Die gut platzierte Pointe eines Comedians; eine Band, die wirklich groovt; Schauspieler, Tänzer oder Artisten, die schlafwandlerisch miteinander spielen, aufeinander eingehen oder im Ensemble wie ein einziger Körper sprechen und agieren – ein Genuss für jedes Publikum.
Miteinander in der gleichen Schwingung zu sein und sich dabei wie von selbst ins Spiel fallen zu lassen – glückliche Momente eines Spielerdaseins.
Neben dem handwerklichen Können des Einzelnen steht und fällt alles mit der Fähigkeit, sich auf einer gespürten Basis mit den anderen zu synchronisieren, das rechte Feeling für den gemeinsamen (Spiel-) Rhythmus zu entwickeln.
Nun fragen Sie doch mal spaßeshalber in Ihrem Kollegenkreis, wer schon alles mit der Bemerkung beglückt wurde: „Du kannst den Rhythmus nicht halten!“, oft verziert mit weiteren, motivierenden Bemerkungen. Vermutlich werden Sie mit dieser Frage eine schöne Schar derer um sich versammeln können, die von sich behaupten (oder von denen andere behaupten), kein oder lediglich ein schlechtes Rhythmusgefühl zu haben.
„Ist ja auch klar, Rhythmus hat man oder hat man nicht, und wer ihn nicht hat, lässt’s besser bleiben!“ So ist zumindest in unserem Kulturkreis die weitläufige und jede Entwicklung behindernde Meinung über eine eigentlich ur-menschliche Fähigkeit, die jede/-r mit auf die Welt bringt: „Im Rhythmus sein.“ Die Liste der individuellen Negativerfahrungen mit Rhythmus ließe sich beliebig fortsetzen. Stattdessen will ich an dieser Stelle lieber eine Arbeit vorstellen, die gründlich mit diesem Vorurteil aufräumt und eine wertvolle Trainingsmethode für jeden (Bühnen-) Menschen bietet.
Die Rede ist von taketina, einer Lehr- und Lernmethode, die von dem österreichischen Komponisten und Musiker Reinhard Flatischler entwickelt wurde und schon seit dreißig Jahren praktiziert wird. In offenen Workshops genauso wie in der Ausbildung von Musikern, Schauspielern und anderen künstlerischen Berufen.
Bei taketina geht es nicht um das Erlernen und Reproduzieren verschiedener Rhythmuspattern, sondern um das Ausbilden der in jedem Menschen angelegten Fähigkeit zur intuitiven, rhythmischen Orientierung. taketina bezieht alle Sinnesorgane mit ein. Was heißt nun taketina?
Erst einmal nichts. Es sind vier Silben: ta ke ti na. Wenn Sie diese vier Silben eine Weile in ruhigem Tonfall und gleichmäßig sprechen und sich für dieses kleine Experiment Zeit und Ruhe lassen, werden Sie bald merken, dass Sie begonnen haben, mit Ihrer Stimme die Pulsation eines ersten, einfachen Rhythmus zu formen und dass bei genauerem Hinfühlen diese Pulsation vielleicht auch schon körperlich mehr oder weniger spürbar wird. Ihre Stimme und Ihre Bereitschaft sich einzulassen waren das Tor zu einem Rhythmus, nicht Ihre Fähigkeit, fehlerfrei und exakt zu zählen, Noten lesen zu können oder sonst irgendeine musikalische Vorbildung.
Und schon haben Sie begonnen, ein in vielen Kulturen dieser Welt übliches Prinzip anzuwenden, nämlich Rhythmus über die Stimme und auf der Ebene körperlichen Erlebens entstehen zu lassen. Dieses und verschiedene andere Prinzipien macht sich taketina zu Nutzen.
