oder ... was haben KünstlerInnen mit der neuen Rentenreform zu tun?
Zum 01.01.2002 wurde eine weitere Senkung der gesetzlichen Rente beschlossen. Die ohnehin schon bestehende Versorgungslücke im Alter wurde durch diese Reform noch größer !
Aus diesem Grund wurde das Modell der "Riester-Rente" geboren, deren Ziel es ist, diese Differenz zwischen dem heutigen und dem zukünftigen Rentenniveau auszugleichen. Das heutige Rentenniveau liegt bei ca. 70% des durchschnittlichen Nettoeinkommens und soll durch die Rentenreform 2001 sukzessive auf 67% bis 2030 abgesenkt werden. Diese zusätzliche Versorgungslücke – und nur diese, also 3% ! - soll nun auf freiwilliger Basis mit staatlicher Förderung privat geschlossen werden.
Doch Vorsicht! Ein Rentenniveau von 67% im Jahr 2030 wird lediglich vom so genannten „Eckrentner“ erreicht. Der Eckrentner ist eine fiktive Person, die 45 Jahre lang den Regelbeitrag in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Tatsächlich aber liegt die durchschnittliche Versicherungszeit eines westdeutschen Mannes bei derzeit 37 Jahren und einer Frau bei 26 Jahren. Also keine auch keine 67% Rente im Jahr 2030!
Daher ist das Thema Altervorsorge auch ohne die Riester-Ergänzung für jeden aktuell. Doch bleiben wir erst einmal bei der Riester-Förderung: Gefördert wird nach dem Altersvermögensgesetz (AvmG) jeder, der in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist. Konkret heißt das, dass alle selbständig tätigen KünstlerInnen, die über die Künstlersozialkasse (KSK) pflichtversichert sind, zu den geförderten Personenkreisen zählen.
Der durchschnittliche KSK-Versicherte erwirtschaftet mit seinem Durchschnittsjahreseinkommen von rund 10.500 € eine Rente von 364 €/Monat. Aber wovon will er im Alter leben? Von der Sozialhilfe würde er z.Zt. 280 € bekommen plus Warmmiete und Zusatzleistungen – und darauf wird die Rente angerechnet. Wer von 280,- € im Monat gut leben kann - bitteschön! - Also gibt es noch etwas zu tun. Insofern ist es schon sehr sinnvoll, sich den Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung zu überlegen.
Wie sieht es nun bei mir konkret aus?
Um überhaupt eine Zahlengrundlage für die zusätzliche Altersvorsorge zu erhalten, sollte man jetzt bei der BfA seinen Rentenverlauf anfordern (auch über www.bfa-berlin.de) und prüfen, ob alle Versicherungszeiten etc. berücksichtigt wurden. Über die zu erwartende Rentenhöhe wird allerdings eine Prognose aus Berlin nur für über 54-jährige gegeben – die örtlichen BfA-Auskunftsstellen, aber auch die freien Rentenberater, können aber auf Grund des Rentenverlaufs eine vage Prognose auch für jüngere abgeben. Jetzt wird schnell klar, ob und in welcher Höhe eine zusätzliche Altervorsorge notwendig ist. Und neben den bereits üblichen Möglichkeiten wie Sparpläne (Aktien/Renten etc. - weiter unten im Text) und Kapital-Lebensversicherungen (da schmelzen zur Zeit die Renditen wie Butter in der Sonne...) sollte man die zusätzlichen Möglichkeiten prüfen, die es ab diesem Jahr gibt.
Förderfähigige Verträge sind:
- Rentenversicherungen
- Investmentfonds-Sparpläne
- Banksparpläne
Jetzt abschliessen?
Bisher sollten sinnvollerweise noch keine Abschlüsse für einen förderfähigen Vertrag gemacht werden, weil es noch keine Empfehlungen von Verbraucherverbänden und Gewerkschaften, noch zu wenig Vergleiche gibt. Dafür ist zwar Zeit bis Ende 2002 – aber doch vielleicht nicht auf den letzten Drücker, oder? Man kann sich beim Versicherungsmakler aber schon mal informieren. Vor allem sollte auch nach den Kosten eines Vertrages (bei staatlich geförderten Rentenversicherungsverträgen durchschnittlich 12 % des vom Kunden geleisteten Gesamtbeitrags, bei riesterfähigen Investmentfonds durchschnittlich 6,5 %) fragen und nach der effektiven Rendite (auf dem Kapitalmarkt gibt es momentan selbst bei sehr langfristigen Anleihen nicht mehr als 5,5 %; klassische Lebensversicherungen garantieren nur noch 3,25%). Wichtig wäre auch, ob eine Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsabsicherung enthalten ist (die dann natürlich auf die Rendite drückt, siehe dazu auch mein Artikel im Trottoir Februar - 2001).
