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    Bonn "reif und bekloppt" und Colonia Absurdistan

    Von der depressiven Starre, in die die Wirtschaftskrise weite Teile der Gesellschaft gestürzt hat, ist in der rheinischen Kleinkunstszene derzeit zumindest äußerlich nichts zu spüren. Für das Frühjahr 2003 sind zahlreiche Premieren und Sonderveranstaltungen angesetzt, und es gibt gleich mehrere Bühnenjubiläen zu feiern.

    Sascha Korff ist weniger bekannt als die von ihm geschaffene Bühnenfigur Annette Küppersbusch. Das wird sich möglicherweise ab April ändern, wenn Korff in seinem neuen Programm im Atelier-Theater nicht als Küppersbusch in Aktion tritt, sondern Korff pur bietet. Ein neues Soloprogramm präsentiert auch Heinrich Pachl, der Meister des Maschinengewehr-Stakkatos, vom 16. bis zum 19. Mai in der Comedia. Und noch zwei weitere Altmeister machen wieder von sich reden: Rainer Pause und Norbert Alich, die als Fritz Litzmann und Hermann Schwaderlappen seit vielen Jahren mit großem Erfolg eine satirisch-grimmige rheinische Variante von Laurel und Hardy verkörpern. Nach ihrer erfolgreichen mehrjährigen "Tut uns leid"-Tour hat im Mai ein neues Programm Premiere – natürlich in ihrem Stammhaus, dem Bonner Pantheon. Dort wird auch vom 29. April bis zum 1. Mai zum neunten Mal der renommierte "Prix Pantheon" verliehen. Während die ersten beiden Tage im Zeichen der Nachwuchskabarettisten stehen, die um den Sieg in den Kategorien "Frühreif und verdorben" und "Beklatscht und ausgebuht" wetteifern, wird am "Tag der Arbeit" wieder einmal einem altgedienten Kleinkünstler bescheinigt, dass er "reif und bekloppt" sei.

    Vom 19. bis zum 23. März findet in Köln wieder das internationale Literaturfest LitCologne statt. Fünf Tage und fünf Nächte lang widmet man sich allerorts intensiv der Literatur. Dabei mischt auch die Kleinkunst kräftig mit. Der Lach- und Schießgesellschafter und Scheibenwischer-Autor Klaus-Peter Schreiner unternimmt im Senftöpfchen mit "Einmal Deutschland und zurück" eine kabarettistische Zeitreise durch die Republik. Am selben Ort halten Kleine & Linzenich einen Parforceritt durch die deutsche Literatur von Goethe bis Heinz Erhard ab. Im Klüngelpütz findet zum 100. Geburtstag des "Maigret"-Autors Georges Simenon mit "Tod überm Zaun – Ermittlungen in der Provinz" eine kriminalistische Spurensuche statt, die von bekannten Sprechern wie Matthias Ponnier und Bodo Primus mitgestaltet wird. Zuvor veranstaltet dort das Duo Kölner Filz eine Lesung zum internationalen Frauentag, wobei nicht nur Literatur von, für und über, sondern (oha!) auch solche gegen Frauen vorgetragen werden soll. Noch mehr Frauenpower bietet das Bürgerhaus Stollwerck: Im April wird hier die Komikerin und Bewegungskomikerin Charla Drops  unter dem Motto "Auf nach Colonia Absurdistan" ihr 20jähriges Bühnenjubiläum feiern, wobei ihr ihre langjährige Bühnen-Partnerin Eva Hassmann alias Luna Luder wie gewohnt zur Seite stehen wird.

