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    Pointen-Punching

    Was sein neues Programm ,,Hörsturz" angeht, so hat der Frankfurter Michael Quast in jeder Hinsicht nur einen Mann im Ohr. Schon für den Sommer geplant ging die Premiere im Mousonturm zur unchristilichen Startzeit vom 21:30Uhr los. Quast, seines Zeichen der genialste Geräuschemacher auf deutschen Kleinkunstbühnen ist diesmal nicht allein. Er hat seine Handpuppe Montag mitgebracht. Was bei anderen peinlich bis kitschig geraten würde ist hier ein gelungenes Doppel. Während Quast den ,,Good Guy" mimt, ist Montag (Segelohren und breites Schandmaul) ein gnadenloser K.O.-Comedian. Zugegeben wird bei ,,Hörsturz" nicht ganz klar, warum Quast einen Partner braucht. Wenn die zwei Mannen am Ende am Stand landen und dem Meeresrauschen zuhören, ist das jedenfalls sehr schön. Vorher werden uns von beiden akustisch wie inhaltlich die Ohren lang gezogen. Schon der alte Schopenhauer hatte sich ja schon über den Peitschenknall als Lärmbelästigung aufgeregt. Bei Quast geht es (natürlich) um den Handy-Terrorist im Lokal, den allgemeinen Tinitus einer Gesellschaft, die Ruhe als Zustand nicht mehr aushält und die Schwerhörigkeit gegenüber den wahren Problemen, weil die Börsenticker einen rammdösig machen. Dazu Ton-Kollagen vom Band, die quasi als dritter Partner um Gehör bitten. Quast ist offensichtlich diesmal streckenweise die zynische Gelassenheit abhanden gekommen. Die hörbare Bitterkeit einiger Passagen lässt sich auch nicht mit humorigem Eier jonglieren auffangen. Die Tage bissiger Munterkeit sind momentan offensichtlich vorbei.

    Ganz der Alte dagegen Matthias Beltz. ,,Eigenes Konto. Wenn alles sich rechnet und niemand bezahlt" ist wie eh und je ein Parforceritt zwischen Büßerpredigt und Polit-Karneval. Wie immer kreisen die endlosen Wortgewächse mit doppelter bis dreifacher Abschweifungsrolle und artistischer Stotter-Assotiation um das offensichtlich sehr lustiges Grundthema des Frankfurter Beltz-ebubes: Moral. Da gibt es nichts wirklich neues zu berichten. Ein bisschen Nietzsche, ein bisschen Kohl, ein bisschen Wasserhäuschen und als Zitat aus einem Tagebuch  Notizen eines 55igjährigen mit seinen körperlichen wie seelischen Zipperlein. Gewalt blitzt als Thema immerhin noch auf. Das früher beherzte ,,Rübe runter" gegen den Mitmenschen, kommt aber mit den real existierenden Amokläufen nicht mehr in einen zündenden Disput. Beltz spricht noch böse Dinge, man nimmt ihm das aber nicht mehr so ganz ab. Nach zwei Stunden hat sich die Frankfurter Fangemeinde im Großen Saal des Mousonturms in jedem Fall köstlich amüsiert und beim Poiten-Punching etwas inneren Dampf ablassen können. Unter medizinischen Gesichtspunkten ist Beltz nach wie vor der wirksamste Ratzeputz unter den Kabarettisten.