Dabei sollten Sie nicht nur zum erst besten Versicherungsbüro um die Ecke gehen, sondern möglichst auch einen unabhängigen Finanz- und Versicherungsmakler fragen (z.B. den Fairsicherungsladen). Dieser vertritt keine bestimmte Versicherung, sondern sucht für den Interessenten eine optimale Lösung aus der Vielzahl der Angebote heraus.
Vergleichen, vergleichen, vergleichen - auch wenige Zehntel-Prozent-Punkte bei den Kosten und Renditen, schlagen später mit großen Unterschieden beim Ergebnis zu Buche. Schließlich geht es um Verträge mit oft 20 bis 30 Jahren Laufzeit.
Die sehr attraktiven Pensionsfonds stehen uns freien Künstlern (bis auf die Ausnahme VBLU, s.u.) nicht zur Verfügung, weil sie ein Form betrieblicher Altersvorsorge für Arbeitnehmer sind. Die anderen Fondsanlagemöglichkeiten werben damit, dass sie nicht nur verrentet (also in monatlichen Beträgen) auszahlen, sondern bis zu 20 % auf einen Schlag direkt nach Erreichen der Altersgrenze (womit sich dann jeder einen Traum erfüllen kann), allerdings schlägt dann die Steuerkeule härter zu! Um nur mal ein Beispiel zu nennen: die DWS TopRente Plus bietet in den ersten zwei Jahren eine Mindestverzinsung von 5 %, erhebt keine Kaufgebühr, die Verwaltungsgebühr beträgt nur 0,5 %, die Depotgebühr 9 €/Jahr (ab 2004 15 €).
Voraussetzung ist in jedem Fall, dass das jeweilige Produkt vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) zertifiziert wurde. Die Zertifizierung sagt dabei allerdings nichts über die Qualität des Produktes aus. Sie prüft lediglich bestimmte Förderkriterien ab.
- Die staatlichen Zulagen
Um stets die vollen Zulagen zu erhalten, muss die gesamte jährliche Sparleistung
ð In 2002/2003 mindestens 1 %
ð In 2004/2005 mindestens 2 %
ð In 2006/2007 mindestens 3 %
ð Ab 2008 mindestens 4 %
des rentenversicherungspflichtigen Vorjahreseinkommens betragen.
Die Zulagen entwickeln sich wie folgt:
|
2002/2003 |
2004/2005 |
2006/2007 |
Ab 2008 |
Grundförderung je Erwachsenem in Euro pro Jahr |
38,-- |
76,-- |
114,-- |
154,-- |
Kinderzulage je Kind in Euro pro Jahr |
46,-- |
92,-- |
138,-- |
185,-- |
Zusätzlicher Steuervorteil
Durch einen Sonderausgabenabzug können weitere zusätzliche Steuervorteile genutzt werden. Ob tatsächlich eine zusätzliche Steuerersparnis entsteht, hängt von der individuellen Familien- und Einkommenssituation ab. Maximal können in 2002 525,-- Euro als Sonderausgaben angesetzt werden, ab 2008 max. 2100,-- Euro. Die Zulagen werden bei der Berechnung der Steuerersparnis berücksichtigt. Das Finanzamt nimmt von Amts wegen eine Besserprüfung vor. (Vgl. auch Beispiele)
Die Förderung („Riester-Rente„) durch den Bund geht aus vom zugrunde liegenden Einkommen, für das auch über die KSK Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden (in 2001). Es ist also ratsam, nur von diesem Einkommen ein Prozent im Jahr 2002 (ab dem Jahr 2008 vier Prozent - und immer abzüglich der Förderung!) in eine neue, zusätzliche und zertifizierte Anlageform zu investieren, um die volle Förderung zu erhalten.
Um die Zulage zu erhalten, muss mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres ein Zulagenantrag gestellt werden. Erstmals geht dies für 2002. Die Förderungen werden dann direkt auf den begünstigten Vertrag überwiesen.
