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    Die tote Stadt - ein Psychothriller als Oper in Saarbrücken

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    Es ist spannend – es ist mystisch und es ist hoch musikalisch!

    In Saarbrücken läuft in diesen Tagen eine selten gespielte, aber dafür um so eindrucksvolle Oper: Erich Wolfgang Komgolds „Tote Stadt“.

    Der 1897 in Brünn geborene Erich Wolfgang Korngold machte seinerzeit eine aufsehenerregende Karriere als Wunderkind. Der Höhepunkt seines kometenhaften Aufstiegs war der Geniestreich seiner wohl bekanntesten Oper: »Die tote Stadt«. Mit einem riesigen Orchesterapparat entfacht Korngold in dieser Oper – 1920 in einer Doppelpremiere in Köln und Hamburg uraufgeführt – einen soghaften Klangrausch.

    Erzählt wird die Geschichte eines Witwers, der sich in seiner übermächtigen Trauer in die Vergangenheit eingesponnen hat und die Leere seines Lebens mit den Erinnerungen an seine verstorbene Frau Marie füllt. Seine Wohnung ist mit Bildern,
    Kleidern und mit einer Haarsträhne der Verstorbenen zu einer »Kirche des Gewesenen« geworden und er selbst zu einem lebenden Toten erstarrt. Da begegnet Paul, der Witwer, der Tänzerin Marietta. Die ähnelt Marie frappierend, und bald glaubt Paul, dass seine verstorbene Frau in ihr wiedergekehrt sei. Sonderbares geht vor sich, die Grenzen von Gestern und Heute, von Vergangenheit und Gegenwart, von Sein und Schein verschwimmen immer mehr …

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    »Die tote Stadt« ist ein Psychothriller über die Schwierigkeit des Loslassens und über den »Triumph des Lebens« (diesen Titel hatte Korngold ursprünglich für sein spätromantische Meisterwerk vorgesehen). Mit Aron Stiehl hat das Saarländische Staatstheater einen Regisseur verpflichtet, der den alptraumhaften Visionen psychologische Tiefgründigkeit verleiht und der grandiosen Musik mit einem bildgewaltigen Bühnengeschehen Raum gibt.


    Wir trafen Aron Stiehl zum Interview zu seinem Bühnenprojekt „Die tote Stadt“.

    Herr Stiehl, die Oper „Die tote Stadt“ ist nicht einfach. Zwei Handlungen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Realität und Vision wurden von Ihnen hier in Saarbrücken inszeniert. Was reizt Sie an der Oper und was waren die besonderen Herausforderungen?


    Die besondere Herausforderung war für mich auf der Bühne zu zeigen, was Traum ist, was Wirklichkeit; was Wahnvorstellung und wann befinden wir uns im Hier und Jetzt. Für die Zuschauer ist es oft schwierig, das in diesem Stück zu unterscheiden. Jedenfalls ging es mir so, als ich „Die tote Stadt“ zum ersten Mal in der Oper sah. Auch die Musik unterscheidet hier nicht eindeutig, vor allem nicht am Schluß. Ich wußte, das muß ich für die Zuschauer einleuchtend inszenieren.
    Andererseits darf man nicht zu deutlich mit dem erhobenen Regiezeigefinger arbeiten, denn das Stück lebt von dem fließenden Übergang und der Spannung zwischen den beiden Welten Traum und Realität.   


    Sie ziehen bei der Oper „Die tote Stadt“ gerne eine Parallele zu Wagner. Worin sehen Sie Gemeinsamkeiten bzw. die Inspirationen von Korngold durch Wagner?

    Korngold wurde eindeutig von Wagner inspiriert. In der Oper sind Zitate von Wagner enthalten, auch die Musik geht auf Wagner und die Spätromantik zurück. Das Düstere, die Nachtatmosphäre beziehen sich ebenfalls auf Wagner.


    Gibt uns die Botschaft der Oper auch etwas mit für unser alltägliches Leben?

    Ja, auf jeden Fall. Wir sehen hier ein krankhaftes Festhalten an der Vergangenheit, an einer verstorbenen Person bis hin zur Manie. Am Ende wird diese Frage auch nicht aufgelöst und der Zuschauer soll sich daher grundsätzlich fragen: „Was ist überhaupt Realität?“. Im Grunde haben wir hier eine hochaktuelle Frage unserer Zeit: Was ist  Realität, was nimmt jeder Einzelne von uns als Realität wahr? Es gibt Orte im Universum, an denen Zeit und Raum keine Rolle spielen und mit unserem Verständnis von Realität nicht zu erfassen sind.    

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    Worauf legten Sie beim Bühnenbild und dem Licht besonderen Wert, das von Nicola Reichert gestaltet wurde?

    Wir beginnen in einem sehr kleinen Zimmer, das im Traum durchlässig wird und wächst. Obwohl wir also in der Realität in diesem Raum verbleiben, entwickelt sich die Handlung auf einer großen Fläche. Mit unserem Bühnenbild und dem Licht zeigen wir dem Publikum, wo wir uns gerade in diesem Spannungsfeld befinden. Das wird auch im zweiten Akt deutlich, wo wir zeigen: Wir sind hier immer noch im Alptraum.


    Gab es auch musikalische Herausforderungen?

    Dieses Stück ist schon eine sehr große musikalische Herausforderung. Ich selbst habe es auch bemerkt, als sich in der Cafeteria zwei Orchestermusiker miteinander unterhalten haben, und erschrocken waren, wie schwer dieses Stück zu spielen ist. Und wir haben ja auch bereits Wagner angesprochen. Es ist eben keine klassische oder barocke Musik der Aufklärung wie bei Mozart oder Bach mit einer klaren Struktur, sondern es ist eine abgründige Musik der Nacht, bei der zuweilen jede Tonalität verloren geht und einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Aber es gibt auch Ausnahmen wie zum Beispiel das „Lied vom Rhein“.

    Wie hat sie persönlich die Inszenierung von der Toten Stadt beeinflusst?

    Das Stück hat mich über Monate regelrecht gefesselt. Wenn ich abends aus den Proben kam, mußte ich immer noch an die Handlung und die Musik denken – fast wie eine Droge. Es war schon teilweise sehr beeinflussend. Aber am Ende bin ich froh, dass ich mich dieser Herausforderung als Regisseur gestellt habe. Denn an solchen Projekten wächst man auch persönlich.

    An welchen Projekten würden Sie gerne zukünftig noch mitwirken?

    Ich würde gerne mal den Rigoletto inszenieren – das wäre ein Traum für mich.

    Ganz herzlichen Dank für das Gespräch über Ihre Eindrücke und Erfahrungen Herr Stiehl mit der Toten Stadt von Erich Wolfgang Korngold.  

    Interview: Ronald Maltha

    Fotos: Staatstheater Saarbrücken

    Nr. 99 | Weitere Artikel von: Ronald Maltha





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