Hinter uns liegt ein schöner, stimmungsvoller Herbst. Passend dazu hat im Oktober das 11. Berliner Chansonfest stattgefunden; im kerzenerleuchteten Spiegelsaal des Ballhauses Mitte und erstmals mit einer thematischen Vorgabe. „Fremd in einer großen Stadt“ war der Obertitel. Bereits zum zweiten Mal trat Tanja Ries als Veranstalterin auf. Und wenn diese ganz große Dame des neuen Berliner Chansons mit dem schönen Festival zufrieden war, wer soll es dann nicht sein? So kommt das 12. Chansonfest Berlin ganz bestimmt. Wer dann selbst auf der Bühne stehen möchte, kann sich bei Tanja Ries bewerben. Bis Februar 2007 möchte man sich aber bitte gedulden und der Veranstalterin ein bisschen Muße zwischen den Jahren gönnen. Bewerbungen dann unter: www.chansonfest-berlin.de.
Weniger mit Gesang, und auch nur bedingt mit der Leidenschaft, hat es die Stand-up-Comedienne Anny Hartmann. Eine Voraufführung ihres neuen Programms „Zu intelligent für Sex?“ in der Peripherie von Berlin war restlos ausverkauft. Ab Februar wird sie damit zum Glück ein längeres Gastspiel in der ufa-Fabrik absolvieren und bis dahin öfter im Quatsch Comedy Club zu sehen sein. Bevor sie selber als Solo-Künstlerin auftrat, war Anny Hartmann Kabarett-Regisseurin unter anderem für Arnulf Rating und Murat Topal.
Nicht ganz neu ist es, wenn Bühnenkünstler Teile ihrer Programme auch literarisch weiterverarbeiten. Man kennt das etwa von Susanne Betancors Roman „Damenbart“. Nun gibt es zwei neue Bücher von Berliner Kabarettisten. Gerd Normann bezeichnet sein Buch „Kalter Schlag“ selbst als „Kriminalgroteske“. Darin geht es um eine aus dem Ruder laufende Privatermittlung in der Nuttlarer Kneipe „Zeche Elend“. Heiter ist die Entstehungsgeschichte: Normann, gebürtiger Sauerländer, saß auf Heimaturlaub immer mal wieder mit den alten Kumpels in der Dorfschenke herum. Die Geschichten, die er dabei hörte, kamen ihm so irrwitzig vor, dass er gar nicht anders konnte, als sie zu einem Buch zu verweben (erschienen im Anderbeck Verlag). Martina Brandl war mit ihrem Programm „Halbnackte Bauarbeiter“ schon eine Weile höchst erfolgreich im ganzen Land unterwegs, bevor sie nun auch einen Roman mit demselben Titel – und natürlich demselben Thema – geschrieben hat. Ein Vergnügen vor allem für Freundinnen der Gattung „ChickLit“ – nennen wir es so: aus dem Leben gegriffene Geschichten urbaner Mittdreißigerinnen (Scherz Verlag).
Wäre es nicht so missverständlich, würde man über eine andere Künstlerin Folgendes formulieren: Im September hat sich auch die gute, alte Charla Drops wieder einmal auf eine Berliner Bühne begeben. Mit ihrem Programm „Vorsicht – leicht entflammbar!“ begeisterte die Grotesk-Entertainerin und neuerdings Sängerin im BKA einmal mehr ihre treuen Fans. Von denen gibt es in Berlin immer noch sehr viele. Die Drops – nicht wirklich gealtert und immer noch wunderbar – war ein Herzstück der hiesigen Kleinkunstszene, als die Gegend noch West-Berlin hieß und sie in Kreuzberg das UnArt-Theater betrieb.
Für ein einziges Konzert haben sich übrigens die Beez mit ihrer legendären, vor zwei Jahren leider eingestellten „Commusication“ wieder auf die BKA-Bühne gestellt. Diesmal versuchte sich die muntere Band zusammen mit den holländischen Gastmusikern von Parne Gadje und anderen Gästen an unterschiedlichen Versionen von Jimmy Hendrix „Purple Haze“. Und weil’s so schön war, soll in Zukunft vielleicht wieder öfter „commusiziert“ werden. Allerdings sicher nicht mehr regelmäßig.
Zum Schluss noch ein Hinweis aus der Rubrik „Auferstanden aus Ruinen“: Der Spielort „Tränenpalast“ hat endgültig ausgedient, aber die Macher machen weiter. An unterschiedlichen Spielorten werden sie in Zukunft ausgesuchte Acts aus den Bereichen Kabarett und Musik präsentieren. Trottoir wünscht gutes Gelingen! Sowie allen Leserinnen und Lesern: einen guten Rutsch!
Redaktion: Susann Sitzler
2006-12-15 | Nr. 53 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler