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  • Themen-Fokus :: Zauberkunst

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    Romane, Tagungen, Kongresse

    In letzter Zeit sind erstaunlich viele Romane erschienen, die einen Bezug zur Illusionskunst haben oder diese sogar direkt zu ihrem Thema gemacht haben. Ich möchte hier die drei Highlights – aus meiner Sicht – herausgreifen und Ihnen vorstellen:

    Da wäre zunächst einmal der bereits 1995 in englischer und 1997 erstmals in deutscher Sprache erschienene Roman „Die Frau des Zauberers“ von Brian Moore (Diogenes 2000). Der Ausgangspunkt des gut geschriebenen Buches ist ein historisches Ereignis der Kulturgeschichte der Illusionskunst, nämlich die Beauftragung Robert-Houdins durch die französische Regierung, den Marabuts in Algerien zu beweisen, dass europäische Zauberer mächtiger sind als sie, um sie so von einem drohenden Aufstand abzubringen. Jean-Eugène Robert-Houdin (1805 – 1871) war der führende Zauberkünstler Frankreichs im 19ten Jahrhundert und gilt vielen Zauberhistorikern bis heute als Vater der modernen Zauberkunst, vor allem durch die Eröffnung seines eigenen Zaubertheaters am 3.7.1845. Allerdings hat Moore sich diesen durchaus fragwürdigen Einsatz eines Zauberkünstlers im Dienste des Kolonialismus eben nur zum Ausgangspunkt genommen und erwähnt die historischen Umstände mit keinem Wort. Auch nicht in einem eigentlich erforderlichen Nachwort. Sein Zauberkünstler heißt Henri Lambert und – das ist das eigentlich Spannende an dem Buch – die Geschichte wird aus der Sicht von dessen wesentlich jüngerer Frau erzählt, die wiederum keine reale Entsprechung in unserer Kulturgeschichte hat. Im ersten Teil des Buches, der 1856 in Frankreich spielt, gelingt dem Autor ein sehr interessantes Sittengemälde des höfischen Lebens unter Napoleon III., das im zweiten Teil, der in Algerien spielt, dem dortigen Leben zur gleichen Zeit gegenüber gestellt wird. Leider schöpft der Autor die politischen Implikationen seines Ansatzes nicht aus und das Buch verbleibt in der – allerdings sehr interessanten – Sichtweise der Frau. Trotzdem, daraus hätte man mehr machen können.

    Kann ich Brian Moores „Frau des Zauberer“ ungeachtet der erwähnten Einschränkungen unbedingt zur Lektüre empfehlen, so bin ich mir bei Martyn Bedfords „Houdini Girl“ (Fischer 2001) nicht so ganz sicher. Hierbei handelt es sich um einen spannenden Kriminalroman, dessen Geschichte zum Teil im englischen Show-Business und zum Teil im Amsterdamer Drogenmilieu spielt. Zwar hat sich der Autor sehr ausführlich mit der Illusionskunst beschäftigt, sich gut beraten lassen und es finden sich sogar Sätze zur Präsentation dieser Kunst darin, die sich mancher ihrer Vertreter zu Herzen nehmen sollte, aber auf der anderen Seite hat er vielleicht etwas zu authentisch die Sprache des Drogenmilieus wiedergegeben, wodurch das Buch zumindest nicht uneingeschränkt zu empfehlen ist. Es kommen einfach zu viele fäkalische Ausdrücke und vor allem das böse Wort mit „f“ darin vor. Wer aber darüber hinweg sehen kann, wird einiges über die Praxis der Zauberkunst erfahren und spannend ist die Geschichte allemal.

    Das aus meiner Sicht sowohl literarisch als auch historisch anspruchsvollste Buch, das ich Ihnen hier empfehlen kann ist eine fiktive Biographie des Zauberkünstlers Joseph Carter (1874 – 1936) mit dem schönen Titel „Carter, das Spiel mit dem Teufel“ von Glen David Gold (Blessing 2001). Diesmal hat der Autor, der selbst Amateurzauberer ist, sich wirklich sehr intensiv mit der Geschichte der Illusionskunst beschäftigt und berichtet in einem Nachwort, das er „Programmnotizen“ nennt, sehr freimütig über die Entstehungsgeschichte des Buches und auch darüber, wo er sich in künstlerischer Freiheit von den historischen Tatsachen entfernt hat. So sollte man in einem historischen Roman vorgehen!

    Und obwohl die Biographie selbst beinahe vollkommen frei erfunden ist, hätte doch fast alles so stattfinden können. Lediglich an manchen Stellen scheint mir etwas die Phantasie mit ihm durchgegangen zu sein und die verschiedenen Zauberer scheinen tatsächlich zaubern zu können. Insgesamt bekommt der Leser hier aber ein wunderbares Sittengemälde der Zauberkunst zu Beginn des 20sten Jahrhunderts in Amerika geboten, wie ich es bisher nirgends gefunden habe. Gerade Nicht-Zauberer, die sich für diese Kunst und ihre Geschichte interessieren, dürften die ideale Zielgruppe des Buches sein. Lediglich vor dem Umfang muss ich den potenziellen Leser warnen. 670 Seiten wollen erst einmal gelesen sein und auch der Aufbau des Buches mit zahlreichen zum Teil zeitlich versetzten Szenenwechseln ist nicht ganz anspruchslos. Dafür ist die Sprache und damit auch die Übersetzung sehr angenehm und bietet keine Schwierigkeiten beim Lesen. Ich denke, dass es sich bei diesem Buch tatsächlich um eine sehr gelungene literarische Behandlung einer der wichtigsten Epochen der Kulturgeschichte der Illusionskunst handelt. Prädikat: Unbedingt empfehlenswert.

