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    Zoff pur

    Nunmehr im zehnten Jahr fand in der Englischen Kirche das traditionelle März-Varieté statt. Initiator der jährlichen Gala sind das Ehepaar Langer und ihr Veranstaltungsservice. Bei leckerem Essen sind die Artisten bei den fast einstündigen Schmauspausen eher Pausenfüller. Der künstlerische Leiter Sven Maree hat für die Jubiläums-Show ein vorrangig athletisches Programm zusammengestellt: Turnübungen im Hip-Hop-Stil von Frank Wolf auf dem BTX-Rad. Im klassischen Las-Vegas-Stil Santo und Monique mit ihrer Mental-Magie. Maree selbst zeigt unter der Kirchenkuppel seine Strapaden-Nummer. Komik und Muskelspiel kommen bei Herrn Stanke zusammen. Da wird versucht, am Reck einen Teppich auszuklopfen, wobei in pointenreicher Dramaturgie so ziemlich alles schief geht, sodass man Tränen lacht. Faszinierend und präzise das Mongolinnen-Quartett Arabeske mit einer prickelnd inszenierten Kontorsions-Artistik. Was wäre ein Varieté-Abend ohne Moderator? Lispelnder Clown, brachialer Charmebolzen, Jongleur und Zuschauerdompteur in einer Rolle verkörpert Puck. Platzende Faltballons, falsches Timing beim Applaudieren oder Publikumsmitspieler, die ihm die Show stehlen, bringen den improvisationserprobten Tausendsassa nicht im Geringsten aus dem Konzept. Jutta Klauers Varieté-Band sorgte für jazzige Stimmung.

    In der Frankfurter Stalburg konnte man das Fräuleinwunder Sabine Fischmann unter anderem bei einem bunten Abend mit einem Mix aus ihrem Repertoire hören. Wiener Lied, Musical-Hit und Selbstverfasstes quirlen peppig durcheinander. „Du bist so un-neu-rotisch“, rockt es bebend, Männerfüße werden schmachtend in höchsten Tönen besungen und der „F...-Tourist“ auf Ballermann-Ausflug bekommt mit Blockflöte und kunstvoller Jodelkoloratur eine Hymne zum Mitklatschen aufs Ohr gedrückt. Brünett, kulleräugig und mit der Wucht einer opernerprobten Stimme singt die Fischmann ihr Publikum platt, das sich vor allem bei der bodenständigen wie rotzfrechen Behandlung von Themen unter der Gürtellinie vor Lachen kugelt. Da Fischmann nicht nur mit ihrem Solo „Am schönsten ist es wenn es schön ist“ tourt, sondern für Koproduktionen unter anderem mit dem Neuen Frankfurter Schulorchester und auch im Schauspielbereich gefragt ist, ist ihr Terminkalender augenblicklich randvoll.

    Der Würzburger Nachwuchskabarettist Mathias Tretter, bekennender Ex-Zivi, erwies sich ebenfalls in der Äppler-Bühne Stalburg als veritabler Priol-Schüler mit seinem Monatsrückblick „Nachgetrettert“. Tretter widmete sich im Jänner dem deutschen Tätervolk, Max Strauß und dem amerikanischen Reizthema. Es darf auch mal humorig sein: Mit einer Flasche Würzburger Jubiläumsbräu im Griff wurde für ein Saufen fürs Vaterland geworben, denn vom Biererlös geht ein Teil in die Stadtkasse. Im Bayern weiß man eben besser als in Berlin, wie man Schulden aufarbeitet! Prost!

    Die Frankfurter KÄS (www.die-käs.de) hat als Laufsteg für Newcomer und Dauerbrenner die Reihe „Vince Open“ ins Programm genommen. Der fernsehgestählte Comedy-Hero Vince Ebert ist sich als Mentor von Kollegen nicht zu schade. Die Zuschauer nehmen die bunten Dienstage jeden Monat inzwischen gut an, trotz der innerhäusischen Konkurrenz der HR-Fernsehsendung „Lachen mit Lars“. Im Februar konnte das Kleeblatt Philipp Weber („Sex und Politik“), Andi Steil („Rhythmus, wo jeder mit muss“) und Rolf Miller („Ding und das andere“) satte Lachernte mit Tiefenwirkung einfahren.