    Was kann man von einem Programm erwarten, das im ersten Satz schon Aristoteles zitiert? Die schlimmste aller Drohungen, Bildungskabarett, tritt beim neuen Solo ,,Sind wir noch von dieser Welt" des Mainzer Ilja Kamphues doch nicht ein. Im kleinen unterhaus robbt, hechtet, tanzt, singt und ackert sich ein junger Mann durch dieses unsere Alltagswelt. Teilweise fast unheimlich, wie Kamphues zu so ausgelutschten Dingen wie Teletubbies, Soda-Automaten, Wal-Mart die Veraromatisierung des Essens und sogar dem Pfui-Thema ,,Big Brother" geschliffenste Pointen auf Lager hat. Vor dem Hintergrund einer allgemeinen Verschwörungstheorie zwischen Akte X und  Feng -Shui-Gläubigkeit bedarf es allerdings nur der richtigen Perspektive um zu befürchten, das Paralelluniversum hätte uns voll in der Hand. In der Darstellungsweise streckenweise fast überprofessionell abgeliefert verlieren sich viele der Sprachpirouetten im nervösen Durchlauferhitzer Kamphues. Ein parodistischer Countrysong in Westernmontur dagegen war vor allem ziemlich lustig. Dafür fackelte es beim Finale doch ganz prächtig, wo sich beim Italiener alle Protagonisten des Kabarettabends noch mal zusammentrafen und über die Metapher nachdenken durften, ob das Leben eine Pizza ist. Das Mainzer unterhaus hat in Kamphues ein anspruchsvolles Haustalent, der sich gönnen sollte auf der Bühne etwas mehr und direkter ins Publikum zu schlammpampen.

     

    Redaktion: Kathrin Schwedler

     

     

    Termine

    Nennen wir es einfach ein Comeback: Ulrich Roski ist wieder on Stage. ,,Ich lerne sprechen- Ein Liedermacher ergreift das Wort" hat einen bitterbösen Hintergrund. Jahrelang litt der Erfinder von ,,Des Pudels Kern" an Krebs. Zusammen mit dem musikalischen Duo ,,Unsere Lieblinge" begibt sich die immer noch freche Berliner Schnauze teils in medizinische Gefilde, teils aber auch auf Reisen, wo man bekanntlich viel erleben kann. Termine: 7.12. KUZ Tattersall, Wiesbaden (0611 52  81 42), 8.12. HalbNeuntheater, Darmstadt (06151 233 30). In der Mannheimer Klapsmühl' erklärt Altrecke Thomas Freitag wie ,,Millionär in 98 Minuten2 geht. Eine satirische Performance über Performances und wie man als Geld-Guru den Leuten die Moneten aus den Taschen zieht. Das Rheinhessische Alzey goes Bayern. Am 9.12. heißt es im Oberhaus (06731 6687),,Maria Peschek kommt!". Die Münchner Vollblutkomödianten feixt sich wadelbeißend durch unser Medienzeitalter : ,,Öha!-Online in die bayerische Seele" heißt das Programm. Im Hofgarten in Aschaffenburg (06021 200 455) hat Urban Priol unter anderem Mark Britton (15.11.) und Andreas Giebel (17.11.) zu Gast. Im Stammhaus der Kochsmühle (06022 79 34) treten am 11.11. Liederjahn mit ihrem Jubiläumsprogramm ,,25 Jahre" und der Frankfurter Comedian Vince Ebert (24.11.) auf. Bühne frei im Neuen Theater Höchst heißt es in der Wintersaison unter anderem für den Bairisch Diantonischen Jodel-Wahnsinn (1.12.), Evi Niessner &Das Tier (2.12.), Dieter Thomas&Hendrike von Sydow (14.-23-12.) und Josef Hader (12./13.Jänner). Das Mainzer unterhaus stehen auf dem Programm unter anderem: Queen Bee meets Pigor&Eichhorn (16.11.), Alf Poier (27./28.11.), Simone Solga (29.11.-2.12.) das Kleinkunstspektakel ,,Blick zurück nach vorn!" (15.-20.1.) im Rahmen der Jubiläumsfeier ,,100 Jahre deutschsprachiges Kabarett", das auch vom Mainzer Kabarett-Archiv mit einer Wanderaustellung thematisiert wird. Das Pariser Hoftheater in Wiesbaden spielt in zweiter Staffel das Musi-Kulinarium ,,Sakussi aus St.Petersburg" vom 15.-25.Dezember.


    2000-12-15 | Nr. 29 | Weitere Artikel von: Kathrin Schwedler





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