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    Abschiede und Neuanfänge


    artbild_350_corbo_Zenner_unEs wird uns fehlen in Berlin, das „corbo“, die Kleinkunstbühne, die Lisa Zenner und dieFENDEL (Bild) seit sechs Jahren in Treptow betrieben haben. Mitte des Jahres läuft der Mietvertrag aus, der Hamburger Vermieter hat beschlossen, ihn nicht mehr zu verlängern, weil er dort lieber ein reines Café/Restaurant haben möchte. Das Programm läuft noch bis Ende April 2016 und endet mit den Abschlussfeiern der CORBONALE am 29. und 30. April.

    Die beiden Macherinnen laden ihre Gäste ein, die letzte Saison zu genießen, suchen dringend nach einem Nachmieter ab Mai 2016 - bei Interesse direkt beim corbo melden! -und es wird gemunkelt, dass sie nach einem neuen schönen Ort in Berlin suchen – auch hier bitte melden!- um weiterhin ein anspruchsvolles Programm mit Chansons, Kabarett und Lesungen anbieten zu können. Wer sonst wird in Berlin Festivals des deutschen und französischen Chanson organisieren?

    artbild_350_corbo_bu_hnenraMitte März verabschiedete sich dann auch eine Freundin des Hauses, die französische Chansonsängerin Corinne Douarre mit einem furiosen Abend voller Gäste auf der Bühne (Bild) vom „corbo“ und ihren Betreiberinnen.

    Sie sang eigene Chansons und Lieder von Henri Salvador und Serge Gainsbourg – teilweise direkt auf das „corbo“ umgetextet - die mit ein- drucksvoller Poesie und fein arrangierten Kompositionen berühren. Die Zeit, die Risse mit sich bringt, Worte und Namen vergessen lässt, besingt sie auf Deutsch und Französisch in „Ma mémoire m’oublie- Wenn mein Gedächtnis mich vergisst“. Ganz so schlimm ist es bei ihr noch nicht, aber das Alter beschäftigt sie seit einer Weile. Einen optimistischeren Blick drückt das leise, nur mit der Autoharp begleitete Lied, „Ich werde älter“ aus – ein Chanson, das sie direkt auf Deutsch komponiert hat. Es war ein fröhlicher Abend mit bewegenden Momenten: etwa, wenn Douarre das Lied „Plauen“ singt, in dem es um ihren Vater geht, der als 20jähriger Zwangsarbeiter in Plauen war. Wenn Corinne Douarre auf der Bühne steht, bedarf es nur kleiner Bewegungen ihres Körpers und ihrer warmen Stimme, um das Publikum einzufangen. Hoffentlich also findet das „corbo“ schnell einen neuen Ort, und hoffentlich sehen wir Corinne Douarre dort – und anderswo – bald wieder.


    Wenn die Nachbarn Ärger machen

    Die Straßenbahn, Kneipen-Kollektiv, darf aufgrund von Beschwerden von Nachbarn keine Musikveranstaltungen mehr durchführen, und zitiert auf ihrer Homepage, frei nach Schiller: „Es kann die schönste Kneipe nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt“. Wir wissen also, warum diese über 35jährige „Institution“ in Berlin-Friedenau auf einen ihrer Hauptprogrammteile fortan verzichten muss. Ein herber Verlust. Hoffentlich darf wenigstens weiter Kabarett stattfinden, in der nächsten Ausgabe mehr dazu.

    Neuer Ort für die Reformbühne Heim & Welt

    Die Reformbühne Heim & Welt hat zwar seit dem 3. Januar den Ort gewechselt, aber sonst bleibt alles beim Alten: sie tagt wie seit 25 Jahren an jedem Sonntag, aber fortan in der Jägerklause und bereits um 20 Uhr. Die Jägerklause liegt in Berlin-Friedrichshain, ist eine bodenständige Kneipe mit billigem Bier – wichtig in Berlin! - es gibt einen Raucherraum, und im Sommer werden wir uns alle über den hauseigenen Biergarten freuen.

    Schaubude-Berlin: And life goes on

    artbild_250_schaubude_hausfDie Schaubude Berlin hat gemeinsam mit dem Theater Arbeit Duisburg das Langzeitprojekt mit Geflüchteten „Rummelplatz“ gestartet, dessen Ziel es ist, mit Mitteln des Objekttheaters und jenseits sprachlicher Barrieren Erfahrungen und Wünsche zu teilen. Anfang Januar begannen drei zweiwöchige Workshops, beim Hausfest am 16. Januar wurden Ergebnisse in Performances, Installationen und Musik präsentiert.