Einige Besispiele:
Um ein gewisses Gefühl für die Förderung zu vermitteln, hier noch einige
Beispiele: Ein Künstler, 35 Jahre, ledig, keine Kinder mit 20 000 Euro Brutto-Einkommen p.a.: 2002: Gesamtsparleistung 200 Euro (Eigenbeitrag 162 Euro + 38 EuroGrundzulage) => zusätzliche Steuerersparnis 14 Euro: Förderquote 26,1 % 2008: Gesamtsparleistung 800 Euro (Eigenbeitrag 646 Euro + 154 Euro Eigenleistung) => zusätzliche Steuerersparnis 63 Euro: Förderquote 27,1 %
Ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern und 25 000 Euro Bruttoverdienst erhält im Jahr 2008 für eigene Aufwendungen in Höhe von 322 Euro vom Staat eine Zulage in Höhe von 678 Euro (154 Euro + 154 Euro + 185 Euro + 185 Euro) jährlich und erreicht so eine jährliche Sparleistung von 1000 Euro (= 4 % von 25 000 Euro) => keine zusätzliche Steuerersparnis: Förderquote 67,8 %
Eine alleinerziehende Künstlerin mit einem Kind, die im Erziehungsurlaub kein rentenversicherungspflichtiges Einkommen bezieht, erhält im Jahr 2008 für einen Mindesteigenbeitrag von rund 75 Euro jährlich vom Staat eine Zulage von 339 Euro (154 Euro + 185 Euro) und erreicht eine jährliche Sparleistung von 414 Euro. Die staatliche Zulage macht dabei über 80 % der gesamten Sparleistung aus. => keine zusätzliche Steuerersparnis.
Aus diesen Beispielen wird deutlich für wen sich die Riester-Rente insbesondere lohnt:
J Für Bezieher niedriger Einkommen.
J Für Familien oder Alleinerziehende mit vielen jungen Kindern.
Sie können mit staatlichen Förderquoten von bis zu 90 % rechnen!
Diesem Vorteil stehen allerdings erhebliche Nachteile gegenüber:
L Es gibt kein Kapitalwahlrecht, d.h. nur Rentenzahlung
L Die Vertragsgestaltung ist sehr restriktiv.
L Die Verwaltungskosten sind sehr hoch.
Bisherige Altersversorgungen:
Nun hat ja hoffentlich der oder die ein oder andere Künstler(in) bereits schon zusätzlich zur staatlichen Rente Vorsorge für ihr Alter getroffen. Hat sie das bei der Versorgungsanstalt der Dt. Bühnen (VddB, in der Bayerischen Versorgungskammer, steht nur aktiven oder ehemaligen Stadttheaterkünstlern offen) getan, so ist das bequem: ihre Beiträge dort sind förderfähig.
Sollte der Künstler das bei dem Versorgungsverbund bundes- und landesgeförderter Unternehmen e.V. (VBLU – eine Direktversicherung für Mitarbeiter auch freier Theatergruppen, auch GbR’s) getan haben, so kann er da zusätzlich sinnvoll einen förderfähigen Vertrag abschließen. Und: bei der VBLU ist die Berufsunfähigkeit mit abgedeckt!
Sollte die Künstlerin (wie sicher doch einige) eine klassische Lebensversicherung abgeschlossen haben, so sollte sie diesen Vertrag meist nicht umwandeln in eine förderfähige Anlageform, sondern eine solche zusätzlich aufbauen. Mit der bisherigen Lebensversicherung und ihren Sozialversicherungsbeiträgen wird sie möglicherweise den steuerlichen Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen bereits ausgeschöpft haben und sollte deshalb nicht darauf spekulieren, zusätzlich zur staatlichen Zulage auch noch Steuern sparen zu können - das muss aber natürlich noch individuell geprüft werden! Sie sollte daran denken, dass die Beiträge für die neue Anlage aus unversteuertem Einkommen stammen und sie deshalb die Erträge im Alter versteuern muss; wahrscheinlich anders als bei ihrer bisherigen Lebensversicherung, bei der die Auszahlung steuerfrei sein kann, weil die Beiträge aus versteuertem Einkommen stammen können.
Fazit:
Insgesamt positiv zu sehen ist, dass das marode System der staatlichen Altersabsicherung ein privat finanziertes Standbein hinzugewonnen hat. Jede/r sollte sich nun mit dem Thema Altersvorsorge auseinandersetzen und vorhandene „Lücken“ schließen.
Da es insgesamt aber wenig Freiheit bei der Vertragsgestaltung nach Riester gibt, sollte sich jede/r eingehend informieren, ob die Förderung für ihn Vorteile bietet, oder ob es die bessere Vorsorge-Alternative gibt!
Wir helfen gerne dabei.
Stefan Kuntz, Künstlerberatung, Kierberger Str. 15//8, 50969 Köln, Telefon 0221-93 61 51-6, Fax –7, info@kuenstlerrat.de und Christian Grüner,
2002-03-15 | Nr. 34 |