Bei einem Schlenker zum Thema Mode scheinen nach Regenauers Meinung Männer tagelang das Gleiche anzuziehen, während Frauen so schnell ihre Kleider wechseln, dass es Männern unmöglich ist, deren Outfit der letzten Tage überhaupt zu beschreiben. Natürlich geht es auch aktuell um Flüchtlinge und die CSU, die am rechten Rand in der Mitte stehen soll, seitdem die AfD ihr harte Konkurrenz macht. Regenauer springt von einem Thema zum anderen, von moderner Kommunikation über Psychopaten in den Chefetagen zu eigenen Schulerlebnissen. Zwischendurch gibt es einen gereimten Rapsong, der den langen Monolog angenehm unterbricht.
Die Probleme alter Menschen greift er am Beispiel von „Opa Friedrich“ auf, kritisiert die Geschäftemacherei von Seniorenheimen und Bestattungsunternehmen. Ob Google Earth, Youtube oder Kuschelparties, Warteschleifen beim Telefonieren, Computerkids, die nicht mehr Kopfrechnen können, Eheprobleme, thematisch geht es Schlag auf Schlag, bis ein neuer musikalischer Teil gegen Ende eine dramaturgische Wende andeutet. Mit einer fetzigen Zugabe wird das Programm beendet. Etwas mehr an musikalischen Einschüben, eine Stärke des Kabarettisten, wäre gut gewesen.
Vom 18. Bis zum 27. März liefen in diesem Theater die 12. Türkischen Kabarettwochen.
Dieses Mal standen unter anderem Kerim Pamuk, Muhsin Omurca, Fatih Cevikkollu und Özcan Cosar auf der Bühne. Und dann beteiligt sich das Renitenztheater natürlich am 24. Stuttgarter Kabarettfestival mit Thomas Schreckenberger, Bernd Kohlhepp & Uli Böttcher, Ohne Rolf und Rene Sydow. Die anderen Beteiligten sind das Laboratorium, die Rosenau, das Merlin und das Theaterhaus, in dem wie jedes Jahr die Eröffnungsveran-staltung stattfindet. Dieses Mal stellt nicht jedes Haus dort einen Kabarettisten oder eine Kabarettistin vor, sondern es spielt die Gruppe „RebellComedy“ (8.4.16). Im Theaterhaus folgen dann noch Leo Bassi, Alfred Dorfer, Schmickler und Faltsch Wagoni, mit Sprachwitz und einer Portion Selbstironie eine der ausgefallensten Kabarettgruppen der Republik.
Die Rosenau, die in Sachen Kabarett im Gegensatz zu anderen Stuttgartern Kleinkunstbühnen besonders aktiv ist, gastierte nach einer längeren Pause ein guter alter Bekannter. Der Wortakrobat Timo Brunke mit einem „Best of“ Programm. Und im Herbst lässt er dann ein neues Programm folgen, das ebenfalls auf dieser Bühne Premiere feiern wird.
