Auf Alternativfragen gibt es genau genommen drei Antworten. Ja, nein und interessiert mich nicht. Auf genau diese Position haben sich die Kabaretts im Osten zurückgezogen. Wahlkrampf! Was will man den noch kommentieren. Sie setzten lieber ihre Hoffnungen auf Biergartenwetter und veranstalteten Freiluft-Programme. Und dafür haben sie kräftig im Fundus gekramt. Die Leipziger Pfeffermühle zog ihr 90er-Jahre-Repertoire aus dem Ärmel. Also nichts Neues, aber vergnüglich und unterhaltend. Die academixer spielten den dritten Sommer ihr erfolgreiches Weiber-Programm draußen, auch ihren Biergarten-Ringelnatz vom dem vergangenen Jahr. Neu war Meigl Hoffmann, der sich beeindruckend heiter als Spezialist in Sachen Otto Reutter zeigte. Sein Reutter-Abend läuft seit einem viertel Jahr und hat bereits einen Preis abbekommen. Aber davon später.
Auf den Bühnen drinnen war im Frühsommer einiges zu erleben. Die neuen Kiebitzensteiner in Halle bauten weiter ihr Repertoire aus und gingen damit neue Wege. Das Programm „Die Ritter der Schwafelrunde„ wird nicht nur in der Kulturhauptstadt von Sachsen-Anhalt, auch im thüringischem Gera, gespielt. Dort halt in der Spielart vom Fettnäppchen. Geschrieben haben das Programm die Fettnapp-Chefin Eva-Maria Fastenau und Thomas Puppe von den Kiebitzensteinern. Und die academixer kommentieren mit ihrem turbulenten und überaus heiteren Programm „Niveau ist keine Faltencreme„ den Lifestyle. Unpolitisch sind die Frühjahrprogramme alle nicht. Auch die Herkuleskeule zeigte mit ihrem „Abgegessen„ seit langem wieder politisches Kabarett der direkten Art. Hinter dem Titel steht „Wir haben alles aufgefuttert„ oder „Wir haben einfach abgegessen„. Eigentlich wird eine Wohltätigkeitsparty gefeiert, zu der als Schmankerl Kabarettisten bestellt sind. Die müssen all das Treiben hinter den Kulissen miterleben und bekommen zu allem Elend vom Bankett nur noch die Reste ab. Mit leerem Magen schimpft es sich besser. Die Politiker werden von ihrer pragmatischen, also cleveren, also eigensüchtigen Seite gezeigt.
Wenn der Sommer in seine Endphase übergeht, ist es Zeit, von der Leipziger Lachmesse zu sprechen. Die zwölfte ist es und läuft vom 3. bis zu 13. Oktober. Auf dem Programm stehen 97 Veranstaltungen und wie es auf den ersten Blick scheint, wird das größte Kleinkunstfestival Deutschlands, wie es immer heißt, in diesem Jahr im Zeichen der Debütanten stehen. Kein Nachwuchsfestival, lediglich werden viele das erste mal in Leipzig sein. So keine Geringeren als Herbert und Schnipsi, Kult aus Bayern und Humor der Sonderklasse. Auch Luise Kinseher, die im Februar den Förderpreis der Stadt Mainz bekommen hat. Musikalisch wird es mit den Bördebrothers, Olaf Schubert oder dem grandiosen Georg Ringsgwandl, die Comedy-Fraktion ist vertreten durch Bülent Ceylan, der blonde Emil, Herbert, Horst und Heinz... das Programm zeigt auch, dass die Grenze zwischen Kabarett, Comedy oder auch Clownerie längst gefallen ist. Die Stile fließen ineinander und unterteilt wird nur noch, in gut oder schlecht. Einen Gruß von der Köln-Comedy überbringen Krissie Illing, Herta Schwätzig und Popette Betancor mit ihrer „Comedy Ladies Night„, außergewöhnlich auf dem Brettl ist das Zusammentreffen von Uschi Brüning und Ernst Ludwig Petrowsky mit Wiglaf Droste. Weitere Höhepunkte sind der brillante Laberer Rolf Miller oder Horst Schroth, der seinen brandneues Programm „Katerfrühstück„ vorstellen wird. Ausverkauft ist schon jetzt die Satire-Matinee, die man in Gedenken an den im April verstorbenen Gastgeber und Moderator dieser Veranstaltung fortan „Die-Jürgen-Hart-Satire-Matinee„ nennen wird.
Dass alle Leipziger Kabaretts auch wieder mit von der Partie sind, muss nicht sonderlich betont werden. Auch der schon erwähnte Meigl Hoffmann, der mit seinem Pianisten Karsten Wolf für den Otto-Reutter-Abend „Lass dir bloß die Nase ändern„ den Cabinet-Preis in der Kategorie Kabarett bekommen hat. Überreicht wird er am ersten Lachmessesonntag. Der seit 1999 von Reemtsma und dem Satiremagazin Eulenspiegel vergebe Preis zur Unterstützung neuer Spielarten, Farben und Ansätze auf der kleinen Bühne im Osten, hat in diesem Jahr eine Veränderung erfahren. Der jeweils mit 2500 Euro dotierte Preis wird nicht mehr nur für Kabarett in den Kategorien Ensemble, Solist und Newcomer verliehen sondern nunmehr in den Kategorien Kabarett, Comedy und Musik. Der Preis für Comedy hat der eigenwillige Erfurter Talkmaster André Kudernatsch zugesprochen bekommen. Seine Talkshow „Kudernatschs Kautsch„ bewegt sich zwischen Nonsens, Neckereien und reiner Neugier. Der Musikpreis geht an Tabea und Tobias Wollner aus Magdeburg/Berlin. Das Geschwisterpaar besticht einfach durch seine musikalische und auch darstellerische Wandlungsfähigkeit... Die Lachmesse kann also steigen. Und am 3. Oktober wird der Lachmessepreis „Leipziger Löwenzahn„ Lothar Bölck und Hans-Günther Pölitz, also der Magdeburger Zwickmühle überreicht.
Ansonsten im Osten nichts Neues. Vermutlich müssen die Kabarettisten den Wahlausgang erst einmal verkraften oder verinnerlichen.
Redaktion: Harald Pfeifer
2002-09-15 | Nr. 36 | Weitere Artikel von: Harald Pfeifer