Absichern gegen Berufsunfähigkeit?
Karin ist 53 Jahre jung und sie lebt vom Kabarett – das hält jung. Aber plötzlich verschlimmern sich ihre latenten Rückenprobleme. Sie muss ihren Beruf aufgeben.
Die BfA hilft ihr mit REHA-Maßnahmen, Kuren und vielem anderem, um sie wieder fit zu machen für den Arbeitsmarkt. Aber sie will nicht als Telefonistin arbeiten, sie will als Kontrabassistin arbeiten oder gar nicht. Weil sie über 40 Jahre alt ist, gilt für sie noch das alte Recht von vor dem Jahreswechsel. So erhält sie als KSK-Versicherte die alte Berufsunfähigkeitsrente von der BfA, die ca. ein Viertel des letzten Bruttoeinkommens beträgt (maximal 1690 DM, aber bisher durchschnittlich ca. 900 DM). Das ist verdammt wenig.
Peter ist 38 Jahre und fühlt sich trotz seiner schönen Arbeit als Illusionist alt, er hat Herzprobleme. Auch er muss seinen Beruf aufgeben. Aber ihm wird auf Grund des neuen Rechts zugemutet, als Pförtner in einem Hotel zu arbeiten. Wenn er das weniger als 3 Stunden am Tag aushält, bekommt er maximal 3380 DM Erwerbsminderungsrente (wie sie jetzt genannt wird). Sitzt er knapp 6 Stunden an der Rezeption, bekommt er denselben Betrag wie Karin. Sitzt er länger, bekommt er nix.
Noch schlimmer wird das Horrorszenario, wenn Peter Pflegefall wird. Die Pflegeversicherung zahlt maximal 3300 DM, dazu kommt vielleicht die durchschnittliche KSK-Altersrente von ca. 750 DM. Da sind die Ersparnisse bald hin, denn ein Pflegeheimplatz kostet 4000 bis 8000 DM. Also wird Peter doch sozialhilfeabhängig.
Wie soll die Hochseilartistin Gabi (35 Jahre jung und gesund) Vorsorge treffen?
Eine private Versicherung ist für sie kaum zu finden.
So versichert sie sich zunächst (bevor sie vor lauter Panik gar nichts tut) freiwillig bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft und zahlt dort mindestens ca. 350 DM/Jahr und ist dafür schon ganz gut zusätzlich zu den BfA-Renten abgesichert (Vollrente ca. 3000 DM/Monat). Aber nur gegen Berufsunfälle. Das mag ja in ihrem Fall auch das größere Risiko sein.
Petra ist gleich alt und Zauberin, ihr berufliches Unfallrisiko ist geringer und sie wird laut Statistik eher wie Peter oder Gabi wegen einer Krankheit berufsunfähig werden.
Aber eine private Berufsunfähigkeitsversicherung ist teuer. Das günstigste Angebot, das von der Rating-Agentur Morgen & Morgen (Handelsblatt 2.2.2001) untersucht wurde, ist eine Risikolebensversicherung, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung beinhaltet, sie kostet jährlich rund 1700 DM, garantiert eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 2000 DM, zahlt 100.000 DM im Todesfall an die Hinterbliebenen; mutet Petra nicht zu, als Propagandistin im Baumarkt zu arbeiten (= kein „Verweisungsrecht“!), die Beiträge sind gleichbleibend festgeschrieben; sie zahlt rückwirkend ab Eintritt der Berufsunfähigkeit; die Frist für den Versicherer, Petras Angaben zur Gesundheit zu überprüfen ist kurz und sie wird auch nicht zu irgendwelchen Operationen gezwungen, die sie nicht will.
Aber Berufsunfähigkeitsversicherungen zahlen nur bis zum 65. Lebensjahr.
Deshalb überlegt Petra den Abschluss einer Kapitallebensversicherung (da soll sie sich aber bitte, bitte! mindestens bis zum Herbst Zeit nehmen, weil dann die Riester-Rente klarer ist und die ihre Überlegungen sicherlich neu durcheinander bringt). Eine Kapitallebensversicherung hat ja z. Zt. vor allem steuerliche Anreize, Petra kann die Beiträge als Sonderausgaben geltend machen. Hoffen wir also, dass sie als Seidenmalerin genug verdient, damit das für sie Sinn macht! Beiträge, die ihr Alter sinnvoll zusätzlich absichern, fangen für Petra bei ca. 2500 DM/Jahr an und steigern sich möglicherweise auf ca. 7000 DM/Jahr, wenn sie 50 Jahre alt ist. Für nur monatlich ca. 20 DM mehr Beitrag kann sie eine Pflegerente von 1500 DM erzielen.
Wenn Petra eine Lebensversicherung für sinnvoll hält und wenn sie zumindest Gesellschafterin einer GbR ist, dann sollte sie im Herbst um ein Angebot der VBLU bitten Tel. 0228-94391-0; diese Lebensversicherung öffentl.-rechtlicher Art bietet auch Künstlern Schutz gegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Eine "Berufsunfähigkeits-", "Erwerbsunfähigkeits-„ und "Hinterbliebenen-Rente" bemisst sich in den ersten 5 Jahren nach den eingezahlten Beiträgen, danach gibt es bereits schon eine Zurechnungsrente in Höhe der durch die bis dahin erfolgten Beitragszahlungen erreichbaren Altersrente. Dieses Angebot ist besonders für Künstler mit Familie interessant.
Will Petra keine Lebensversicherung, sondern ein reine Pflegeversicherung, so geht das als Pflegetagegeldversicherung, das kostet sie monatlich ca. 60 DM und sie bekommt dafür 150 DM/Tag, wenn sie schwerstpflegebedürftig ist. Wenn sie „nur“ erheblich pflegebedürftig ist und z.B. zu Hause gepflegt wird, erhält sie nur 37.50 DM/Tag.
Bei all diesen schrecklichen Rechnungen sollte Petra noch eine ganz besondere Rechnung aufstellen: Wie viel zehntausend Mark an Beiträgen zahlt Petra in ihrem Leben bis zum Tag X, dem Tag ihrer Berufsunfähigkeit oder ihrer Pflegebedürftigkeit?
Bringt sie soviel Selbstdisziplin auf, die Beiträge stattdessen in einen Sparplan einzuzahlen, nicht für ein Auto oder Ferien anzutasten, und das angelegte Geld dann im Falle eines Falles so auszugeben, wie ihr das sinnvoll erscheint?
Meine Empfehlung: nicht alles auf eine Karte setzen, sondern seine Ersparnisse sehr verschieden anlegen.
Stefan Kuntz, Künstlerberatung, Kierberger Str. 15/8, 50969 Köln, Tel. 0221-93 61 51-6, Fax –7, info@kuenstlerrat.de, www.kuenstlerrat.de
Alle Rechte beim Autor, Köln 2001
2001-06-15 | Nr. 31 |