    Ebenfalls seit 20 Jahren gibt es die Springmaus-Improvisationstheatertruppe mit festem Sitz im Haus der Springmaus. Das Personal des seinerzeit von Bill Mockridge gegründeten Ensembles wechselte öfter, die Professionalität der Improvisationskunst blieb. Zum Jubiläum gibt's im März eine Zusammenstellung der Highlights der letzten zwei Jahrzehnte. Im April startet dann das neue Programm "Nur auf Rezept". Die Springmaus-Betreiber betreuen in Bonn seit Januar eine neue Spielstätte, die auf ein junges, abwechslungshungriges Publikum zugeschnitten ist und den (inter-)netten Namen S-Gangolf.com trägt. Dabei handelt es sich um ein neuartiges Kommunikations- und Eventcenter, in dem jeden Tag von 10 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts Veranstaltungen aller Art stattfinden. Hierzu zählen neben Partys, Sportübertragungen und Konzerten auch Kleinkunstprogramme. Im Frühling ist u.a. "ONKeL fISCH" mit dem Programm "Psychos – denn sie wissen nicht, was es soll" zu sehen. Man darf gespannt sein, ob sich das Konzept der Nonstop-Unterhaltung bewährt und die Kleinkünstler in diesem Rahmen angemessen zur Geltung kommen.

     

    Lisa Politt: Rache

    Ein Programm, das man eigentlich sofort unter Artenschutz stellen müsste, es sei denn, man ist Anhänger der – oftmals trügerischen – Auffassung, Qualität setze sich immer durch. Lisa Politt bietet geistreiches politisches Kabarett von und für nachdenkliche Menschen, wobei sich ihr Ansatz vom herkömmlichen Politkabarett Pachlscher und Pisperscher Prägung dadurch unterscheidet, dass sie sich nicht mit dem Draufhauen auf Politgrößen begnügt, sondern die Reflexion weitertreibt, das Politische auch im scheinbar so geschützten Bereich des Privaten, Individuellen ausfindig macht. Auf der Suche nach der Quelle des Aggressionspotenzials der modernen Gesellschaft spannt sie den Bogen von den Rachephantasien in Familie und Schule über den Hass der Dörfler und Städter bis zu den Kräften unserer Gesellschaft, bei denen bellizistische Denkmuster in der letzten Zeit mehr und mehr die Oberhand gewonnen haben: Neben Bushs USA geraten hier besonders die Grünen ins Blickfeld, deren Gesinnungswandel bei den Kosovo- und Afghanistanfeldzügen von Politt mit einigen besonders bissigen Bemerkungen bedacht wird. Sehen viele Comedians in ihrem Publikum nicht mehr als einen Pawlowschen Hund, der auf Schlüsselreize zu reagieren hat, setzt Politt auf Aufklärung durch Verunsicherung und Distanz. Das Gespräch mit den Zuschauern wird immer wieder durchbrochen und als Rollenspiel durchschaubar gemacht. das immer mehr im Kabarett um sich greifende Animateursgehabe ("und jetzt alle") als plumpe Manipulation enttarnt. Wer das Kabarett als intellektuelles Abenteuer, als raffiniertes Denk-Spiel liebt, sollte diesen Rachefeldzug nicht versäumen.

     

    Terminübersicht

    Atelier-Theater, Köln
               1. bis 3. 4., Sascha Korff

    Bürgerhaus Stollwerck, Köln
               4. bis 6.4. "Auf nach Colonia Absurdistan" – Charla Drops/Luna Luder

    Comedia, Köln
              16. bis 19. 5., Heinrich Pachl

    Haus der Springmaus, Bonn
              8. bis 13.4., "Nur auf Rezept" – Springmaus

    Klüngelpütz, Köln
              8.3., "Damenwahl" – Kölner Filz
              23.3., "Tod überm Zaun"

    Pantheon, Bonn
              29.4. bis 1. 5., Prix Pantheon
              6. bis 10.5., Alich/Pause                 

    Senftöpfchen, Köln
              20.3., "Deutschstunde" – Kleine & Linzenich

    S-Gangolf.com, Bonn
              26.3., "Psychos" – ONKeL fISCH


    Redaktion:
    Guido Bee

    2003-03-15 | Nr. 38 | Weitere Artikel von: Guido Bee





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