    Und nun kann ich noch über zwei wirklich sehr gelungene Veranstaltungen der letzten Zeit berichten. Zum einen fand am 21./22.9.2002 ein Treffen historisch interessierter Zauberkünstler statt, das von Prof. Dr. Peter Rawert ganz hervorragend organisiert und in seinem Notariat (das älteste Deutschlands und auch noch im ehemaligen Haus Vaterland befindlich) durchgeführt wurde. Es gab interessante Vorträge, immer wieder kleine Tauschbörsen zwischendurch, eine spannende Besichtigung der Friedländer-Plakatsammlung im Museum für Kunst und Gewerbe und auch für das leibliche Wohl wurde hervorragend gesorgt. Vielleicht war dies ein erster Schritt, den riesigen Vorsprung in der Erforschung der Geschichte der Illusionskunst, den die englischsprachigen Länder haben, etwas zu verringern.

    Zum anderen gab es auch noch die Deutschen Meisterschaften der Zauberkunst vom 3. bis 6.10.2002 im Forum Leverkusen. Dabei handelte es sich um eine Mammutveranstaltung mit fast 1000 Kongressteilnehmern und über 70 Wettbewerbsnummern. Da ist es fast ein Wunder, dass außer einigen Verspätungen bei den Wettbewerben alles reibungslos ablief. Der Ortszirkel Köln mit Jürgen Urbahn an der Spitze hat eine hervorragende Arbeit geleistet und die Jury hatte wirklich keine leichte Aufgabe. Schließlich waren alle Wettbewerbsnummern bereits Preisträger einer der vier regionalen Vorentscheidungen und dementsprechend hoch war auch das Niveau. Der Trend zumindest bei den Bühnendarbietungen geht eindeutig in Richtung Ausstattungsrevue. Fast jede Nummer hatte ein eigenes Bühnenbild mit extra angefertigten Kulissen und oft erheblichem technischen Aufwand. Manchmal fragte man sich dabei allerdings, wo solche Nummern überhaupt noch außerhalb eines Wettbewerbs oder einer Zaubergala vorführbar sind oder ob sie überhaupt nur dafür gedacht sind.

    Neben den Wettbewerben gab es aber auch noch einen Rheinischen Abend, zwei Galas, eine sehr charmant von Marion Urbahn moderierte Eröffnung und natürlich Seminare und Workshops. Von den zahlreichen Seminarleitern möchte ich hier nur einen hervorheben, weil ich sein Soloprogramm noch anschließend in Frankfurt a.M. erleben durfte. Es handelt sich um René Lavand, den einarmigen(!) Kartenspezialisten aus Argentinien. Seit vielen Jahren gilt er als besonderer Tipp für alle, die sich für die wirkliche Kunst in der Zauberei interessieren. Mit einer brillanten Technik vollbringt er mit nur einer Hand Wunder, für die bei anderen auch drei Hände nicht genügen würden. Darüber hinaus ist Lavand aber vor allem ein Poet der Illusionskunst, der seine kleinen Wunder immer wieder mit schönen Geschichten untermalt, die er in seinem herrlichen argentinischen Spanisch vorträgt. Natürlich muss durch die Übersetzung ein Teil der Wirkung dieser Darbietung verloren gehen, aber dennoch spürt man hier bei jedem Satz und jeder Geste den wahren Künstler. Beim Kongress in Leverkusen erläuterte Lavand die philosophischen Grundlagen seiner Kunst und erklärte Einzelheiten seiner einhändigen Kartentechnik. In Frankfurt brachte er am Tag darauf auf Einladung des dortigen Ortszirkels sein Soloprogramm, wie er es auch für Nicht-Zauberer zeigt. Für mich war es natürlich besonders interessant, beides hintereinander zu erleben, also erst die Theorie zu hören und dann ihre Umsetzung zu sehen. Vor allem aber war es schön, mal wieder einen Zauberer zu erleben, der sich wirklich als Künstler sieht und in der Lage ist, die Poesie der Illusionskunst zur Geltung zu bringen. Leider gibt es das immer noch viel zu wenig.

    Und mit diesen schon fast etwas melancholischen Gedanken verbleibe ich mal wieder als Ihr

    Redaktion: Andreas Michel-Andino

    Termine:

    D E R  Z A U B E R A B E N D - „Eine magische Soiree der andere Art.“ Zauberei, Comedy und Kleinkunst präsentiert André der Magier und seine zauberhaften Gäste -wie immer am letzten Montag im Monat- um 20.00 Uhr. Jeden letzten Montag im Monat. Ort: „Die Säule", Goldstrasse 15, Duisburg – Mitte.

    Info : www.zauberabend.de

    2002-12-15 | Nr. 37 | Weitere Artikel von: Andreas Michel-Andino





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