseinandersetzung. Es ist ein gutes Programm mit zwei Einwänden: Die Lieder sind nicht so aufregend und Marion Bach war zur Premiere in verschiedenen Rollen noch nicht ganz zu Hause.
Im September haben die Kiebitzensteiner aus Halle ihr 40-jähriges Bestehen gefeiert. Seit der Privatisierung 2002 haben sie eine wahre Achterbahnfahrt hinter sich gebracht. Es kam der große Streit, weil die Stadt eine beachtliche Unterstützung versprochen hatte. Schließlich übernahm der lokale Veranstalter Ulf Herden das Kabarett, dem es jedoch nicht gelang, ein Ensemble aufzubauen. Als die Subventionen 2005 gestrichen wurden, strich er die Segel. Nun hat ein Verein das Kabarett übernommen. Voran steht der bekannte Hallenser Micha Kost, der nunmehr versucht, den Namen Kiebitzensteiner hoch zu halten. Mit kargem Budget und viel Elan haben sie in einem Jahr neun neue Kabarettprogramme gestemmt, das letzte war ein Loriot-Abend mit dem Titel „Die Ente bleibt draußen“. Das ist ein kluger Zug, denn sie ehren damit einen Großmeister des Humors, spielen ihn nach Kräften gut und über die Erinnerung spielt der abwesende Meister ja immer mit.
Zum Schluss noch die Information, dass der Lachmessepreis Leipziger Löwenzahn 2008 an Matthias Deutschmann geht.
Redaktion: Harald Pfeifer
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31.01.08: Dresdner Herkuleskeule – „Drei Engel für Karli“ -
27.02.08: Fettnäppchen Gera – „Dolce Vita mit Rita“ -
06.03.08: Fettnäppchen Gera – „Lieber ’n Mann als gar keinen Ärger“
2007-12-15 | Nr. 57 | Weitere Artikel von: Harald Pfeifer