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    Vergangenes und Neues

    In gewisser Weise war auch er ein Kleinkünstler: Robert Gernhard, der Meister kleiner Poeme, die Großes bergen. Ende Juni starb der überregional und national bekannte Frankfurter Autor, Satiriker, Karikaturist und Maler im Alter von 68 Jahren. Familie, Freunde, Kollegen und Vertreter aus Kultur und Politik nahmen auf dem Frankfurter Hauptfriedhof Abschied von einem Mann, der die bundesweite Humorlandschaft geprägt hat wie kaum ein anderer.

    Frankfurts Kulturgröße und Cellist Frank Wolff spielte bei der Trauerzeremonie Werke von Bach. Er hatte in den vergangenen 12 Jahren einige von Gernhardts Werken vertont und sie, gemeinsam mit seiner 2005 verstorbenen Partnerin und Lebensgefährtin Anne Bärenz und dem Neuen Frankfurter Schulorchester, dem Publikum musikalisch präsentiert.

    Gemeinsam mit F. W. Bernstein, F. K. Wächter, Clodwig Poth, Eckhard Henscheid, Peter Knorr und Hans Traxler war Gernhardt Mitbegründer der Frankfurter Schule und prägte entscheidend das Satire-Magazin Titanic. 2003 erhielt er (neben zahlreichen Auszeichnungen) den Deutschen Kleinkunstpreis in der Kategorie „Kleinkunst“. Hunderte Menschen nahmen Abschied von dem erst in den 90er-Jahren als bedeutender Lyriker anerkannten Allround-Talent. Darunter Komiker Otto Waalkes, für den Gernhardt Texte und Drehbücher schrieb, Schriftstellerin Eva Demski, Zeichner Hans Traxler und Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth.

    Wo immer Robert Gernhardt jetzt ist: Uns bleibt, neben vielen anderen, eins seiner Werke: „Lieber Gott, nimm es hin, dass ich was Besond’res bin. Und gib ruhig einmal zu, dass ich klüger bin als du. Preise künftig meinen Namen, denn sonst setzt es etwas! Amen.“ Sein Humor wird uns fehlen …!  

    Auch sie beschäftigt sich teilweise mit ernsthaften Themen und hat zeitgleich den Humor für sich gepachtet. Auch sie fällt bewusst immer aus dem Rahmen, vor allem zu Zeiten der heutigen Konsumgesellschaft: die bunte Truppe der in Frankfurt ansässigen antagon theaterAKTion.

    Seit nunmehr 16 Jahren bieten der Gründer und künstlerische Leiter Bernhard Bub und seine Mitstreiter unkonventionelle Theaterproduktionen. Diese wollen auch gar keinen fest gefügten Rahmen oder den berühmten „roten Faden“ anbieten, sondern Darstellern und Publikum Raum geben, eigene Fantasien und Gefühlen fließen zu lassen. Bei der Premiere von „Frame Games“ (Rahmenspiele), ebenfalls „im Rahmen“, nämlich des 5. Sommerwerft-Theaterfestivals, versprach bereits das Bühnenbild einen ereignisreichen Abend. Drei überdimensionale, ineinander verschachtelte Rahmen geben ausreichend Platz zum Entfalten von poetischen, humoristischen, tänzerischen oder auch real bedrohlichen Aktionen, die sich ins Gedächtnis des Betrachters einbrennen.

    Mal ist es nur ein Spiel mit einzelnen Körperteilen, mal eine angedeutete Liebesgeschichte, mal sind es schwangere Frauen, Kinder oder ein Messer schwingender Mann; sie alle ergeben ein Bilderrätsel, bei dem sich das Publikum seinen Rahmen selber stecken muss. Die Message für Bernhard Bub: Die Guckkastenbühne kommt von der Straße, fällt aus dem Rahmen, widerspricht dem Theater im öffentlichen Raum. „Städtische Schauspieler sollten sich mal auf der Straße begegnen, aus dem Rahmen brechen“, sagt der Theaterleiter.

    Hin und wieder treten die Darsteller bei „Frame Games“ selbst aus der Guckkastenbühne heraus, mutieren vor dem Bühnenbild zu Stelzenläufern, die sich saufend selber feiern oder sie laufen dann – wie im Anfangsbild – mit weißgeschminkten Gesichtern, Fackeln und Milchkübeln ins durch die Rahmen begrenzte Geschehen. Musik- und Filmeinspielungen sowie Lichteffekte und ein Schamanentext zum fulminanten Finale bereichern zudem eine Szenerie, die Fragen offenlässt, welche sich der Zuschauer eben selber beantworten darf.

    Sich selbst hinterfragen muss auch Tartüff – der zwar immer mal wieder melodramatisch die Hände zum Gebet faltet, es aber in bigotter Weise faustdick hinter den Ohren hat. Das stellt auch der reiche Orgon am Ende fest, bevor dann, vor der zauberhaften Kulisse des Bolongaro-Palastes in Frankfurt-Höchst, der skrupellose Betrüger Tartüff endlich dem Richter im barocken, roten Talar seine wenig Erfolg versprechende Aufwartung machen muss. „Mama, ist das Nikolaus?“, fragt die jüngste Zuschauerin und deutet auf den Schauspieler in roter Richterrobe mit grau-gelockter Perücke und Bart. Das ist echte Open-Air-Festival-Atmosphäre, wie sie lebensnaher kaum sein kann.