Reinhard Flatischler hat auf seinen weltweiten Reisen Kontakt mit Musikern verschiedener Kulturen knüpfen können. Durch alle kulturellen Unterschiede hindurch wurden dabei einige weltumspannende Parallelen sichtbar. Zum Beispiel ist es in anderen Kulturen üblich, im Kollektiv zu lernen. Erfahrene Musiker sitzen neben Anfängern, jeder lernt von und mit jedem. Oder: Der Beginn, einen Rhythmus zu erlernen, ist die Stimme, das Sprechen des Rhythmusmantras hilft, den Rhythmus im Körper zu verankern. Oder die für uns vielleicht erst einmal wichtigste Einladung: „Aus dem Rhythmus zu fallen ist kein Mangel, sondern ein wichtiger Schritt, um zu lernen, mit dem Rhythmus zu sein.“
Auf der Basis seiner Studien und Erfahrungen hat Flatischler seine Lehr- und Lernmethode entwickelt, die dann mit der Zeit den Namen taketina erhielt, da diese Silben als Mantra für einen 4er-Zyklus immer wieder verwendet werden.
Taketina funktioniert im Kollektiv. Ein Kreis – die Menschen sprechen ein Rhythmusmantra, das der Pulsation des gewählten Rhythmus entspricht (z. B. ta ki, ta ke ti na oder ga ma la). Begleitet vom Surdo, einer brasilianischen Basstrommel, beginnen die Füße auf der Basis der Stimme den Puls als einfache Schrittfolge in Bewegung umzusetzen. Der Leiter führt die Gruppe nun durch eine Rhythmusreise, in der das pulsierende Gehen, das gestaltende Klatschen und Singen den Rhythmus körperlich unmittelbar erlebbar werden lassen. Überraschungen sind da sicher! Chaos und Struktur wechseln sich ab.
Eine wichtige Erfahrung in einem solchen Set: „Ich mache nur so viel, wie gerade geht!“ Nie besteht der Zwang, alles mitmachen zu müssen, sondern die Einladung, das zu nehmen, was in diesem Moment möglich ist. So hat jeder genügend Zeit, Stück für Stück und in seiner Geschwindigkeit mitzugehen, oder ein- und auszusteigen. Aus-dem-Rhythmus-fallen ist dabei erwünscht, um jederzeit auch wieder hineinfallen zu können – lustvolles Lernen.
Bei diesem Prozess geht es nicht darum, spezielle Rhythmen auswendig zu lernen. Vielmehr ist der Sinn dieser Arbeit, dem Einzelnen im Kollektiv die Erfahrung zu ermöglichen: „Wann bin ich im Rhythmus, wann nicht und was kann ich tun, damit Rhythmus geschehen kann.“
Das große Thema der Gleichzeitigkeit begegnet uns in einem solchen taketina-Set in Reinform. Wie kann ich stressfrei verschiedenste Dinge gleichzeitig tun? Während die Füße diesen Schritt gehen, klatschen die Hände jenes und im Singen bewege ich mich auch noch frei über diesen beiden Strukturen. Mit kontrollierendem Willen lässt sich das nicht mehr bewerkstelligen, spätestens hier ist Einlassen in die Situation der einzige Weg. Bei taketina wird genau dies gefördert. Über das Medium Rhythmus schult der Einzelne im Kollektiv seine Fähigkeiten und kann spielerisch entdecken, wo er sich selbst im Weg steht. Hemmnisse können im taketina transformiert werden. Diese Erfahrungen übertragen sich dann auf andere Lebens- und Arbeitsbereiche.
Damit wären wir wieder bei den eingangs beschriebenen Situationen. Das gute Timing zwischen Schauspielern, Musikern, Tänzern oder Artisten und das Gespür für den stimmigen Rhythmus einer Show lassen sich nicht erzwingen. Hier ist der Künstler nicht nur als Handwerker, sondern als Mensch gefragt. Und dabei kann er auf eine ur-menschliche Fähigkeit bauen: Sein Gespür für Rhythmus.
Internet:
www.taketina.net Liste der taketina-Lehrer mit Links zu den Websites und Workshopterminen
www.taketina.com allgemeine Infos zu taketina, Reinhard und Cornelia Flatischler und Workshop-Terminen
www.megadrums.com Infos zu Reinhard Flatischlers Musikprojekt Megadrums mit internationalen Masterdrummern
Redaktion: Philipp Schaefer
AdNr:1085b