Im Stuttgarter Staatstheater fand als Premiere ein interessantes künstlerisches Experiment statt. Der Intendant des Schauspielhauses Armin Petras schrieb unter dem Pseudonym Fritz Kater das Stück „ I´m searching for I:N:R:I - eine Kriegsfuge“ und der Intendant der Oper Jossi Wieler übernahm die Regie, zum ersten Mal wieder ein Sprechtheaterstück nach Jahren von Operninszenierungen. Der Text ist komplex, von den Zuschauern verlangt es eine hohe Aufmerksamkeit, das Stück, in dem es immer wieder Zeitsprünge gibt, zu verfolgen. Der Hauptdarsteller Andre Jung in der Rolle des polnischen Juden Maibom, der Journalist ist und im Ausland ehemalige Nazis jagt, meistert die langen Monologe mit Bravour. Sein Gegenpart ist Fritzi Haberland in der Rolle der Rike, die sich zwangsweise zu Kriegszeiten mit einem Nazi zusammen getan hat, den Maibom jetzt jagt. Auch ihre Aufgabe ist es, die komplizierten, langen Monologe zu meistern. Zwischen durch gibt es Dialogpassagen oder kurze Szenen mit den Nebenfiguren, die von Manja Kul, Lucie Emmons und Matti Krause dargestellt werden. Das Stück spielt von den 40er Jahren bis zur Wendezeit 1989. Als Bühnenbild weit über hundert zerbrochene Gipsplatten, die immer wieder ins Spiel eingezogen und durch Tritte weiter zerstückelt werden, um die Emotionen der Protagonisten zu verdeutlichen. Ansonsten wird sparsam mit Requisiten gearbeitet, bei Maibom sind es Hut, Mantel, Schreibmaschine. Bei seinen Monologen spricht er oft in die Kamera, und alles wird in schwarz-weiß auf eine Leinwand übertragen. In der Gegenwart sind Rike und Maibom ein Paar, ohne sich richtig zu kennen, ohne vom Gegenüber allzu viel zu wissen. Ernste Momente und ein leichter Anflug von Humor wechseln sich ab. Die Botschaft ist aktuell, es geht um Flucht, Krieg, Hass, Gewalt und gleichzeitig um Liebe und Verrat. Keine dieser Figuren ist ohne Schuld. Und das hat Wieler genial auf die Bühne gebracht und das Ensemble wird mit anhaltendem Applaus von den Premierenzuschauern gefeiert.
Auf dieser Bühne gab es einen interessanten musikalischen Abend mit südamerikanischen Songs: Manu A Manu, das sind Sergio Vesely, Roland Geiger und Luis Arellano. Mit einem langen Instrumentalenstück und einer Vielzahl ausgefallener Instrumente stellen sich die drei erst einmal vor. Dann wird es satirisch, wenn der Sänger Sergio unter dem Motto, „Was ist ein Deutscher? Was ein Südamerikaner?“ diese Gegensätze musikalisch persifliert.
Auf der einen Seite der Deutsche mit Mülltrennung, kulturinteressiert und möglichst fehlerlos und emotional zurückhaltend, auf der anderen der südamerikanische Macho auf Blondinenfang, der sich in seiner neuen Heimat finanziell irgendwie über Wasser hält. Hier wird köstlich überspitzt und mit Vorurteilen gespielt. Das alles wird mit Power und viel Gefühl vorgetragen. Immer wieder mit perfektem dreistimmigen Gesang, mit Augezwinkern und einem Schuss Selbstironie. Natürlich darf auch eine ironische Würdigung der Stadt Esslingen nicht fehlen oder die schwäbische Kehrwochenmentalität. Andere Lieder sind sehr poetisch geschrieben, Liebeslieder, aber auch aktuelle Anlässe wie Ereignisse auf der Balkan Route werden thematisiert, kein Wunder, schließlich musste Sergio selber aus Chile flüchten. Seit vierzig Jahren hat er im Raum Esslingen eine neue Heimat gefunden. Auch das Titel-Thema „Schokolade“ wird in vielen Variationen musikalisch vorgestellt. Ein eindrucksvoller musikalischer Reigen, der noch mehr Zuschauer verdient hätte!
Anfang April feiern die Galgenstricke selber ihre Premiere, wie sie es so oft nach einer wichtigen Wahl tun. „Zum Schießen“ wird das neue Programm heißen, ein aktuelle Anspielung auf die Flüchtlingsproblematik und mehr.
Rund um Stuttgart gibt es viele traditionelle Kleinkunst- und Musikclubs. Im Kuckucksei in Nürtingen, in „Die Halle“ in Reichenbach oder in der „Bastion“ in Kirchheim unter Teck finden auch heute noch Kleinkunst- und Politveranstaltungen statt, die Mehrzahl der Auftritte gibt es mittlerweile in den Bereichen Rock, Blues, Weltmusik, Jazz und Folk. Nicht zu vergessen das Haus „Osterfeld“ in Pforzheim, das sich in den Räumen des ehemaligen Stadttheaters zu einer Spitzenadresse für Kleinkunst und mehr gemausert hat.
Redaktion: Bruno Schollenbruch
Bildnachweis:
Maria Vollmer Foto: Patric Fouad
Bernd Regenauer Foto: Carlheinz Schanzenbach Photography