    Nach dem dreitägigen „Vorspiel“ im vergangenen Jahr zum SommerTheaterFestival „Barock am Main“ mit dem hessischen Moliere folgte im Sommer 2006 die Premiere. Und diese übertraf alle Erwartungen von Projektleiter Ralf Ebert, Dramatiker Wolfgang Deichsel (der die Moliere-Texte ins Hessische übersetzte) und Hauptdarsteller Michael Quast.

    Vier Wochen lang stand Deichsels Mundarttruppe im Bolongaro-Garten auf der Bühne, und trotz des wechselhaften Wetters stieg die Zahl der Zuschauer ständig an. „Im ersten Jahr gleich vier Wochen Festival, da hatten mich einige Leute für verrückt erklärt“, so Ebert. „Aber bereits zu Beginn des Festivals waren wir mit 500 Plätzen gut besucht und in der vierten Woche auch häufig ausverkauft!“ Obwohl es zum Festivalbeginn extrem heiß war und es dazwischen wie aus Kübeln schüttete. Zumindest die Zuschauer saßen dank Überdachung im Trockenen. Für Quast und die Kollegen kein Grund zu Regenwetter-Mienen: Sie „überdachten“ sich bei Unwettern spielerisch selbst: und zwar mit Regenschirmen.

    Auch diese Spontaneität war Garant für den Erfolg der beiden Open-Air-Produktionen „Tartüff“ und „Schule der Frauen“. Und die Qualität, denn „oben ohne“ ist das Festival auch finanziell. Es gibt bisher keine Zuschüsse, aber glücklicherweise Sponsoren. Ein Glück auch für die zahlreichen Zuschauer, denn auf dieses Sommervergnügen wollen wir Hessen nicht mehr verzichten!

    Zumindest auf der Bühne wirkt er abgetakelt und in die Jahre gekommen: Der Kabarettist und Schauspieler, der laut Programmbeschreibung fast alle Minibars von Deutschlands Hotels leergesoffen hat. Und dem abends auf den Brettern, „die die Welt bedeuten“, die Einsicht kommt, dass seine drei Jahrzehnte Showgeschäft auch nichts anderes waren als 30 Jahre Bergbau. Doch glücklicherweise hat Dieter Thomas trotz der Bühnen-Trennung von seiner langjährigen Partnerin und Lebensgefährtin Hendrike von Sydow und dem Aus im vergangenen Jahr fürs Frankfurter Fronttheater nicht seinen Abschied von der Bühne genommen. Er steht mit seinem Soloprogramm „Der Seniorenhippie“ weiter seinen Mann. Und was kann schöner sein, als zu erleben, wie der sympathische 68er-Loser uns seine und unsere beruflichen, privaten und politischen Niederlagen vor Augen führt.

    Und was macht seine langjährige Bühnen- und Lebensgefährtin Hendrike? Sie zieht die Fäden hinter der Bühne, führt Regie und freut sich, dass ihr Liebster nun doppelt so viel Text lernen muss.

    Obwohl überall das Geld für Kleinkunst knapp ist, gibt es glücklicherweise auch mutige Theaterleute die sich ins Risiko stürzen und eine Bühne gründen oder übernehmen. Ende 2005 hat Sebastian W. Wagner die Showbühne Mainz unter seine Fittiche genommen. In dem ehemaligen Kino in der Mainzer Innenstadt präsentiert der junge Programmmacher Kabarett, Chanson, A-capella, Komödie, Musical und Kinderprogramm. Sebastian spielt selbst im „Kleinen Horrorladen“ mit und plant zurzeit als Eigenproduktion für Dezember 2006 die Revue „Christmas Inc. Die Weihnachts-AG“. Ohne Netz und doppelten Boden, sprich ohne öffentliche Gelder und Subventionen, hat sich Sebastian für sein 250-Plätze-Haus viel vorgenommen. Vor allem, auch Künstlern eine Chance zu geben, die sich bisher noch keinen großen Namen machen konnten. Dafür bietet seine Offene Bühne an jedem zweiten Sonntag im Monat genügend Raum. Also, nix wie hin! Infos unter www.showbuehne-mainz.de.

     

     

    Termine

    Horst Schroth ist vom 17. bis 21. Oktober zu Gast beim Neuen Theater Höchst. Da das Theater zurzeit saniert wird, stand der Veranstaltungsort bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Wie auch im Bonner Pantheon, Düsseldorfer Kom(m)ödchen sowie Kölner Senftöpfchen präsentieren Robert Grieß, Wolfgang Nitschke, H. G. Butzko und Christian Ehring ihrem Publikum scharf gewürzte Satire. Danach geht es an jedem letzten Mittwoch im Monat weiter mit der kabarettistischen Bühnenkost. Dass Sabine Fischmann und Michael Quast am 28. Oktober wegen der Theatersanierung ins Rüsselsheimer Stadttheater ausweichen, wird ihre Fans kaum abschrecken. Dort bieten sie eine Zwei-Personen-Version von Mozarts „Don Giovanni“.

    Kabarettist Tillmann Courth kommt am 6. Oktober in die Showbühne Mainz. Dem kleinen Publikum präsentiert er sich dort am 8. Oktober mit „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Zu „Spot! – Open Stage“ lädt die Showbühne für den 8. Oktober ein.

     

    Einen erfolgreichen Kleinkunstherbst und -winter wünscht

    Redaktion: Kiki Krebs

    2006-09-15 | Nr. 52 | Weitere Artikel von: Kiki Krebs





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