Jürgen Becker hat vor einigen Jahren mit „Traben Trabach“ eine wunderschöne neue Hymne auf Köln geschaffen, in der vor allem der Schmelztiegel-Charakter der Stadt herausgestellt wird. Original-Text: „Das ist alles Traben-Trabach, das ist alles Istanbul. Jeder Mann ein bisschen lesbisch, jede Frau ein bisschen schwul.“ Ja, die lesbisch-schwule Szene ist längst ein Aushängeschild der Stadt geworden, wiewohl vom über die Stadt wachenden Kardinal – jedenfalls offiziell – nicht gern gesehen. Auch aus der rheinischen Kleinkunstszene sind Lesben und Schwule nicht wegzudenken, was die „Rosa Sitzung“ jedes Jahr aufs Neue vor Augen führt. Eine lesbisch-schwule Mischung präsentierte jetzt auch die Comedia mit dem Doppelprogramm der Rheintöchter und der Fetten Koketten Soubretten.
Programme mit mehreren Akteuren sind wie Episodenfilme – sie drängen dem Zuschauer förmlich die Frage auf, wer ihm besser gefallen hat. Hier fällt die Antwort ziemlich eindeutig aus: Klarer Punktsieg für die Frauen. Dass es um die Qualität des A-capella-Gesangs der Soubretten nicht immer gut bestellt ist, wäre verzeihlich, wenn nicht auch noch die Songtexte und Überleitungsmonologe des schwulen Chors so eindimensional wären. Wie sehe ich aus und warum ist der Kerl, der letzte Nacht bei mir im Bett war, schon wieder weg? – Damit ist das thematische Spektrum, um das die Beiträge der Soubretten kreisen, nahezu erschöpfend dargelegt. Auf Dauer ist dieser Eiertanz ums eigene Ego etwas öde. Anders bei den Rheintöchtern, denen es vielleicht auch zugutekommt, dass bei ihnen Lesben und Heten eine gemischte Truppe bilden. Hier wird ein farbiges, schön gesungenes und choreografiertes Programm geboten, bei dem die großen Nöte und kleinen Problemchen der gleichgeschlechtlichen Liebe auch zur Sprache kommen, aber eben nicht alles dominieren. Diesen Rheintöchtern würde man – wie einst Richard Wagner – gern einen Nibelungenschatz überreichen. Sie würden ganz bestimmt etwas daraus machen.
Redaktion: Guido Bee
2006-12-15 | Nr. 53 | Weitere Artikel von: Guido Bee