Er klingt ein wenig verzweifelt, der Macher der Augsburger Kabarett-Tage. Da hat er ein umfangreiches, qualitativ kaum zu überbietendes Programm zusammengestellt, und außer seinen Augsburgern nimmt es kaum einer wahr. Dabei kann sich das Festival sowohl von der Qualität der eingeladenen Programme als auch von der Größe her durchaus messen mit den auch überregional beachteten Großereignissen, der Leipziger Lachmesse und Köln Comedy. Hans-Joachim Ruile, Geschäftsführer der alt eingesessen Kresslesmühle, kann über mangelnde Auslastung seiner Veranstaltungen nicht klagen, wohl aber über mangelndes Medieninteresse. Dabei sollte das Festival dazu beitragen, der Stadt Augsburg ein wenig dabei zu helfen, aus der Hinterhofecke als Anhängsel der Landeshauptstadt zu gelangen. Am Kabarettbegriff von Ruile kann es nicht liegen, dass man den Kabaretttagen nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkt. Denn unter Kabarett versteht man in Augsburg nicht nur das ewig Translation im Theater totgesagte politische Kabarett, sondern alles was mit Satire, mit subversivem Lachen im Allgemeinen zu tun hat. Der Power-Jongleur und Extremmusiker Paul Morocco, mit dem das Festival eröffnet würde, passt ebenso in Ruiles Kabarettbegriff wie der Chefschmunzler Johann Köhnich, Obergescheitmeier Dr. Eckart von Hirschhausen und Agit-Prop-Pointen-Plärrer Urban Priol. Aus beinahe jeder Region Deutschlands stellen sich die Humoristen mittlerweile in Augsburg vor. Der Hamburger Feminist Lutz von Rosenberg-Lipinski, genauso wie der personifizierte Kohlenpott Atze Schröder oder gepflegtes Herrenkabarett von der Magdeburger Zwickmühle. Wer jetzt immer noch glaubt, das Augsburg ein kleiner Stadtteil im Westen Münchens ist, dem sei ein Blick in den Atlas empfohlen. Vielleicht stellt sich ja dann ein Aha-Erlebnis ein: Augsburg, das gibt es ja tatsächlich! Und eine Kabarett-Hochburg ist die Fuggerstadt noch dazu.
Da wurde schon der Abgesang auf die krachlederne Art der kritischen Unterhaltung angestimmt, die Auflösung die Giesinger Sautreiber und des Bayersich Diatonischen Jodelwahnsinns beweint, da belehren uns die, die es einfach nicht lassen können, die wahren Vollblutbayern nämlich, eines besseren. Und sie lehren noch etwas. Wer glaubt München sei keine bayerischen Stadt in kulturellen Sinne, weil die Masse zugezogener Preußen mit ihren geschliffenen Tagesschau-Idiom, jeden, der noch Dialekt spricht, einfängt und zur Belustigung von Touristen im weltberühmten Hofbräuhaus ausstellen, auch der wird eines besseren belehrt. Es gibt die Münchner Bayern. Die MonacoBagage. Frühere Wahnsinnige und Sautreiber haben sich zusammen mit dem Saxofonisten Andy Arnold zu einer neuen Gruppe zusammengeschlossen, von der man vor allem wegen der ausgesuchten musikalischen Qualität der Protagonisten noch einiges hören wird. Dass man in München übrigens ganz nett ist zu den Zugereisten aus den preußischen Landen ist, zeigt das Beispiel des Bagage-Geigers Martin Deubel. Der ist nämlich in Dortmund geboren und darf trotzdem mitmachen bei der Bagage.
Ebenfalls in Feierlaune ist die Couplet-AG. Die Arterhaltungsgemeinschaft kümmert sich mit der Pflege einen neu interpretierten und neuen bayerischen Liedgutes um das Fortleben der Münchner Volkssängertradition. Diese gibt es nur nach auf ganz alten Aufnahmen mit ganz viel Schellack-Rauschen zu hören, die Couplet-AG jedoch ist pünktlich zum 10-jährigen Jubiläum quicklebendig und hat in der Drehleier eine aufwändige DVD des neuen Best-of-Programms eingespielt. Zum Jubiläum einen herzlichen Glückwunsch und weiterhin viel Erfolg! Den versprechen sich die Sangeskünstler von der Zusammenarbeit mit Hanns-Christian Müller, der einst mithalf Gerhard Polt zu dem zu machen, was er heute ist. Für das Best-of, sowie für ein neues Programm der AG im Herbst stellt Müller seine Fähigkeiten als Regisseur zur Verfügung. Eine bemerkenswerte Personalie.
Eine bemerkenswerte Person ist sicherlich Josef Pretterer, denn obwohl er als Solist angekündigt wird tritt er nicht alleine auf. Er wird begleitet von einer Menge merkwürdiger Typen, die man sich vielleicht anders vorgestellt hat, die man aber dennoch sofort erkennt. Pretterer spielt nämlich mit lebensgroßen Puppen und so kann er als Hausmeister des Universums endlich klären, was es denn nun auf sich hat mit dem Apfel der Versuchung, was die Neandertaler eigentlich für Typen waren und was Mutter Natur sich so denkt über die Menschenkinder. Pretterer ist Puppenspieler, er ist aber auch Karikaturist. Da wird nicht laut gelacht, da werden die immer neuen Bilder eingesaugt, verstanden und mit wohlwollendem Schmunzeln abgespeichert. Feine Kleinkunst im Theater im Fraunhofer und alles andere als alltäglich.
Ebenfalls im Fraunhofer findet seit Februar eine Wiedergeburt der ganz besonderen Art statt. Das Musikalische Unterholz, als MUH in die Münchner Kabarettgeschichte eingegangen, und leider schon vor etlicher Zeit untergegangen, galt einst als die produktivste Brutstätte des Kleinkunstnachwuchses an der Isar. Der alte MUH-Vetrean Josef Bachmair und der ebenfalls MUH-erfahrene Richard Kurländer von der Fraunhofer Saitenmusi haben nun das Konzept MUH neu erfunden. An jedem Sonntag kann sich nun der Städtische Nachwuchs im Fraunhofer vorstellen, kann nach dem Auftritt von sich sagen: "Ich habe im legendären MUH gespielt", und damit sicher Eindruck schinden bei denen, die dabei waren, als es das Ur-MUH noch gab. Zurück für die Zukunft heißt es also im Fraunhofer.
Redaktion: Andreas Rüttenauer
AdNr:1089
2003-06-15 | Nr. 39 | Weitere Artikel von: Andreas Rüttenauer