Nordhessen, auch wenn dies vielleicht noch nicht ins bundesrepublikanische Bewusstsein vorgedrungen ist, ist eine veritable Kleinkunst-Region. Darauf weist nicht nur der stetige Zuwachs von diese Sparte beherbergenden Locations, darauf weist vor allem die Vielzahl der Gruppen hin, die in jenen ihr ebenfalls ständig wachsendes Publikum beglücken. Einige von ihnen tun dies seit Jahrzehnten.
Das Theater Laku Paka mit Sitz in Kaufungen etwa feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen. 1983 hat es der Spieler, Autor, Regisseur, Bühnen- und Figurenbauer Günter Staniewski gegründet, zusammen mit seiner damaligen Frau Anke, mit dem Anspruch, „das ganz Große mit dem ganz Kleinen zu zeigen.“ Hinter dieser charmant kryptischen Formulierung verbirgt sich der ganze Kosmos des Puppenspiels, vom zur quengelnden Qualle umgewidmeten gelben Gummihandschuh bis hin zu animierten Scherenschnitten, frechen Klappmaulwesen, filigranen Marionetten, ausdrucksstarken Stabpuppen. Und bei Staniewski kann alles Ausstattung werden, vom rostigen Fahrrad bis zum prächtigen Hermelinmantel, von der holzwurmzerfressenen Kiste bis zur liebevoll illuminierten Brettlbühne. Er hat dem alten Märchenschatz ein neues Gesicht gegeben. Seine Tierparabeln brauchen den Vergleich mit La Fontaine (nein, nicht Oskar Lafontaine! Vielmehr Jean de La Fontaine, der berühmte Barock-Schriftsteller, dessen Fabeln in Frankreich jedes Schulkind kennt!) nicht zu scheuen. Er macht intergeneratives Puppentheater, dergestalt, dass die Kinder seine Geschichten und Figuren lieben und die erwachsenen Bezugspersonen sich, nebenbei, immer schon auf die Pointen zwischen den Zeilen freuen. Und er hat Erfolg damit, nicht nur in Nordhessen. Er war und ist weltweit auf Festivals präsent, von Sibirien bis Vancouver, von Bornholm bis Bordeaux, von New York bis San Francisco, von Japan bis Kamerun. Seit 1999 verkörpert die Musikerin, Komponistin, Spielerin, textile Gestalterin und Regisseurin Kerstin Röhn die anderen 50 Prozent des Theaters, die Büroarbeit teilt man sich auf. Zahlreich ist das Duo dekoriert worden, u.a. 2009, mit dem 1. Preis für die beste Inszenierung beim Hessischen Kinder- und Jugendtheaterfestival Marburg. Seit 2012 ist Günter Staniewski auch der Leiter des ambitionierten Internationalen Figurentheaterfestivals „Blickfang“ im Kloster Haydau. Seiner globalen Vernetzung ist es zu danken, dass sich seitdem in Altmorschen, einem verträumten Nest mitten im Schwalm-Eder-Kreis, die internationale Puppenspieler-Elite ein medial höchst beachtetes Stelldichein gibt.
Und noch ein Jubiläum ist zu feiern: Seit mittlerweile 20 Jahren präsentiert Bernd Gieseking seinen jährlichen satirischen Rückblick „Ab dafür!“. Gieseking war einer der Ersten überhaupt in Deutschland, die diese Form, diese Mischung aus Chronik und Kommentar, mit schrägen Sichtweisen und überraschenden Pointen, auf die Kabarett-Bühnen brachte. Doch was hat das mit Kassel zu tun, wird vielleicht mancher fragen. Ist doch Giesekings Jahresrückblick deutschlandweit zu besichtigen, von Lörrach bis Flensburg, von Köln bis in die „Ehemalige“. Nun: Das Format hat der Kabarettist erfunden, als er noch seinen festen Wohnsitz in Kassel hatte. Hier hat er damit experimentiert, hier hat es sich bewährt. Noch heute gehört Kassel und die Region Nordhessen zu den „Hauptabnehmern“ des Programms. Und zu Silvester residiert Gieseking nach guter, alter Tradition im „Gloria“, der 50er-Jahre-Perle der Kasseler Kinos. Um die Karten, 340 an der Zahl, prügelt man sich.
Zwei Jahre fehlen dem „Caldener Wintervarieté“ noch zur 20er-Jubelfeier. Das ist – neben dem Oster-Varieté – das Highlight in der Konzertscheune Calden, weit weniger umstritten, weit erfolgreicher als der Flughafen, der noch in Anlaufschwierigkeiten steckt. Die haben Scheunen-Chef Reinhold Braun und sein künstlerischer Leiter Peter Dams – der, unter seinem Pseudonym Brian o’Gott (Bild links), auch die Moderation übernimmt – längst überwunden.
Auch in Wolfhagen schickt man sich an, eine Tradition zu begründen: Im Januar 2013 wurde im dortigen Kulturladen erstmalig ein Kleinkunst-Winterfestival veranstaltet. Die Resonanz war so beeindruckend, dass man sich zu einer Neuauflage entschloss. Das Programm ist nur einen Klick weit entfernt, es lohnt sich, es in Augenschein zu nehmen.
| Ausgewählte Termine: Kassel | Nordhessen
Redaktion: Verena Joos
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