    Die Workshops waren nicht auf fertige Präsenta-tionen ausgerichtet, es ging erstmal darum, der Öffentlichkeit den Arbeitsprozess vorzustellen, erklärte Tim Sandweg, seit September 2015 künstlerischer Leiter der Schaubude Berlin. Seit einiger Zeit schon sammelte die Schaubude Eintrittsgelder für geflüchtete Kinder, diesmal wurde mit Erwachsenen gearbeitet. Die TeilnehmerInnen kamen aus Syrien, dem Iran, Irak und aus Ägypten, 90 Prozent waren Männer zwischen 20 und 35 Jahren, die jetzt in Unterkünften in Grünau und Köpenick leben. Aber auch Deutsche und Griechen waren dabei.

    Die Idee zum Projekt hatte Stella Cristofolini vom Theater Arbeit Duisburg, das langjährige Erfahrungen in der interkulturellen Arbeit hat. Das Projekt wurde mit assoziierten KünstlerInnen der Schaubude Berlin gestartet. „Das Objekt-und Puppentheater ist prädestiniert für den Austausch ohne Worte“, sagt Sandweg.

    Zeichnungen von Körpersilhouetten im Theatersaal dokumentierten den Workshop Objekttheater. Einige trugen Titel „borders – home- Dunkelheit“, auf manchen standen kleine Texte: „And the light goes on. And the life goes on. “

    Die Theaterpädagogin der Schaubude Susann Tamoszus präsentierte ihren Workshop zum Thema „Hülle“. Im Gestaltungsprojekt »Teppich« mit Sandy Schwermer wurden die Geschichten und Biografien der TeilnehmerInnen mit Bindfaden in einen gemeinsamen Teppich gewebt. Im Workshop „Objekttheater“ des Dänen Nis Søgaard ging es um die erste Begegnung mit Berlin und Deutschland. Geflüchtete, Deutsche und Zuwanderer aus anderen Ländern suchten Geschichten, die in Deutschland angefangen hatten und ließen Objekte erzählen. Ende März fand die zweite Runde von Workshops statt, Hausfest ist am 1. April.

    Moderne Medea

    artbild_300_Die_Dicke_spielDie Beschäftigung mit gesellschaftlichen Verhältnissen spiegelt sich auch in den Stücken der Schaubude wider. Im Rahmen der Reihe „JUNGE SZENE - Inszenierungen von Nachwuchskünstler*innen des Puppen-, Figuren- und Objekttheaters“ spielt Julia Raab „Die Dicke – spielt Medea“. Eine tragische Lebensgeschichte in Plastiktüten. Mit ihrem Trolley streift eine Frau durch die Straßen. Man nennt sie »die Dicke«. Ganz allein kommt sie jeden Abend irgendwo an, lässt sich nieder. Sie spricht nicht. Doch ihre Plastiktüten und anderen Habseligkeiten offenbaren Bruchstücke ihres Lebens. Die Dicke – eine moderne Medea. Beeindruckend verdichtet, fein inszeniert.


    Was soll man sagen?

    Und wahrscheinlich wegen der jüngsten Wahlergebnisse und der Stimmung im Land präsentiert das Zebrano-Theater auf ihrer Webseite als „Geleitwort“ ein Gedicht von Michael Feindler – dem ist nichts hinzuzufügen:




    Der Tag danach

    Wenn ihre Taten Angst und Schrecken
    verbreiten und wir dann beschließen,
    die Menschenrechte zu verstecken,
    damit sie nicht auf diese schießen;

    wenn in dem Schrei nach Sicherheit
    der Ruf nach Freiheit untergeht,
    wenn alles für den Krieg bereit,
    doch niemand für den Frieden steht;

    wenn wir Vergeltungsdrang verspüren
    und wir den Kampf, den sie begonnen,
    mit gleichen Mitteln weiterführen,
    dann haben sie bereits gewonnen.


    Redaktion: Katrin Schielke


    Bildnachweis:
    Medea Foto:Feldkirch, Oliver Röcklel
    Rummelplatz - Schaubude Foto:Silke Haueiß


    2016-04-08 | Nr. 90 | Weitere Artikel von: Katrin Schielke





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