    Proll-Comedy vom Feinsten ist das Metier von Peter Beck, der als „Begge Peder“ derzeit mit zwei Programmen ein Kassenmagnet im Rheingau und in Mainz ist. Der hessische wie gehässige Hausmeister, den sich der Veranstaltungs-Spezialist mit Meenzer Fastnachtserfahrung auf den Leib und ins Schlappmaul geschrieben hat, kennt kein Pardon. Wer unter den Attacken von „Begge Peder“ zu leiden hat, wie Ehefrau, Kleingartennachbar oder Arbeitskollege, der hat Zoff pur. Kleinkinder hindotzen lassen, Chefsekretärinnen Schnaps ins Mineralwasser kippen, Schneckenwanderungen über den Gartenzaun organisieren, als Schiri stets rot sehen, Klorollengeburtstagstorten mit doofen Sprüchen verschenken: Schadenfreude als schönste Freude ist das Lebenselixier dieses Querulanten, dessen Dreistigkeiten dröhnenden Lachapplaus vom Publikum ernten. „Begge Peder“ hat seine persönliche Lösung im Kampf mit dem allgemeinen Schweine-System gefunden: Mach’ kaputt, was dich kaputt macht! Es menschelt bei den Hau-drauf-Anekdoten nicht das winzigste Fitzelchen. Beck’s Bühnenfigur, dessen faschistoide Charakterzüge Qualtingers Herrn Karl locker in den Schatten stellen, ist ein Lackmuspapier dafür, welches Potenzial an aktuellem Volkszorn unter der Oberfläche brodelt und gerne Amok laufen möchte.

    Das Comedy-Frauenkabarett-Kleinkunst-Musical „Tupperparty Revue“ von und mit Creme Double aus Osnabrück wurde in der fast 700 Zuschauer fassenden Phoenix-Halle in Mainz aufgeführt.

    Zum Einstieg gab das Duo aus den Figuren Irmgard (brünett) und Marie-Luise (blond) in roten Stewardessenkostümen eine kalauernde Einführung. Die „Kreuzkinder“ („Machen Sie nicht auch drei Kreuze, wenn die Kinder im Bett sind?!“)

    Tine Schoch, die den esoterisch angehauchten Single mit Sex-Defiziten spielt, zeigt hingebungsvoll, wie man mit einem Quark-Öl-Teig in Händen eurhythmisches Ballett inklusive Spagat aufführen kann. Zusammen mit Blondie Marie-Luise, einer preußisch-verklemmten Tupper-Soldatin mit Neigung zum wortwörtlichen Männermorden, werden Plastikbrotkästen zum Stepper für Fitnessübungen missbraucht. Finale dann mit Sambatönen in sexy-tupperdösigem Karneval-Outfit.

    Das ursprünglich rein klassisch orientierte „Rheingau-Musik-Festival“ mischt regional im Sommer auch in Sachen Kleinkunst kräftig mit. Georgette Dee, Ilja Richter, Judy Winter, Hudson Shad, Dominique Horwitz, Erst Stankowski und The Croonettes sorgen für die Vertretung der leichten Muse in historischen Baudenkmälern und auf Weingütern. Quoten-Queen ist wie immer die Entertainerin Ulrike Neradt („Fröhlicher Weinberg“, SWR-Fernsehen), die heuer mit den Produktionen „Zweimal Solo im Duett“ mit Frank Golischewski und „Mein Bett allein weiß, was ich leide“ (ConTante Quartett) vertreten ist. Info: www.rheingau-musik-festival.de.

    Redaktion: Kathrin Schwedler

    2004-06-15 | Nr. 43 | Weitere Artikel von: Kathrin Schwedler





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